Liebesqual

Faust, Mephisto und Gretchen im Spiegel

Sie streicht mit sanfter Feder
über deine Haut.

Ein zartes Spiel,
noch lächelst du,
dem Streichelnden vertraut.

Doch jedes lose Gleiten
wird schnell zur Folter dir,
und du erstarrst
beizeiten.

Gefährlich ihre Kür.
Gefühlskalt geht sie mit dir
ganz grausam ins Gericht.

Sie lächelt noch,
mit Grausen erkennst du
ihr Gesicht.

Sie lacht das gleiche Lachen,
aus dem die Lust entsprang,

geöffnet war ihr Rachen,
mit dem sie dich verschlang.

Nun liegst du ihr im Magen,
du wälzt dich in der Qual.

Trotzdem würdest du sagen:
„Dasselbe noch einmal“.

So lass mich

Marie Euphrosyne Spartali Stillman (1844-1927)

Ach, könnt‘ ich doch schlafend
unter dem Rasen ruhen,
von Sonne beschienen und Regen gestreichelt,
von erdigen, feuchten Schollen umschmeichelt,
könnte nichts Falsches ich tun!

Wollte dich immerzu küssen.
Dich berühren müssen war wie ein Trieb,
der niemals endend dir Liebe beschrieb,
und mein Sehnen nach deinen Augen,
die so tief sind wie Seen…
du warst all‘ mein Glück, doch Gedanken vergehen.

Ach, könnt‘ ich doch schlafend
im All-Eins vergessen,
was ich an dir besessen
und doch nichts – nur ersehnt!
Die Jahre werden schleichen über den Rasen,
den keine Blüte je ziert,
und das Land über mir, das erfriert.
Dann kann ich nichts Falsches mehr tun…
so lass mich doch ruhen!

Frei sein von dir

Carl Vilhelm Holsøe (1863-1935) Junge Frau auf dem Balkon

Das Große in dir lieb’ ich,
das du stets verneintest,
schautest dich an,
vor einem blinden Spiegel.
Schaff dir ein klares Bild,
dann blick hinein, erkenne!
Schau deiner Seele hellen Glanz,
sie schimmert sanft und warm.
Sie wärmte mich.
Wie ich sie liebte!

Sie hüllt mich nicht mehr ein
und deine Worte
flohen schwer.
Zurück blieb NICHTS,
das Wort „warum“ und Traurigkeit.
Es gibt kein Mit-dir
und kein Ohne-dich!

Ich treibe fort,
in bitter-blut’gen Tränen,
gelöst von aller Träumerei;
zum Sterben müd’,
geh ich den Weg allein.

Wo tausend Menschen
meine Andacht stören,
ist kein Friede.

Du hast ihn fortgenommen,
vor der Zeit und allem Sinn.
Mein Herz verbrennt
im wehmutsheißen Regen.
Nichts stillt die Glut,
dein Bild wird nie vergehen.

Meins starb in dir.

Gewissheit

Es wird noch lang so bleiben,
und ich fürchte mich:
Nur eisiges Schweigen
zwischen den Wänden –
und ich!

Da ist kein ‚Wir’,
das sich im ‚Uns’
verschließt – kein ‚Du’.
Kein Vogel singt
ein Lied für
‚unsren’ Tag!

Mit Sonnenhänden
hast du mich berührt,
und Hoffnung in den
Garten meiner Seligkeit
gepflanzt.

Doch ewig bist du fern,
und wo die andern Pärchen
liebend beieinander sitzen,
da ist kein Platz für uns.

Du sitzt mit andern –
nicht mit mir!

Dort, wo die Hoffnung
in mir wuchs,
blüht einzig wehes Bangen,
denn deine Sonnenhand,
sie brannte mir
Entsagen in das Herz.

Die Tage ohne dich
sind dunkel mir und kalt,
und alle Wege, die ich jemals
ging mit dir,
sie liegen traurig, tot im
Schatten unsrer Liebe.

Bitte, komm bald!

(2007)

Balsam des Vergessens

Caspar David Friedrich (1774–1840)

Bald* bist Du gänzlich fort aus meinem Leben!
Du gehst nicht ganz – ein kleiner Teil bleibt hier,
den senke ich mit liebevollem Weben
in die verborgne Kammer meines Herzens mir.

Nicht losgelöst sind alle Erdenstricke,
noch hält mich die Erinnerung gebannt,
doch bald pflegt Schwester Zeit mit leisem Schritte,
mir mein gebrochnes Herz mit sanfter Hand.

Sie wird den Balsam des Vergessens auferlegen,
der wie der Nachtwind sich in Seelen senkt.
Sie wird die Wunden heilen, die noch quälen
und tröstend Sehnsucht stillen, wenn der Tag beginnt.

Die Einsamkeit wird sich in Stille wandeln,
mein Herz wird heilen, irgendwann und -wie.
Nur manchmal senkt mir dein verklärtes Handeln
„Verbundenheit“ in meine Phantasie.

In diesem Dunstbild sehe ich dich wieder,
du hüllst mich ein, in weißes Traumgespinst.
Dein Geist singt mir am Tage Trauerlieder,
zeigt mir, dass Traumesbilder nicht das Leben sind.

*Das Gedicht entstand im Jahr 2008

Abstand

Johann Heinrich Vogeler 1872-1942

Wie ein Dolchstoß traf mich dieses Wort,
wie ein Pfeil durchdrang er Mark und Bein.
Aus, vorbei! – Ein kurzer Schlussakkord,
klang mir warnend tief ins Herz hinein.

Wo vor nicht allzu langer Zeit
Nähe und Verbundenheit bestand,
löst nun dieses messerscharfe Wort
für ewig unser ‚untrennbares‘ Band.

Nichts blieb mir, nur Leere, Illusion.
Abstand halten, wird zur Zukunftspflicht.
Trifft mich doch dein harter Liebeslohn
wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht.

Deiner Liebe hab‘ ich blind vertraut,
doch sie war ein langes Trauerspiel.
Wo normal sie Zukunftsschlösser baut,
hattest du nicht einen Stein, – kein Ziel.

Alles nahmst du mir, nichts bleibt zurück.
Scherben kann man kleben, Herzen nie!
Kreuzt sich dennoch unser Weg ein Stück,
werd‘ ich Abstand halten…irgendwie.

Still sein soll mein Herz

Ludwig von Hofmann (1861-1945) – Gretchen im Kerker

Still sein soll mein Herz –
kann im tiefen Schmerz
keine schwere Last mehr tragen,
will verzagen an der Welt,
an den vielen bangen Fragen,
die uns unsre Liebe stellt.

Oft trifft die Erkenntnis bitter
in den weichen Seelenkern,
und der letzte Hoffnungsstern
glänzt mir trübe durch die Gitter.
„Einzelhaft – ein Leben lang!“,
hör ich meine Seele klagen.

Werde niemals mehr befreit.
Will und kann es nicht ertragen!
Wenn der Kerkertüre Schluss,
sich vollzieht durch deine Hände,
fällt des Schattenbildes Guss
hier an die Gefängniswände,

und dein Bildnis schwebt im Raum,
um schnell wieder zu verblassen.
„Irgendwann muss ich dich lassen!“,
flüstert es mir leis‘ im Traum.
Kann das Schicksal nicht verstehen –
es erscheint mir wie ein Hohn!

Bleibt mein Wunschbild – Illusion?
Und beim traurigen Erwachen,
höre ich das Schicksal lachen:
Es trägt Deiner Stimme Ton!

Seelenflüge

Louise Janmot (1814-1892)

Die Seele öffnet ihre Flügel, wenn sie liebt.
Hebt alle Erdenanker, treibt im Meer des Sehnens,
und so, wie Sommerwolken über Wellen schweben,
treibt sie bis an die fernsten Weltenenden
im Strom der Leichtigkeit dem Liebenden entgegen.

Der Ruf der Seele sucht das Ohr des andern,
der einsam und allein am fernen Ufer stehend wartet
und voller Angst den Weg zurück nicht findet.
Dazwischen sucht die Woge des Vergessens
im Strom verflossener Zeit Vergangenes zu lösen.

Die Seelenflügel sind im Liebesfluge weit gebreitet.
Sie suchen Herzensbrücken über Abgrundtiefen
auf neuem Grund zu bauen, in Liebe fest verankert,
den bodenlosen Strudel fliehend.
Nur, wenn man liebt, dann hat die Seele Flügel.

Untragbar

Dein Blick war mir das hellste
Licht auf dieser Welt,
du nahmst es fort,
ich trieb allein im dunklen Raum,
und meine Liebe zu dir,
die mich unlösbar in Fessel stellte,
war stark, wollt‘ Früchte tragen
wie ein Baum.

Doch du beschneidest ihn,
lässt ihn nicht blühen.
Er fragt das Jahr: „Wann wird es Frühling sein?“
Die trüben Himmel sind stets über ihm,
es bleibt die Kälte, und er steht allein.

Auch, als ich meine Hände nach dir streckte,
so wie der Baum zum Himmel sein Geäst,
so bleibst du fern, bist unerreichbar fort,
bist wie ein Schatten, der kein Leuchten lässt.

Nicht lange hielt das Liebesband
uns sanft umschlungen,
unlösbar schien es – trennend war die Zeit.

Ich lebte zwischen Sehnsuchtsleid
im Taumel, hoffend, wartend,
und täglich sind es die Erinnerungen
an jene Stunden,
als wir weltvergessen, voller Liebe,
einander in die Herzen lauschten
und Liebe dort,
so wie ein sanftes, frisches Windesrauschen,
ein Frühlingsweben in die Seelen schrieb:
Ich hab dich lieb!

Der Geist dieses Ortes

Genius loci in Weimar

aus Werthers Leiden von Johann Wolfgang von Goethe,
Zeichnung von Friedrich Bold

Es gibt einen Ort dessen Schwingung
erstrahlt mir so rein wie Kristall.
In seinen Facetten, da spiegelt
sich dein Geist noch ein letztes Mal.

Spür’ noch deinen Arm, deine Blicke,
die heller erstrahlten als Licht.
Warst mir der Schönste zum Glücke,
erhaben, dein Geist, dein Gesicht.

Als leise im Frühlingserwachen
dein Mund mich zärtlich berührt,
da hab ich auf heißen Wangen
den Hauch deiner Liebe gespürt.

In unseren Herzen lag Frieden,
Glückseligkeit gab uns Geleit,
doch blühten die Herbstzeitlosen
uns lange schon vor der Zeit.

Das Schicksal, es streute uns Rosen,
doch der Geist unsrer Liebe trieb fort.
Vorbei ist das Streicheln und Kosen,
die Blüten, zertreten, verdorrt.

Das Leben hat alles genommen;
dein Geist ist so fern mir, so weit.
Nun ist der Winter gekommen –
du hast dich von mir befreit!