Von oben her

Schneeweiß, wie ein sonnbeglänztes Meer,
liegt das weite Land in stiller Pracht.
Flocken haben es bedeckt, von oben her,
bringen uns ein Bild, das glücklich macht.

Flockentreiben kommt aus ferner Welt,
fällt und segelt auf den Winterwinden;
flüchtig ist das Nass, vom Frost erstellt,
Sonne bringt das Element zum Schwinden.

Lichtes Treiben schwebt vom Himmelszelt,
weiß und rein scheint es, das Flockenheer.
Flüchtig sind die Dinge dieser Welt,
nur gelieh‘n sind sie - von oben her. 

Geheiligte Stunde

von Ephides
The Christmas Tree, Albert Chevallier (1862-1925)
Geheiligte Stunde, gesegnete Runde,
wie Schalen geöffnete Herzen und Hände
und göttliche Worte aus menschlichem Munde —
da öffnen sich Türen, da weichen die Wände.

Da strömen in Scharen die sehnenden Seelen,
als hätte ihr Herz unser Rufen vernommen,
und manche entringt sich mit Mühen und Quälen
dem klammernden Dunkel, um Licht zu bekommen.

Die Engel entschweben dem seligen Schweigen
und bringen den Herzen die Wasser des Lebens,
behutsam, wie Gärtner zu Blumen, sich neigen.
Geheiligte Stunde, o Stunde des Gebens.

Mene-tekel-uparsin

Tag des Urteils – Jean-Léon Gérôme (1824-1904)
Menschen würden ihn nicht erkennen,
den Engel, selbst wenn er in Sichtbarkeit stünde;
manchmal seh’n sie im Schlechten Gutes,
und beschimpfen die guten Dinge als Sünde. 

Sie können Gut und Böse nicht unterscheiden,
sehen nur die Seite, die der Allgemeinheit gefällt;
sie nehmen nicht wahr, wie andere leiden,
denken, den Reichen und Schönen gehört die Welt. 

Auf Spatzen schießen sie mit Kanonen,
sortieren die Bösen in Schwarz und die Guten in Weiß;
sie wollen den Satan der Welt belohnen,
der die Menschheit mit in den Abgrund reißt.

Worte nur, gegen das böse Tun alter Männer,
die sich selbst gesetzt, als Gottes Vertreter.
Die Glaubensverdreher und Religionsbekenner,
laufen durch die Nationen als fromme Beter. 

Seht hin! Die Waage mit gefüllten Schalen,
ein Engel hält sie, wiegt der Völker Gedanken,
hat zu leicht befunden*, was sich ihm offenbarte;
die Welt wird an ihren Taten erkranken. 

* Eine Stelle im Alten Testament, Dan 5,25: Daniel liest die Worte „mənēʾ mənēʾ təqēl ûp̄arsîn (מְנֵ֥א מְנֵ֖א תְּקֵ֥ל וּפַרְסִֽין)“ und interpretiert sie: „Mənēʾ: Gezählt, das heißt, Gott hat gezählt (mənāh מְנָֽה) die Tage Deiner Königsherrschaft und sie beendet. Təqēl: Gewogen, das heißt, Du wurdest auf der Waage gewogen (təqiltāʾ תְּקִ֥לְתָּא) und für zu leicht befunden. Pərēs פְּרֵ֑ס: Zerteilt (pərîsat̲ פְּרִיסַת֙) wird Dein Königreich und den Persern und Medern übergeben“.

Fazit: Alles Fehlverhalten wird Folgen haben.

Wie ein Kind im Damals

Einen kleinen Kranz aus Tannengrün binden,
mit goldenen Drähten ihn liebevoll winden,
bestückt mit Schleifen und Kugeln aus Glas,
an den Türrahmen hängen. Wie schön ist das! 

Die verschlissenen Sitze des Sofas verstecken,
es verhüllen mit Kissen und warmen Decken,
und der Ohrensessel kriegt ein Fell für den Po,
für die kalten Beine eine Zudecke, sowieso. 

Ein Plastikbäumchen mit LED’s, ganz klein,
wird in stiller Stunde Erinnerung sein.
Vorbei ist die Freude auf Weihnachtsstunden,
vergangen ist sie, wie ein Traum in Sekunden.

Die, die ich liebte, sind abberufen.
Sie waren das Licht mir auf felsigen Stufen.
Wurden schwebenden Schrittes davongetragen,
zu besseren Orten und wärmeren Tagen.

Am Abend entzünde ich Kerzenlichter,
dann seh‘ ich sie alle, die trauten Gesichter,
erleb‘ die Geschichten der Weihnachtszeit,
wie ein Kind im Damals. Es liegt schon so weit! 

In der Stadt

Quelle: Pinterest
In der Stadt sieht man die Menschentrauben,
taumeln in die dunkle Welt des Abends,
gehen schnellen Schrittes, und sie glauben,
dass sie die Zeit für sich gepachtet haben. 

Tüten voll, stehn sie mit leeren Herzen,
mit dem Denken auf sich selbst gestellt.
Hasten durch die Läden, wie durch Gärten,
ernten ungeliebten Tinnef für viel Geld.

Während sie genervt nach Hause eilen,
machen ihre Smartphones schräge Töne.
Ist kein Ort, um lange zu verweilen -
schnell verstummt das Straßenzug-Geklöne.

Weihnachtswelt ist vom Vorüberschreiten
der Massen kalt und stumm geworden.
Die Hektik dieser Zeit auf Straßen breiten,
ist wie ein Tun, die Sinnlichkeit zu morden.

Andachtsvolle Weihnachten

Vincenzo Irolli (1860-1949)
Weihnachtstag, Zeit der Erinnerungen;
so lernten wir als Kinder diese Klänge,
wie schon die Alten hatten einst gesungen.
Die Kirche war gefüllt, auch obere Ränge.

Das Orgelspiel klang feierlich und trug 
den Flötenton der Kinder durch die Reihen.
Wir Kinder sangen Christ entgegen, frohgemut,
der Saal, er war erfüllt von Glanz und Freuen.

Vor dem Altar sah ich die Englein schweben,
ich malte mir den Heiland, neu geboren.
Der Tag war mir ein himmlisches Erleben,
ich wurd‘ aus meinem Alltag fortgehoben. 

Hell strahlend fiel herab der lichte Traum,
nahm fort die Sorgen mir und Nöte,
und kurz streift mich des Lichtgewandes Saum,
als wenn’s der ganzen Welt Erlösung böte. 

Herzschlag der Erde

Ships on a Stormy Sea – Raden Saleh Ben Jaggia (1811-1880)
Aus Felswänden pocht es, wie ein zaghaftes Schlagen -
ein Pulsen der Sehnsucht nach Freiheit der Quelle,
deren versickernde Wasser dem Stein unterlagen,
bis ein Sturmwind durchbrach ihre steinerne Zelle.

Der Herzschlag der Erde, pulst unter Grabmalen;
die Liebe erstarrt durch die Kälte der Welt.
Ist nur noch ein Wort, das als Hülse getragen,
ein Erinnern an den geistigen Ursprung enthält. 

In der Stille hörst du das Pochen der Quelle,
die den Weg ans Licht der Sonne sich bahnt.
Erst, als kleines Plätschern, dann in rauschender Schnelle,
wird sie zum Strom, der die Weltmeere ahnt. 

Seinen Weg erkennend, trägt er mächtige Schiffe,
mit kostbarer Fracht, zu münden in endloser See, 
treibt hin zum Glück, trotz der steinernen Riffe;
die Berufung, zu tragen, ist genommenes Weh.

Hört sie pochen, die Sehnsuchtsherzen, habt acht;
sind barmherzig auf göttlicher Quelle getragen,
bis die Liebe im wärmenden Atem erwacht,
in den Herzen der Menschheit an erlösenden Tagen.

Sorgen und Ängste

Quelle: Pinterest
Begleiter für das Leben sollte Liebe sein.
Das Schicksal trieb dich an den Schulungsort;
du wirst getragen und bist nie allein,
ist die Lektion auch hart, bald geht sie fort.

Bist unzerstörbar, unerschütterlich;
den Rest des Weges wird Er bei dir sein,
bist Teil von Ihm, viel höher als dein Ich.
Du überwindest alles, Furcht und Pein.

Entfalte dich und nimm die Chance wahr,
die groß dir in die Wiege einst gelegt,
denn Seine Liebe ist dir immer nah,
leg deine Sorgen ab, wie Wind sich dreht.

Dann folgt die Stille, tritt in sie hinein,
bade im Segen, der von innen kommt.
Lern die Lektion des Nie-verlassen-seins,
sei frohen Mutes und von Gott besonnt. 

voll Mond

Bild von Larisa Koshkina auf Pixabay
Unbeweglich ist alles, die Fenster geschlossen,
es dringt sein fahles Licht durch den Store.
Bald ist er rund, wie in den Himmel gegossen,
seine Strahlung öffnet manch mystisches Tor. 

Die Nacht wird zum Tage, in Silber getaucht,
die Verborgenheit bekommt durch ihn ein Gesicht;
es lächelt nicht, ist uralt und verstaubt,
taucht die Welt in kaltes, gleißendes Licht.

Die Flüche flieh‘n vor des Tages Erwachen,
die im Jenseits beschatteten Wölfe der Nacht.
Der Tod bringt zum anderen Ufer den Nachen,
Vampire gehn schlafen – die Welt ist erwacht. 

Winter

Sophus Jacobsen (1833-1912)
Der Winterhimmel drängt sich grau ins Licht,
so schneeschwer ziehn die Wolkenzüge,
schweben vorbei, bis die Umhüllung bricht;
verlieren sich in flockenweißen Flügen.

Die Jahreszeit ist kalt, eisig ihr Händchen, 
bedeckt das müde Land mit Leichtigkeit,
trägt Frost und Schnee am Gängelbändchen,
wie einen kleinen Hund, der Unfug treibt.

Es ermattet die Natur, des Menschen Kraft,
teilt sich ihr großes Einsamwerden und trinkt Tee.
Übt, wie man frühes Schlafengehen schafft
und freut sich über erste Fußstapfen im Schnee.