Lügenwelt

Märchen von Hans Christian Andersen – Des Kaisers neue Kleider
Es lügen Große mit den Kleinen
und lassen sich für Geld verbiegen,
um Macht zu halten, zu vermeiden,
dass manche Menschen besser lügen.

Sie fälschen, schleimen oder wüten,
wo‘s doch banal und unbegründet,
und zeigen ihrer Unschuld Güte,
obwohl ihr Heil’genschein verschwindet.

Noch leben sie auf großem Fuße,
schleichen mit finsterem Gesicht.
Ihr Größenwahn wird längst zum Fluche,
doch die Fassade bröckelt nicht.

In ‚Kaisers neuen Kleidern‘ stehend,
leugnet man seinen Niedergang,
damit manch Dummer, Gelder gebend,
noch schmeichelnd ‚Jacke ziehen‘ kann.

Des Lügners Nacktheit sieht ein Jeder,
die ganze Welt schaut auf sein Toben.
Lügt er nun weiter oder geht er?
Brillen dem Volk und Hirn von oben!

Zeitzeichen

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Die Zeit ist fremd und kalt voran geschritten,
und meine Erdenzeit,
genährt von Himmelsfrieden,
bald entglitten.

Ich will nicht mehr in dieses Schema passen,
und poesielos letzte Federn lassen.

Will nicht die Menschen sehn im trüben Licht,
das mir verklärt die warme Himmelssicht.

Die Luft der Erde, die beim Atmen schwer
in meinen Lungen liegt – ich mags nicht mehr.

Fühl Gott in meinen Adern fließen,
trägt die Lebendigkeit,
die alle Mordenden mit Füßen stießen.

Fühl kalt die vielen Lügen um mich her,
Blicke, die sich an Leid erfreuen…
ich will’s nicht mehr.

Wohlstand und Freiheit –
wie kostbar ist dies Los!
Dennoch sind Münder,
die bösen Hass verstreuen, groß.

Ich kann nicht länger zusehen, wie sie streiten,
anstatt die Hand des Nächsten zu ergreifen,
mit ihm im Füreinander beten.
Wenn sie’s doch täten!

Gut und Böse

Das Gedicht der Seele; Der böse Weg. Gemälde von Anne Francois Louis Janmot (1814-1892)

Wir binden uns an Menschen,
die wir still verehren,
vertrauen blind den Worten,
die sie uns bescheren.

Und keine Schatten,
die Vertrauen töten,
nehmen wir wahr
und Vorsicht wird vonnöten.

Manipuliert,
von Falschen oft bekehrt,
folgen wir dem,
was keinen Glauben wert.

Den Wolf im Schafspelz
gilt es aufzufinden;
nur schnelle Umkehr führt
uns dann zu sich’ren Gründen.

Enttäuscht und traurig
wird uns manchmal klar,
dass das vermeintlich Gute
doch das Böse war.

Das Licht, das hell sich dünkt

Paul Lacroix- Papst Clemens V. auf dem Konzil von Vienne

Das Licht, das hell sich dünkt
und – ohne es zu sein –
des Lichtes Maske nimmt
und borgt sich seinen Schein
und prunkt damit:

Das ist der Herr der Welt,
der Hochmut, der euch reizt
zu tun, was ihm gefällt,
und der mit Lob nicht geizt
und nicht mit Schmeichelworten.

Streckt gierig ihr die Hand
nach eitler Macht nur aus,
um es ihm gleich zu tun,
dann baut ihr nur sein Haus
und könnt darin nicht ruhn.

Der hetzt euch ohne Ruh,
und ihr tragt ihm herzu
der falschen Werte Flittergold,
und wie ihr Lügen sucht,
ist euer Sold
die Lüge nur!
Die lebt so lang davon, dass sie zerstört,
bis sie mit dem Zerstörten untergeht.

Die Wahrheit aber schreitet durch die Lande,
sie ist so schön, dass sie des Schmuckes nicht bedarf
und nicht des Faltenwurfs im Lichtgewande.
Nicht Lob, nicht Tadel spendet sie.
Sie schweigt.

Doch wenn ihr Blick dich trifft,
dann sinkst du in die Knie…
und ohne Worte wird dir Wissen kund,
wenn stumm dich grüßt ihr ernster Mund.

<Ephides>