Einfach gut

Peder Mørk Mønsted (1859-1941)
Stockrosen schmücken das alte Haus
mit duftigen Blütenkleidern,
wie alte Damen sehen sie aus,
begrünt in samtigen Leibern.

Äcker und Felder sind dürr und erstarrt,
von Sonne verbrannt und in Schwere.
Abgeerntet so manche Saat,
in den Fluren schon Spätsommerleere. 

Sonnenblumen sind standhaft und wach,
wogen sanft in den flirrenden Gluten.
Das Grün der Kartoffeln liegt hitzeschwach,
gesenkt, über inneren Bruten. 
Der „Alte Fritz“ und sein Kartoffelbefehl – Robert Warthmüller (1859-1895)
Schon bald hebt der Bauer die Felder leer,
geborgen, die kostbaren Knollen,
die seit 300 Jahren, zu des Königs Ehr,
ihm und dem Volk Achtung zollen. 

Als damals der Hunger die Mägen schnürte,
war „Schmalhans Küchenmeister“. 
Wird heut‘ ein Koch mit Sternen gekürt -
da „scheiden sich die Geister“.

Die Gesellschaft liebt es mediterran,
exotisch sind fremde Genüsse.
Es jammert und giert der Größenwahn.
Isst man arm, wenn man deutsch essen müsste?

Die Hungersnöte sind noch im Land,
fort sind die einfachen Katen.
Wo stehen noch Stockrosen an der Wand? -
In meinem erträumten Garten!
Peder Mørk Mønsted (1859-1941)

Meer der Sterne

Bild von WikiImages auf Pixabay
Das Universum ist das Meer der Sterne,
wohl angeordnet, kolossal und grenzenlos,
durch alle Zeiten ist es unbeschreiblich groß, 
ein Blick durchs Teleskop nur Hauch von Ferne.

Die Erde scheint der einz‘ge Ort des Lebens,
zeigt uns ein Bild des All-vertrauten Flusses,
der Seelen höchste Schwingung des Genusses,
doch auch ein Ort der Trauer und des Grämens.

Angeordnet durch Unfehlbarkeit der Mächte
hängen sie, wie Orden, die die Himmel küren,
wie Vögel, die sich nicht im Flug berühren,
sind Sterne die Laterna magica der Nächte. 

Sisyphus

Franz Stuck, ab 1906 Ritter von Stuck (1863-1928)
Eingehüllter Traum des Lebens,
bald verglüht dein letzter Funke,
jede Hoffnung scheint vergebens. -
Heb‘ ein Weinglas dir zum Trunke!

Wollt‘ Unsterblichkeit erlangen,
meine Energie soll brennen!
Hält mich doch kein Grab gefangen,
nichts soll mich vom Leben trennen. 

Göttlich war in jungen Jahren
unbeschwert des Daseins Gang.
Doch erst spät hab‘ ich erfahren,
droht schon bald der Untergang. 

War‘n die Götter mir gesonnen?
Sah den Todesengel warten!
Sterblichkeit hab ich gewonnen,
ein Mysterium, der Garten. 

Eden’s Tore sind verschlossen;
täusch‘ den Tod mit List und Schläue,
hab‘ die Unterwelt durchstoßen:
Schließt ein Leben, folgt das neue. 

Seht nur, wie die Götter strafen -
ich missachte ihr Gebot!
Wie sie jeden Menschen trafen -
endlos ist die Lebensnot. 

Sisyphus Beschwerlichkeiten,
dabei frohgemut, nicht grollend,
täglich auf den Berg zu steigen,
erfreut sein am Herunterrollen
des Felsblocks, den er mühevoll
nun wieder aufwärtsschieben soll. 

Des Lebens Mühsal auf sich nehmen,
am Ende froh, gelassen sein,
trotz hartem Weg, dem unbequemen,
das macht den Tod vergänglich klein. 

Heiler aller Herzen

Arthur Hacker (1858-1919)
Sieh, ich schreite dir zur Seite,
sieh, ich breite
meiner Lichterkenntnis Weite
dir zu Füßen,
denn ich kenne Schuld und Büßen,
Lust und Leiden,
und von beiden
trag' ich goldgewirkte Zeichen
im Gewand, dem wolkenweichen,
windhauchgleichen.

Seinem Rauschen
sah ich dich schon oftmals lauschen,
sah dich oftmals leis erschauern,
denn mein Auge schaut durch Mauern. -

Sag, was macht mein Nah'n dich zittern,
du, mein Bruder hinter Gittern,
hinter Gittern deiner Sinne?
Werde meiner Liebe inne!

Sieh, ich teile deine Tage,
sieh, ich trage deine Klage
zu dem Heiler aller Herzen,
dem Beschwichtiger der Schmerzen.

Heiltrank haltend in den Händen
kehr' ich wieder, zu verschwenden,
zu verströmen, was ich habe,
unsres ew'gen Gebers Gabe!

<Ephides>

Urlaub und Ferien

Bild von blende12 auf Pixabay
Wo sonst emsiges Treiben in der Stadt, 
wurde es zunehmend leiser.
Mit Kind und Hund brachte man sich auf Trab -
die Nachbarschaft ging auf die Reise.

Sie machten sich fort von Arbeit, Verkehr,
und buchten den Flug in die Ferne.
Wo‘s sonst am Flughafen zügig und leer, 
stand man lang noch in Menschen und Wärme.

Flüge, verschoben, gecancelt und voll -
kein Fortkommen mehr, 
kein Entkommen.
Eigentlich läge man lang schon am Meer.
Man hatte sich viel vorgenommen.

Als sie längst fort, zog der Sturm heran,
kam mit Gewitter und Regen gezogen.
Der Garten verwüstet, der Wind hat’s getan,
er hat die Bäume verbogen.

Er kippte sie um, brach die Stämme entzwei,
nun liegen sie auf dem Rasen.
Sie ahnen noch nichts von der Schweinerei,
die Nachbarn, vom Glück verlassen. 

Wenn vorbei das Wimmeln an Strand und Meer,
und sie froh in der Heimat gelandet,
ist Erholung vorbei, das Konto leer,
das südliche Flair abgehandelt. 

Der Sand des Strandes steckt noch in den Schuh’n,
auf der Wiese tönt Motor und Säge;
Aufräumen ist ein nötiges Tun,
bringt dem Urlaub eigene Wege. 

Gott der Dichter

Frederick Leighton (1830-1896) – Musik
Die Poesie ist wie die Liebe,
sie kommt und geht nach einer Zeit.
Den tiefen Wunsch, dass sie doch bliebe,
hat sich das Schicksal einverleibt. 

Die Verse sprühen und die Worte;
im Zauber fügt sich Reim an Reim,
erreichen des Vergessens Pforte
und gehn in die Geschichte ein. 

Ein frommer Spruch auf Dichters Füßen,
ein edles Wort aus Herzens Grund,
lässt die Gedankenkraft genießen,
färbt ein das Grau so mancher Stund‘. 

Verdichtet sind wohl tausend Worte,
mein Gott, das Dankgebet sei Dir!
Gedichte blüh‘n an lichten Orten,
den Gleichklang suchend, neben mir. 

Wie ein Gedicht schuf Gott die Welt,
band ein, den Reimen gleich, den Klang,
der so verdichtet steigt und fällt,
einträchtig in des Rhythmus Gang. 

Die Menschen suchen ziellos leidend,
wie Worte, die im Reim sich binden.
Ein Jeder will zu den gehören, 
die sich im Einklang wiederfinden.

Hochschule für Musik

Schloss „Belvedere“, Weimar – Bild von lapping auf Pixabay
Der „Schwanenteich“ am Schloss „Belvedere“,
inmitten des Blicks auf ein Seerosenmeer,
zwischen Musik von Franz Liszt und feinen Gesängen,
tönt ein Konzert der Vögel in zarten Klängen,
die zu den oberen offenen Fenstern schallen -
hier musizieren Begnadete in den Hallen -
bringen aufs Papier faszinierende Töne,
nehmen des Vogelgesangs Harmonie und Schöne,
formen die Notenvielfalt zum bunten Strauß,
machen Grüße zur Freude der Menschheit daraus. 
Quelle: Wikimedia

Hilfloses Altern

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Die Tür‘ fällt leis‘ ins Schloss!
Du musst verlassen deines Wirkens Stätte.
So, wie ein langer Regen sich ergoss
und dann versickert tief im Erdenbette,
so flossen deine Tage voller Schaffen,
doch langsam wich die Kraft aus deinen Zellen,
vorbei der Ansporn, das Zusammenraffen,
der Zahn der Zeit, er nagt an allen Stellen.
 
Ein letzter Blick fällt auf das Altvertraute,
ein tiefer Seufzer den Erinnerungen.
Der mit Elan einst Zukunftsschlösser baute,
ist ohne Ziele, hoffnungslos durchdrungen.
 
Die Wehmut lenkt die Schwere deiner Schritte,
nichts hält dich, niemand der dein Dasein wandelt;
was du einst liebtest und dich hielt in deiner Mitte,
ist doch längst fort, vorbei und abgehandelt.
 
Hältst Zwiegespräche mit den Unsichtbaren,
die schon vor langer Zeit die Welt verließen.
Hilflosigkeit wächst mit den täglichen Gefahren
und tückisch scheint der Weg unter den Füßen.
 
So gehst du hin in eine Heimstatt, die man wählte,
und überschaubar werden deine letzten Jahre.
Am Ort, wo die Vergessenheits-Gequälten
vergessen werden, steht bereits die Bahre.
 
Wenn Menschenhände dich längst losgelassen,
du mit Erinnerungen nur im Damals lebst,
bleibt dir nur Gott – er wird dich nicht verlassen,
wenn du auf deine letzte Reise gehst.

Raum der Stille

Ich rufe euren Namen… LAUT!

Ihr hört mich nicht – seid fort, so weit.
Kein Wort dringt in die Einsamkeit hinein.
In meinem Raum der Stille steht die Zeit!
Nur Eines drängt sich in mein Herz, das Wort: ALLEIN.
Wo sonst ein Weitergehen, steht ein Nichts im Raum.
Es treibt ein Vakuum mir in die Sinne ein
und legt sich dunkel mir in jeden Traum.

Die Ströme der Gedanken stehen still,
um mich die laute Flut des welken Tags.
Wo monoton die Zeit nur stehen will,
das Müssen endlos an der Seele nagt,
dringt Schwere in die Langsamkeit der Zeit,
wird jeder Augenblick zur Fantasie,
bereitet ihm den Hauch von Ewigkeit;
der Tag scheint endlos – irgendwie.

Wortverloren

Carl Spitzweg (1808-1885) – Der arme Poet
Es sprach ein schöner Satz in mir, 
nun ist er fort – ich will ihn wieder.
Wollt‘ vom Gedanken auf’s Papier,
doch ich schrieb ihn nicht nieder.

Nun ist er weg aus meinem Kopf,
gänzlich, wie weggeblasen,
ich grüble hier, rauf mir den Schopf –
ich hab ihn gehen lassen. 

Er rüttelte in meinem Hirn
und wollt um Achtung bitten,
da kam des Schlummers kurze Rast,
dann ist er mir entglitten. 

Nun denke ich den lieben Tag
an die vergess’nen Worte,
und weil ich kein Erinnern hab,
schloss sich des Denkens Pforte. 

Mein Satz ist fort, kehrt nicht zurück -
er wird es mir verzeihen,
bleibt er ein längst vergessenes Stück
des Aneinanderreihens.