Die Luft ist feucht –
aus den Kalendertagen fließt der Schweiß,
und durch die Hitze trocknet das Gemüt,
wie manches Blatt,
das sich dem Ast entreißt
und still zu Boden geht;
braun,
wie die Haut der Sonnentrunkenen,
liegt es dort,
verbrennt,
ein kleines Teil,
das sich von grün nach grau gefärbt,
„vergangen“ nennt.
Ein Zeichen dieser Zeit,
die schneller scheint als sonst,
eilig, ihr Schritt;
die mit sich reißt, was brüchig ist.
Nichts bleibt!
Auch das Erinnern an sie geht.
Wir gehen mit.
Strände, gefüllt mit Menschen, die aufs Wasser starren,
die ihre Zeit verfließen lassen an den Ufern,
wo sich die Wogen schäumend türmen, gleiten,
ihr Element sich öffnet und umschließt wie Heimat.
Wo Möwen kreischen und zu Schwärmen in den Häfen
nach Nahrung suchen, zwischen all den Booten,
und auf den Promenaden geht, mit flatternden Gewändern,
die Heiterkeit mit alltagsmüden Augen, hinter Sonnenbrillen.
Da ist ein Lachen, dort Musik und Kinder, der Großstadt müde,
laufen hin zu den Gestaden; Muscheln, die an Land getrieben,
halten sie wie Gold in ihren kleinen Händen,
tragen sie in ihre Plastikwelt zurück, wie wahre Schätze.
Sonne strahlt auf eingecremte, blasse Leiber -
wie Panade setzt sich Sand auf ihre Haut, oft rot gefärbt von Glut,
gesalbt, doch schutzlos vor Natur und Elementen,
ihnen preisgegeben, frei und ungezwungen.
Wie eine Hand voll Sand ist die durchlebte Zeit.
Ich fühle, wie er stetig durch die Finger rinnt;
öffne die Hand, lass‘ ihn vom Wind verwehen,
hin zu den Wellen unterm Sternenhimmel.
Wenn sich zu abendlicher Stunde
der Glocke Klang vom Turme schwingt,
hinaus getrieben in die Welt,
die sich verhüllt im Abendwind,
dann gurren Tauben auf dem Dache,
der Falke zieht die Kreise dichter
und in den Häusern, nah dem Bache,
erleuchten erste traute Lichter.
Nur das Geläut tönt durch die Reihen,
lädt ein mit Predigt und Gesang;
das Volk erscheint im frommen Schweigen,
zur Abendmesse geht ihr Gang.
Scheu gilt ihr Blick den Heimgegangnen,
die hier in ihren Gräbern ruhen;
spüren die wandermüden Füße,
in frisch polierten guten Schuhen.
Sie huschen auf die Kirchenbänke,
von wo sie still der Andacht lauschen,
sie singen, was sie stets gesungen,
gemeinsam mit der Orgel Rauschen.
Windig streicht ein frisches Lüftchen,
in der Linde düstern Zweigen,
aus der Kirche Himmelsspeise
nehmen sie nach Haus und schweigen.
Haben nichts als leere Hände,
denn das Brot ist auf und teuer,
doch dem Priester schmeckt der Braten -
wohlgenährt sitzt er am Feuer.
Sommertage schreiten weiter,
wärmen auf Gemüt und Sinn.
Ruhe ist dem Spaß gewichen,
Stunden gehen schön dahin.
Man verbringt sie in den Gärten,
wenn man sie zu eigen zählt;
sitzt zum Grillen vor dem Rauche,
der sich in den Himmel quält.
Steinzeit – hier lässt sie uns grüßen.
Was einst, als Prometheus Gabe,
er mit Feuer uns gegeben,
lodert heut‘ im Ur-Gehabe.
Fackelnd, in der Glut verloren,
nebeln uns Gerüche ein;
tote Tiere stehn und warten,
wollen bald gegessen sein.
Freut euch, metzelnde Gemeinde,
Sommerzeit ist eingeläutet;
grillt, wie die Neandertaler,
frisch vom Supermarkt erbeutet.
Vögel plusterten sich und schüttelten sich den Staub des Tages vom Gefieder, irgendwo ertönte von einem hohen First der Amsel trautes Lied; ihren Sang schickt sie zum Himmel, ohne Lohn, nur um des Daseins wegen, und hinter Wolken hüllte die Sonne sich mit Schleiern.
Stunden schritten vorwärts, schienen oft stillzustehen. Müde waren sie, wie ich, die Abgeblühte; als der Zeiger die 12 verließ, blühten sie wieder auf, zeigten sich mit lachenden Gesichtern, neu geboren, wie die neue Stunde.
Gedanken, sie treiben wie Boote mit Segeln an ferne Gestade, und manch einer sucht Heimat, doch ist er nur Treibholz am Strand. Das rettende Ufer erreichen, in Wogen und Wind mit Sternen über den Häuptern, von einer tiefen Sehnsucht nach Freiheit und Frieden getrieben.
Lässt man die Fremden sich freuen, zeigen sie lachende Gesichter im aufblühenden Leben wie die Blumen. Sie flohen vor ihren Gesetzen in unseren scheinbaren Frieden. Noch wiegen sie schwer von der Angst in ihren Booten. Die suchenden Seelen, die kraftlos dem Nachen entsteigen, ersehnen Menschlichkeit in den Armen der Welt.
Wo sich Diesseits und Jenseits begegnen liegt der Raum der Erfüllung. Durchtränkt vom Sein, zu schwer für das Werden. Wie das rettende Ufer sein, an dem sich Treibholz und Strandgut sammelt, zu niemandem gehörend.
Denjenigen, die Sehnsucht nach Frieden und Freiheit in sich tragen, Insel sein. Übe mit ihnen das Schweigen in tragender Stille unter den Sternen und schenke ihnen das Lächeln des Himmels zur neuen Stunde, auch denen, die angstvoll den Booten entsteigen, fremdes Land unter ihren Füßen.
Sei ihnen Heimat! Alle, die leben, ganz gleich, wo sie sich befinden, ganz gleich, welchen Stand sie haben, welche Farbe sie haben, welcher Rasse sie sind, welche Nationalität sie haben: sie sind Teil unseres Lebens, und das göttliche Gesetz trägt sie alle, und unser Geist ist mit ihnen allen vereint.
Die Kinderwelt von einst verging,
Erinnerung bleibt allein.
Als ich an Mutters Lippen hing –
voll Wissbegier und klein,
da war die Welt ein großes Spiel,
dem wahren Märchen gleich,
in Luftschlössern, der Anzahl viel,
geheimnisvoll und reich.
Die Kindheitssonne malte bunt,
was grau in dunklen Mienen;
fand so im jahrgekränzten Rund
noch Sommerglanz in ihnen.
Die Träume blieben unerfüllt,
sind lange schon vergangen.
So blieb das Licht in jener Welt
im Märchenland gefangen.
Johan August Malmström (1829-1901) – Barn lekande vid ån
Durch die Wiesen möcht‘ ist springen,
fröhlich, wie ein kleines Mädchen;
wo es windet, sanft durch Bäume,
frischbelaubt, im grünen Städtchen.
Nur das Blattwerk hör‘ ich rauschen;
geht ein Sonnenstrahl durch‘s Laub,
folge ich dem lichten Glanze,
fühl‘ die Wärme auf der Haut.
Als ich einst den Weg gegangen
und die Kühe trieb aufs Feld,
ach, da glühten meine Wangen.
Heil war meine kleine Welt!
Wo sind all‘ die grünen Gründe?
Hab‘ das Lied davon im Sinn.
Summe leise von der Heimat,
der ich längst entwachsen bin.
Zur Erinnerung an meinen Lehrer H. Vollmers, der bereits in jungen Jahren verstorben ist. Es war sein Lieblingslied.
Den Abend des 28. April hatte ich bei Hofe in meiner prächtigen grünen Galauniform verbracht, und Voß (Anm.: Professor am Weimarer Gymnasium) hatte beim Ankleiden beteuert, dass ich gut und gesund aussähe.
Am Abend des 30. April begegnete ich Goethe zum letzten Male vor meinem Haus, als ich gemeinsam mit meiner Schwägerin Karoline auf dem Weg ins Theater war. [..]
Als das Stück endete, kam Voß wie gewohnt zu mir in die Loge, um mich nach Hause zu begleiten und fand mich in einem solch heftigen Fieber, dass mir vom Schüttelfrost die Zähne klapperten. Schon auf dem Weg ins Theater war mir mein Zustand seltsam vorgekommen, denn ich spürte mit einem Male den Schmerz meiner linken Seite nicht mehr, der mich jahrelang begleitet hatte.
Zu Hause angekommen, ließ ich mir zur Stärkung einen Punsch machen, und Voß fand mich am Morgen des 1. Mai völlig apathisch auf dem Sofa liegend. Meine Kinder kamen zu mir und küssten mich, was ich teilnahmslos hinnahm, ohne darauf zu reagieren. Lotte ließ mein Bett im Arbeitszimmer aufstellen und benachrichtigte Doktor Huschke, da Professor Stark mit der Großfürstin in Leipzig weilte. Huschke tat alles Mögliche, um mir zu helfen, doch es fehlte ihm die Erfahrung, denn er hatte eine solche Krankheit noch nie behandelt und diagnostizierte in seiner Unwissenheit ein rheumatisches Seitenstechfieber, ohne zu ahnen, dass es sich um eine akute Lungenentzündung handelte.
Anfangs empfing ich Besuch, doch da das Sprechen meinen Husten vermehrte, war es mir am liebsten, wenn Lotte und ihre Schwester alleine um mich waren, und auch als Voß sich erbot, weiter des Nachts an meinem Bett zu wachen, blieb ich lieber mit meinem treuen Diener Rudolph alleine. Ich sehnte mich sehr nach dem Besuch meines Schwagers, der sich jedoch ebenfalls in Leipzig aufhielt.
Bis zuletzt beschäftigte mich mein Demetrius, und obwohl ich mir selbst verbot, meinen Zustand bewusst wahrzunehmen, versuchte ich meinen eigenen Worten: „Der Tod könne kein Übel sein, da er etwas Allgemeines sei“, zu vertrauen. Die Ängste kamen trotzdem, nicht nur vor dem Unausweichlichen, sondern auch davor, meiner Familie „Adieu“ sagen zu müssen – sie alleine zu lassen, wo meine jüngste Tochter gerade erst auf der Welt war.
Wie gerne hätte ich manches noch ausgesprochen, doch am 6. Tag schwand meine Sprache, und aus Angst vor Schmerzen bat ich Gott, er möge barmherzig sein mit mir und dem Leiden schnell ein Ende setzen. Sobald ich schlief, sprach ich im Delirium und sah im halbwachen Zustand, wie sich der Vorhang zwischen der irdischen und geistigen Welt langsam öffnete und mir ein Einblick gewährt wurde, der mich ruhig werden ließ.
Ich fragte, ob das die Hölle oder der Himmel sei, und beim Erwachen blickte ich zufrieden lächelnd in die Höhe, um dem Lichtwesen nachzusehen, das mir tröstend erschienen war, um mich abzuholen.
Noch einmal verlangte ich meine jüngste Tochter zu sehen, um sie ein letztes Mal zu betrachten und ihre kleine Hand zu halten. Mein Innerstes war voller Ruhe, und ich bat darum, man möge die Vorhänge öffnen, denn ich wollte noch einmal den Himmel sehen.
In der folgenden Nacht kreisten die Gedanken wieder um den Demetrius, und am Morgen des 9. Mai 1805 schlief ich bis gegen zehn Uhr, und da ich darüber klagte, dass mir Angst ums Herz sei, verordnete mir Doktor Huschke die anstrengende Maßnahme eines Bades, mit dem ich mich schwertat.
Um meinen Kreislauf zu stärken, gab er mir ein Glas Champagner, doch dann trat Besinnungslosigkeit ein. Ich sprach im Delirium und erkannte keinen Menschen mehr, auch nicht Lotte, die verzweifelt neben meinem Bett kniete und meine Hand hielt. Gegen drei Uhr nachmittags trat vollkommene Schwäche ein, mein Atem fing an zu stocken, und es fuhr wie ein elektrischer Schlag durch mich hindurch, bevor sich der irdische Vorhang schloss und mir der himmlische geöffnet wurde.
An Friedrich von Schiller
von Gisela Seidel
Fort bist du lange schon,
doch hier noch so präsent,
dass deine Gegenwart zu spüren,
augenschließend ich vermag.
Lässt mir das große Schweigen,
das niemals meinen Namen nennt.
So plötzlich kam der Schmerz,
verfinsterte den Tag.
Suchtest den Weg in ferne Dimensionen,
gabst von der Ewigkeit, die du versprachst,
mir nur ein kleines Stück;
wo Seraphinen in Traumwelten wohnen,
dorthin brachte dein Todesengel dich zurück.
Gewährte Zerberus dir Einlass in sein Reich,
so zahl ich heute noch dafür Gebühr.
Erscheint dein Antlitz vor mir engelsgleich,
streck’ ich in manchem Traum die Hand nach dir.
Werd’ niemals wieder deiner Stimme lauschen
und niemals deinen warmen Atem spür‘n.
Wie könnt’ ich mich an deiner Gegenwart berauschen,
wie sehr möcht’ ich mit dir den Himmel sanft berühr’n!
Vergangen und vorbei – vergessen, nie so ganz;
am Ende meines Weges sei bereit,
reich’ mir die Hand zum eig’nen Totentanz
auf dem Parkett durch die Unendlichkeit.
Wie ein antik-vergilbtes Notenblatt
aus einem weitgereisten Koffer alter Zeit,
in dem der Moder keine Wirkung hat,
umfasst die Patina das welke Kleid.
Mit rötlich-braunen Flecken hier und dort,
die Handschrift undeutlich verschwommen -
vergang’ne Harmonie ans Licht geholt,
auf ein Papier für Klang und Ton ersponnen.
Wer war die Hand, die dir das Leben lieh?
Welch‘ Geist umfasste Seele und Gemüt?
War’s deines Glückes hellste Melodie,
die dir wie eine Rose aufgeblüht?
Wie lange warst im Dunkeln du verbannt,
wann klang das Lied zum allerletzten Mal?
Im Koffer zur Vergessenheit verdammt,
war es, macht sein Vermächtnis rar.
Ein Mollakkord hängt in der Abendluft -
der Geige Jubel klingt so königlich.
Versprüht im Geist von damals Maienduft.
Hör‘, wie es singt! Erlöst es jetzt auch mich?
Alle Würfel, die gefallen,
zeigen Niedergang und Sieg.
Ledern wird der Becher knallen,
wenn ein Holz darunter liegt.
Hand um Hand, den Wurf erringend,
kommt die Zufallszahl ans Licht.
Prasselnd klingt es und gelingend,
wenn sie durch die Reihen bricht.
Wie die Sieger triumphieren!
Schreien auf, wenn er vollbracht,
und im Wirtshaus jubilieren
feiernd sie die ganze Nacht.
Als in frühen Morgenstunden
Alkohol und Börsen leer,
ist das Grölen längst verschwunden,
denn die Augen wurden schwer.
Morgengrauen legt den Schatten
des Vergessens an den Tag,
man verkriecht sich, wie die Ratten,
in den häuslichen Verschlag.
Nur der Schlaf entspannt die Glieder,
zugedeckt mit Einsamkeit.
Beim Erwachen treibt sie wieder
hin zum Würfelspiel im Leid.
Die Begeisterung des Handels
in der Spielart ihres Treibens,
lässt so manchen Lebenswandel
in die Not der Armut gleiten.
Jede Einsamkeit ist Sehnen
nach der Liebe, nach dem Licht.
Es vergehen Leid und Grämen -
Spielerei vertreibt sie nicht.
Heilen wird ein leises Rufen,
tief in deiner Einsamkeit.
Folge ihm auf ew’gen Stufen,
hin zum Ort der Ewigkeit.
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