Zeit der Raben

Quelle: Pinterest

September geht. – Hör schon die Raben!
Seh, wie sie kreisen und nach Futter darben.

Mit Schläue überschweben sie die Menge
an toten Steinen, über Stadtgedränge;

sie streifen grünlich breitende Kulturen,
wie Rasen und die letzten Sommerspuren.

Sie krächzen über nebelhaftem Schleier,
der tausend Tode deckt, in alter Leier.

Des Jahres würdevoller Atemhauch,
vernehmbar,
Blatt für Blatt an Baum und Strauch.

Herbstzeit

Die müden Blätter fallen von den Zweigen
und auf den Straßen liegt das nasse Laub;
schwer, wie die Äste sich im Wind verneigen,
und Regen mischt sich mit dem Straßenstaub.
 
Von Ferne naht die Nacht mit dunklen Schatten,
und um die Häuserecke pfeift der Wind.
Ein braunes Blatt tanzt auf den Gehwegplatten;
die feuchte Luft macht Fensterscheiben blind.
 
Spinnweben schmücken sich, wenn Tropfen fallen –
der Regen zieht schon über Stadt und Land.
Mit vollen Zweigen die Kastanien prahlen,
stehn majestätisch dort am Straßenrand.
 
Hör’ fern vom Kirchturm her der Abendglocke Ton.
Ihr Klang ist anders, als an Sommertagen.
Die graue Stille ist des Herbstes Handwerkslohn –
bald kommt die Kälte, will das Läuten sagen.
 
Und oft in dieser finstren Totensonntags-Zeit,
lässt sich ein Lichtstrahl durch die kahlen Äste gleiten.
So wirst du Mensch – traf dich auch wehes Leid –
zu neuer Hoffnung über Gräber schreiten!
 

Eintauchen

Eintauchen in die unfassbare Stille,
die Tiefe ahnen und den dunklen Grund,
er lebt, und das in einer Fülle,
die uns den Atem raubt, so schön und bunt.

Da schweben tausend glitzernde Gestalten,
die Wasser atmend ihre Kreise ziehn;
in lebensfroher Einheit sich verwalten
und nie, dem nebenan, im Wege stehn.

Sie treiben, wie mit Leuchtreklame,
Kleine und Große, die sich Nahrung geben.
Ein Fressen und Gefressenwerden -
geben und nehmen, um zu überleben.

Unzählig leuchtend bunte Farben,
graziös und unbeschreiblich schön;
berauschend, wie sie sich umwarben,
um arterhaltend niemals zu vergehen.

Uraltes Meer, trägst Wurzeln dieser Erde,
dein Leben trug die Sonne an das Land,
aus deinem ewigen „Es werde!“,
das alles Leben weckend in sich fand.

Strand Einsamkeit

Bild von Steve Bidmead auf Pixabay
Es dünnt sich merklich der Kalender,
der letzte warme Monat flieht mit Kühle,
bringt Frische in die luftigen Gewänder,
der Regen zaubert leere Liegestühle.

Das Meer liegt grau; der Strand, leer, wie gefegt,
wo Korb an Korb in Richtung Wasser stand.
Die Promenade, einzeln, nur mit Schirm belebt –
im Regen holt sich niemand Sonnenbrand.

Die Wolken ziehen schnell, wie die Gezeiten.
Die Möwen kreisen über leeren Tischen,
wo kreischend sie um karge Nahrung streiten
und mit viel Glück ein wenig noch erwischen.

Fischbuden schließen – leer sind die Gestade,
der Strand noch voll von Hinterlassenschaften,
der Vielen, die die liebenswerte Lage
des Orts bereichert und vermüllt zurückgelassen.

Die Schönheit in der Einsamkeit des Strandes
zu sehen – Bilder in sich festzuhalten,
die Elemente strömenden Verbandes,
vertraut, weit fort von menschlichen Gestalten.

Wo Wellen gleiten schon seit Ewigkeiten,
kommen und gehen, ohne stillzustehen;
so ziehn auch wir durch dunkle, kalte Zeiten,
um Licht und Wärme besser zu verstehen.

Vergänglichkeit

Spätsommer – Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)

Der Sommer schreitet still, mit langen Schatten,
sein goldener Glanz, verregnet und verhangen;
wo ihn die letzte Hitze kühlte, hat Herbst angefangen,
und Blattwerk liegt auf Straßen und Rabatten,
die eingegrenzt in Parks von Wegen trennen,
bepflanzt in bunte Sommerblumenfarben,
doch nun erblasst und müde in der Wärme starben
und die Vergänglichkeit beim Namen nennen.

Lindenblüten

Postkartenmotiv: Maler Paul Hey (1867-1952)

Sieh, die Linden in der Sommernacht,
deren grüne Kronen über Wege reichen,
wie im Lüftespiel die Blätter gleichen,
wenn sie rauschen, wild und sacht.

Lauscht dem Vogel in der Stille, träume,
heb dich fort im Fluge deines Denkens,
such den Schutz im Schatten grüner Bäume,
ihre Art des milden Kühle Spendens.

Blühe, wie die Blüten einer Linde,
webe einen Blütenteppich in Gedanken.
Kränze deines Lebensbaumes binde,
lasse Blütensterne um dich ranken.

Gebe jenen, die vorübergehen, einen Strauß,
schenke, was dich selber glücklich macht.
Breite deinen Blütenteppich aus,
sei wie Linden in der Sommernacht.

Fluidum

Bild von Mier Chen auf Pixabay
Das Meer, es fließt, als gäb es keine Grenzen;
mit weißer Krone steigt es, sinkt herab,
es schwingt und schäumt durch irdische Frequenzen,
in ewiger Routine zieht’s hinab.

In grauem Blau und gleißend lichtem Funkeln
gleitet’s dahin am Erdenstrand der Zeit,
bis es von Sturm gepeitscht, sich bäumt und dunkel
als Fluidum das feste Land durchstreift.

In unbegrenzten Tiefen seiner Wonnen,
mit Kraft des Schöpfers, die in Allem ist,
wird es gespeist durch Mond und Sonne,
bis das, was anfangs war, am Ende IST.

Des Sommers Härte

Bild von Tom auf Pixabay
Frühe ist noch in grau getaucht,
der Sonnenschein verhüllt;
die Nacht ist fort, kein Himmel blaut,
gar wolkig ist sein Bild.

Die Amsel schweigt, ihr Platz ist leer,
kein Vogel balzt am Morgen;
die Luft voll Wärme, atmet schwer,
der Wind hält sich verborgen.

Das Hoch des Sommers Härte naht,
schleicht langsam in die Räume;
mit Sonnenglut auf großer Fahrt
brennt es das Laub der Bäume.

Dann stöhnt der Mensch im Hitzebrand,
das Harz der Kiefer duftet,
wenn sie im Garten, ab und an,
die alten Nadeln lüftet.

Es werden Wolkenflöckchen ziehen,
in rosaroten Farben,
am Himmel werden Rosen blühn,
des Großen Geistes Gaben.

Die Spinne

Bild von Sven Lachmann auf Pixabay

Als ich Kind war, liebte ich den Garten,
spielte stets im Hof und bei den Bäumen,
war erfüllt von kleinen Mädchenträumen,
konnte kaum mein Reich des Glücks erwarten.

Lehnte oft am Anbau alter Mauern,
die den Hühnerstall zum Hof begrenzten,
schaute, was die Rosen, rot, bekränzten,
sah sie meine Kindheit überdauern.

Spielte mit den Spinnen an den Netzen,
die mit Kreuzen auf dem Rücken hingen;
pflückte sie und forschte, wie mit Dingen,
es fiel schwer, sie dann zurückzusetzen.

Einmal fühlte ich zwei Augen schauen,
als ich an der groben Stalltür stand,
Blicke fühlend, habe ich mich umgewandt.
Was ich sah, erfüllte mich mit Grauen.

An der weiß getünchten Mauer hing‘s,
ganz bedrohlich über meinem Kopfe,
sah wie‘s Herz der Spinne pochte,
merkte, wie ihr schmaler Atem ging.

„Heute kommst du noch davon!“,
fühlte ich gedanklich, lief und weinte.
Sie war schwarz und hatte lange Beine,
groß und haarig…war wie ein Spion.

Nie mehr wieder sammelte ich Spinnen,
unsichtbar befohlen, waren sie tabu
und es war, als schaute ‚sie‘ mir zu,
als wenn ihre Blicke nie vergingen.

Der Frühling ging

Marie-François Firmin-Girard (1838-1921)

Vergangen mit ihm ist das Neue,
das aus den alten Zweigen trieb.
Die Winde trugen in die Bläue,
den Hauch, der uns an Blumen lieb.

Noch sind die Rosen nicht verblüht;
uns streut die Blumenkönigin
ein schweres Duften ins Gemüt,
belebt, wie Balsam, Geist und Sinn.

Es flutet Mauern und Spaliere
der Hauch von Zartheit wie ein Beben,
Tristes wich einer Blütenzierde.
Im alten Rosenstock ist Leben!

Unter dem Blattwerk, klein und fest,
die neuen Knospen, wie ein Meer,
umstellt von stachligem Geäst
zum Schutze, wie ein Dornenheer.

Der Traum von Blüte geht dahin,
noch lockt ihr freundliches Gesicht.
Bald reift der Weizen – Herbstbeginn,
das Nahen des Winters ist in Sicht.