Die innere Stimme

Bild: Karin M.

Manchmal verschließt man die Augen,
nur die innere Stimme wird leise
im Hintergrund wachen;
manchmal will man zu Höherem taugen,
doch in der Tiefe flüstert es leise:
„Du kannst es nicht machen!“


Manchmal schwebt die Seele im Taumel,
bringt die innere Stimme zum Singen.
Mit belebtem Körper und Geist,
wirst du wieder zum Boden baumeln.
Sie wird dich zur Weitsicht bringen,
solange sie „Leben“ heißt.

Grüne Gedanken

Claude Monet (1840-1926) – Frühling

Bald schon wird die Welt erblühen,
kaltes Kunstlicht weicht der Sonne,
die Gedanken werden grün,
es erwacht des Lebens Wonne.

Fenster strahlen wie die Spiegel,
Herzschlag sucht den taktvoll gleichen,
Winter bricht das Frühlingssiegel,
Kälte wird der Wärme weichen.

Bringt ins Dunkel lichtes Sprühen,
lässt die Nebeltücher ziehen.
Gärten duften voller Blühen
bald nach Veilchen und Jasmin.

Welcher Antrieb aller Dinge
wirkt im Zeichen der Natur?
Fruchtbarkeit und Leben bringe
uns die Ewigkeiten Spur.

Wie kein Frühling ohne Liebe,
gilt Lobpreis dem Schöpfergott.
Lust auf Leben, grüne Triebe,
Ist für alle Zeit Gebot.

Momente

Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

Vom Berg hinab ins Tal zu schauen,
über mir Himmel;
seh‘ Wolken ziehen,
vor dem blauen.

Gedanken ruhen, wie tiefe Seen.
Nur sein zum Schein,
unsichtbar,
im Licht vergehen.

Die morgenfrische Welt zu fühlen,
die schmeichelnden Lüfte,
wie sie duften und kühlen.

Augen schließend den Sinnen lauschen,
Gott-Vater finden,
im Innen und Außen.

Ohne Wiederkehr

Edmund Blair Leighton (1853-1922) To the unknown land

Wo ist mein Lachen,
wo die Leichtigkeit der frühen Jahre,
als jeder Tag wie ew’ges Spiel begann?

Als dieses Spiel den schweren Kindheitstagen
noch Flügel gab, entflog und mit sich nahm.

Die Ängste, die wie Mauern vor mir standen,
sie wurden fortgeholt durch Traum und Zeit.

Die Fäden, die mich an die Eltern banden,
sie schnürten meine freie Kindlichkeit.

Und als der Faden dünner wurde mit den Jahren,
durchtrennten ihn erwachsene Fantasien.

Konnte entweichen, wo ich Zwang erfahren,
schon nah der Freiheit, wollt‘ ich zu ihr fliehn.

Doch auch in dieser Welt fand ich kein Lachen,
sah Leichtigkeit erstickt im Alltagsmeer.

Betrübnis treibt auf schwarzem Nachen
und trägt die Fahne „Ohne Wiederkehr“.

Liebeslied

Ich bin der Hirsch und du das Reh,
Der Vogel du und ich der Baum,
Die Sonne du und ich der Schnee,
Du bist der Tag und ich der Traum.

Nachts aus meinem schlafenden Mund
Fliegt ein Goldvogel zu dir,
Hell ist seine Stimme, sein Flügel bunt,
Der singt dir das Lied von der Liebe,
Der singt dir das Lied von mir.


Anmerkung von Hermann Hesse (1877-1962):
„Glück ist Liebe, nichts anderes. Wer lieben kann, ist glücklich.“

Komposition, Arrangement und Produktion:
Schönherz & Fleer – Hesse Projekt- / Rezitation: Ben Becker

Dezember Ausklang

Geweihte Stunden im alten und neuen Jahr

Für dieses Jahr möchte ich mich verabschieden.
Danke, dass Ihr mir Eure Zeit gewidmet habt beim Besuch meiner Seiten.

Ich wünsche allen ein besinnliches, frohes Weihnachtsfest
und vor allen Dingen Gottes Segen und Gesundheit.

‚Schaut‘ mit den Herzen und ‚rutscht‘ gut ins neue Jahr.

Weihnachten

Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend‘ geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
sind so wunderstill beglückt.

Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!

Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen-
O du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff
(1788 – 1857)

Wunderweiße Nächte

Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.

Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Erinnerungswelt Weihnachten

Foto: privat – Weihnachten 1956

Das Zimmer roch nach Tannengrün,
am frisch gefällten Nadelholz,
dem, Ständer passend, Maß verliehen,
war es der Eltern Weihnachtsstolz.

Im Glanz der brennend weißen Lichter,
am grünen Tannenbaum geschmückt,
umspielte Freude die Gesichter
und jeder Mensch schien tief beglückt.

Silberne Vögel an den Zweigen
mit mundgeblas’ner Christbaumspitze,
und zwischen dem Lametta Reigen
sah man die Kugeln silbrig blitzen.

Der Raum roch ganz nach Wunderkerzen,
die Funken sprühten, knisternd sachte,
sie brannten sich in Kinderherzen,
wo ihnen lichte Wunder lachten.

Ich mag keine Puppen und Stoff-Bären

Was sonst so grob, schönte die Miene
durch Schokolade, Zuckerzeug.
So kostbar waren Apfelsinen
und Nüsse, die das Auge freut.

Schon lange sind die Kindheitsträume
im Niemandsland Erinnerungswelt.
Nur in den Himmeln wachsen Bäume
mit Weihnachtsschmuck, die niemand fällt.

Foto: privat – Weihnachten 1968

Liebe auf Erden

In der Stille flackern alle Kerzen,
bringen schimmernd Sonne in die Zeit.
Tragen Liebe in die müden Herzen,
Öffnen Geist und die Begrenztheit weit.

Die verschlossne Türe jenseits unsrer Sinne,
öffnet sich und lässt den Himmel spüren.
Alle Engel stehn seit dem Beginne,
heben Liebe durch die Himmelstüren.

So erhoben von der kalten Erde
wandelt sich die Kraft des Denkens.
Wo einst Steine waren, Leben werde!
So ist Gott der Geber und Beschenkte.

Einsam tret ich auf den Weg

Ivan Ivanovich Shishkin (1832-1898)

Einsam tret ich auf den Weg, den leeren,
der durch Nebel leise schimmernd bricht;
seh die Leere still mit Gott verkehren
und wie jeder Stern mit Sternen spricht.

Feierliches Wunder: hingeruhte
Erde in der Himmel Herrlichkeit…
Ach, warum ist mir so schwer zumute?
Was erwart ich denn? Was tut mir leid?

Nichts hab ich vom Leben zu verlangen
und Vergangenes bereu ich nicht:
Freiheit soll und Friede mich umfangen
im Vergessen, das der Schlaf verspricht.

Aber nicht der kalte Schlaf im Grabe.
Schlafen möcht ich so jahrhundertlang,
dass ich alle Kräfte in mir habe
und in ruhiger Brust des Atems Gang.

Dass mir Tag und Nacht die süße, kühne
Stimme sänge, die aus Liebe steigt,
und ich wüsste, wie die immergrüne
Eiche flüstert, düster hergeneigt.

(aus dem Russischen von Rainer Maria Rilke)

Gedicht von

Michail Lermontow (1814-1841)