Mein Bruder

Foto: privat ca. 1968
Du warst für ihn,
was ich nie werden sollte:
Sein Papa Kind.
Er blickte stolz auf dich.

Abneigung war es,
die stets in ihm grollte;
kein Fünkchen Liebe
hatte er für mich.

Wir wurden groß
im Chaos der Gefühle,
das lenkte uns
auf unbestimmte Bahn.

Wie ich noch heut
den Druck des Müssens fühle,
der mir durch Enge
meinen Atem nahm!

Du schafftest deine Lehrzeit,
was ihn freute;
ich meine nicht,
sie gab mir keinen Sinn.

Dann nahmst du Drogen,
was dich später reute,
„Good bye!“ – Abschied und aus -
der dunklen Zeit Beginn.

Verschwunden sind sie,
die vertrauten Stimmen,
der Oma, Mutter, Vater,
du, sein Kind.

In Tübingen, da lebst du -
letztes Glimmen,
vom denen, die nicht mehr
am Leben sind.

Wie gerne wärst du
damals deinem Sehnen
nach Wiedersehn gefolgt,
ein einziges Mal.

Die Drogen luden dir
den Fron mit harten Szenen,
auf Geist und Körper,
viele an der Zahl.

Bist innerlich nur noch
von Angst zerrissen;
bist nicht mehr der,
der du gewesen bist.

Mir bleibt im Hoffen
ein geheimes Wissen,
dass unser Wiedersehen
im neuen Frühling ist.

Nur eine Spur

Bild von beasternchen auf Pixabay
Nur eine Spur, die aussagt: Ich war hier!

Ein paar Gedanken zur Erinnerung auf Papier –

nur eine Schwingung, wie das Pendeln einer Uhr,

im Lauf der Zeiger stets dieselbe Spur.

Der Augenblick – vielleicht nur ein Gedicht.

Das war’s alsdann – ich lösch mein kleines Licht,

schließ meine Seele zu, und meine innere Welt

ist eine Weile nur auf Stille eingestellt.

Hier ist es ruhig geworden.

Ich ziehe mich zurück und werde eine kleine Pause machen.
Genießt das schöne Wetter und bleibt gesund.

Bis bald!

Stille des Himmels

Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)
Motorengeräusche und Lärm auf den Straßen
durchdringen doppelte Fensterscheiben;
nie gewöhnt an die Laute - nach außen, gelassen,
Beschaulichkeit muss auf der Strecke bleiben.

Man schiebt Jalousien als Sonnenblende,
vor den Lauten des Alltags schirmt man sich ab;
hinzu eine Prise TV-Elemente
mit lauter Beschallung - der Muße Grab.

Momente der Ruhe – zu Kränzen binden,
in Träumen nur wandeln durch Wiesen und Wald;
abgeschieden vom Leben Genüge finden,
wo die Stille des Himmels widerhallt.

Mit letzter Kraft

Quelle: Pinterest
Gang runter und mit letzter Kraft
den Berg erklimmen, der in Sicht.
Die Sonne sinkt. Bald wird es Nacht.
Sie taucht die Welt in rötlich Licht.

Bald ruht das Schweigen auf dem Hügel,
der mich umschließt in dunkler Welt.
Der Seele wachsen Himmelsflügel,
die Silberschnur, sie reißt – nichts fehlt.

Die Zeit hat sich ins Nichts verkrochen,
der Geist, die Energie, sie schweigt;
Gedanken reisen durch Epochen,
ätherisch sich das Dasein zeigt.

Ich bin zurück! Im Geist verbunden -
kein Wort beschreibt das ew’ge Licht;
der Sprache Klang, er ist verschwunden,
weil‘s einfach unbeschreiblich ist.

Des Lebens Kür

Ostern 1957 – Foto: Almuth Köhler

Ich mag in der Vergangenheit wühlen,
der alten Bilderkiste;
je mehr ich die Kindheit von damals fühle,
reis ich auf holpriger Piste.

Nichts ist mehr so, wie es einmal war,
die Gesichter der Kindheit sind fort.
Ich bilde mir ein, alle wären noch da
und sehe mein Leben dort.

Es gibt so vieles, das sie mich gelehrt,
viel Bitteres trenn ich vom Guten;
bin wieder Kind, denke: Ist es verkehrt,
Stunden von damals zu suchen?

Die Suche nach Gott ist des Schicksals Sinn,
das Leben ist eine Kür;
der Familie dank ich, für das, was ich bin. –
Nur, weil sie gelebt, bin ich hier!

Das Gemeine

Quelle: Pinterest
Es zeigt sich – menschlich seine Form,
gibt vielen ein Gesicht,
nur Macht und Gier sind dessen Norm,
Zerstörung das Gericht.

So schändet es die ganze Welt
und spricht mit lauten Tönen,
bringt ihr die Flötentöne bei,
liebt nur die Reichen, Schönen.

Prunkvoll geschmückt sein weißes Haus,
die andern reißt es nieder,
es lebt im lauten Saus und Braus,
Rad schlagend das Gefieder.

Stolziert wie mancher Pfau daher,
mit stolzer Drohgebärde,
der Kopf, zu klein für Empathie –
ein ‚schwarzes Schaf‘ der Herde.

Vertreibung ist sein Steckenpferd,
die Säuberung in Planung.
Besitzen ohne Gegenwehr,
sein Reden ist stets Warnung.

Gemeinheit ist ein dunkler Fleck
in menschlichem Ersinnen,
man reibt und reibt, er geht nicht weg,
denn er sitzt ganz tief innen.

Aus „Wallensteins Tod“ von Friedrich von Schiller:

Nicht was lebendig, kraftvoll sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare.
Das ganz Gemeine ist’s, das ewig Gestrige, was immer war und immer wiederkehrt, und morgen gilt, weil’s heute hat gegolten!
Denn aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, und die Gewohnheit nennt er seine Amme.
Nur zwischen Glauben und Vertrauen ist Friede!

Dichteraugen

Foto: Pinterest
Strahlt die Sonne heute golden
oder ist sie stark verhangen?
Alles glüht in Dichteraugen
leuchtender, in Lieb und Bangen.

Größer ist das Hoffen, Warten
und die Sehnsucht nach dem Einen;
strahlender die Rosenkelche,
wenn sie blütenschwer erscheinen.

Hässlichkeiten scheinen größer
auf des Lebens Schattenseiten.
Üppig wie Getreidehalme
wird die Hoffnung Pläne breiten.

Doch ein Sensenhieb des Schicksals
trennt sie ab im Handumdrehen,
und der Schnitter ist gekommen,
um sie alle abzumähen.

Der Enttäuschung kalte Winde
wehen über Stoppelfelder;
trostlos ist des Menschen Sicht,
denn sie ernten nur sich selber.

Schriller dringt des Missklangs Plage
in des Dichters Ohr mit Schmerzen,
greller zünden sie, zerspringen,
brennen Wunden tief im Herzen.

Tiefer gehn die Seelenwunden,
wenn sie gleichgültig getrieben,
wenn sie um sich selbst nur kreisen,
die, die wir am meisten lieben.

Manche leiden schwer am Leben -
Dichterseelen an sich selber;
fühlen kalte Winde gehen
über viele Stoppelfelder.

Ein schöner Tag

Fototapete
Strahlend blauer Himmel wie ein Meer,
so unergründbar tief und grenzenlos.
Ein Nebelhauch am Horizont, nicht mehr,
das Leuchten wolkenlos, so klar und groß.

Als wenn der Frühling immer ist und hell,
die Blütenpracht, der Vogel auf dem Dach -
er singt so voller Leidenschaft. Ein Quell,
wohl inspiriert von Lust und Lebenskraft.

Die Energien schwirren durch den Raum
und treiben Müdigkeit ins Morgenlicht,
dort schwinden Traurigkeit und Traum,
wenn warmes Strahlen durch die Scheiben bricht.

Sommerzeit

Nur eine Stunde trennt uns vom Realen -
was Menschen tun, ist für die Konjunktur.
Der Aufschwung drückt sich aus in Zahlen,
das treibt uns auf die festgesetzte Spur.

Wir schalten um im Kopf, sind uns bewusst:
Es ist doch nur die Winterzeit zu Ende.
Stehn eine Stunde früher auf, mit Frust
und legen Zeit aufs Konto Sommerwende.

Die Uhren stellt man eine Stunde weiter.
Wer sagt den Tieren was von neuer Zeit?
Die Katzen schlafen noch. Das wird ja heiter!
Ist Zeitumstellung eine Kleinigkeit?

Fernes Leuchten

Oft kreisen die Gedanken wie Planeten, 
um einen Mittelpunkt, der strahlt im Licht;
manchmal lässt uns der Geist um Wahrheit beten,
denn wir erkennen Gut und Böse nicht.

Der Kosmos ist so groß, der in uns klein,
und jeder Stern ist eine eigne Welt -
vielleicht ist schon sein Licht Vergangenheit,
aus einer Zeit, die lange nicht mehr zählt.

Nachts staunen wir,
wenn uns ein Stern am Himmelszelt
sein fernes Leuchten schenkt,
doch wir vergessen ihn in heller Welt,
wenn unser Kopf an andere Dinge denkt.

Im Frühling werden an den Zweigen Knospen sprießen,
als ob sie neu geboren sind;
unzählig wird sich Blütenpracht ergießen
und kurz gelebt, verwehen mit dem Wind.

Auch diese Zeit verweht.
Ihr folgen, die einst neu geboren,
sie blühen und vergehen;
der Kosmos ist so groß und wir in ihm verloren –
wir können nur den kleinen Teil verstehen,

der sichtbar ist und unseren Blick erhellt,
nicht was im Dunkeln liegt und außer Sicht.
Gerüstet schon, mit Wonne zu erblühen,
ist die Natur im hellen Frühjahrslicht.