Vertraut

Adrian Ludwig Richter (1803-1884)

Wie liegt die Welt so frisch und tauig
vor mir im Morgensonnenschein.
Entzückt vom hohen Hügel schau ich
ins traute grüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich
in schönster Seelenharmonie.
Wir sind verwandt, ich fühl es innig,
und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;
wer voll Vertrau‘n die Welt besieht,
den freut es, wenn ein Regenschauer
mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Wilhelm Busch (1832-1908)

Lebensfeuer

Caspar David Friedrich 1774-1840- Die Lebensstufen

Es löscht der Lebenswind
die Feuer unsrer Herzen;

so wie die Flamme,
die ein kühler Hauch erfasst,
schmilzt unsre Erdenzeit
wie heißes Wachs der Kerzen,

bis auch der letzte Funke
ihrer Glut verblasst.

Wir werden einst
von dieser Welt geschieden;

so wie die Pforte,
die zuletzt ins Türschloss fällt,
sind wir alsdann getrennt
von unsren Lieben,

doch öffnet sich die Weite
einer andren Welt.

Himmlische Berührung

Sulamith Wülfing 1901-1989

Dein Bild berührt mich sanft in Träumereien,
verspür’ die Nähe Deiner sich’ren Führung,
darf mich an der Unendlichkeit der Liebe freuen,
genieße die Sekunden himmlischer Berührung.

In meinen Taggedanken bist Du mein Begleiter,
verbunden stets durch Deiner Worte Kraft,
bist mir im Hintergrund mein stiller Leiter,
der meines Daseins Fülle Sinn verschafft.

So, wie das Liebesglück gepaart mit Tränen,
folgt der Enttäuschung bange Hoffnung dann,
und der Erfüllung folgt alsdann das Sehnen,
so bindet uns ein flüchtig’ Leben ewig lang.

Verfall und Gnade

Caspar David Friedrich (1774-1840)

Ein Ort voller Namen und Jahreszahlen;
ein Ausruhen von Liebe, Leiden und Qualen.
Das Weltgedächtnis im Massengrab
der Körperwelten, all‘ der, die es jemals gab.

Vorbei an den Steinen kalter Gemäuer,
streift des nachts der Mond wie ein Ungeheuer.
Sie scheinen ihr Schweigen im Mondlicht zu brechen,
hört, wie sie wispern, jammern und sprechen.

Gedankengespinste verweben die Orte,
es stocken dort vor Ehrfurcht die Worte.
Man spürt die Vielfalt der Weltenstufen,
die vergessenen Seelen, die ihr Leben suchen.

Jeder Grabstein spricht von geendeter Zeit,
umschwebt von Angst vor Vergänglichkeit,
ist angefüllt mit morbiden Träumen,
letzter Gruß aus verfallenen Friedhofsräumen.

Der Moment versinkt im tiefen Seelenmeer
aus Weltenschmerz, Tempeln und Götterheer.
Kein Wunsch an die Welt – alle hoffen auf Gnade,
denn, die Freiheit, Falsches zu tun, war keine Gabe.

Wege der Wahrheit

Kloster Kamp – Foto: Gisela Seidel

Die Fesseln sprengen,
Vergangenes segnen,
der Freude im Herzen
mit Liebe begegnen.

Das Neue betrachten,
mit Hoffnung und Wonne,
die Seele erleuchten
mit innerer Sonne.

Die Wege der Wahrheit
mit Weisheit erhellen.
Kein leuchtend’ Talent
unter Scheffel stellen.

Die Blindheit mit
göttlicher Weitsicht füllen,
den Höhenweg ebnen,
um Gottes Willen.

Den Glanz aller Tage
zum Blütenkranz binden,
zu reichen der Herrlichkeit
hinter den Sinnen.

Der junge Tag

Narziss, Ölgemälde von Caravaggio, 1571–1610

Es lastet dichtes Dunkel auf den Wegen
der Menschen, die ihr kleines Ich nur sehn.
Sie gleichen den Verirrten, die im Walde
des Nachts allein stets nur im Kreise gehen.

Sie stoßen in der Dunkelheit an Dinge,
die sie nicht sehn, und die sie nicht erkennen
und dennoch gleich mit falschem Namen nennen,
aus Angst, der Dunkelheit ins Aug zu sehn.

Doch wer des Lichtes sich will wert erweisen,
erkenne erst die Dunkelheit um sich
und ende jenes hoffnungslose Kreisen
um einen kleinen Mittelpunkt: sein Ich.

Darum ist’s gut, dass sich die Menschen stoßen,
ein jeder an des andern Fehl und Art,
weil fremde Selbstsucht ihn davor bewahrt,
der eignen Selbstsucht allzulang zu dienen.

Und steht der Mensch erst an der Selbstsucht Schwelle,
des Dunkelns satt und müd vom wirren Lauf,
dann lichtet sich das Dunkel leis zur Helle
des jungen Tags, der siegend steigt herauf.

Und der ihm zeigt der Dinge wahres Wesen!
Jetzt unterscheidet er vom Schein das Sein,
vom Trug die Wahrheit und vermag zu lesen
der Welt verwirrte Schrift. – Denn seit er rein

und wahr ist, kommt die Wahrheit ihm entgegen
und gießt ihr Licht in sein geöffnet Herz
und breitet ihren Mantel aus auf seinen Wegen
und hebt ihn auf und trägt ihn himmelwärts!

<Ephides>

Sinfonie des Lichts

Grafik Karin M.

Längst verhallter Urknall –
aus Trümmern geborene Welt;
geballte Materie in kosmischer Ordnung.
Mensch sein –
schmaler Grat zwischen Urzeit und Wandel,
Brücke zur Neuzeit.
Darwin oder Gott?
Evolution oder Schöpfung?
Zeitreise durch die Irrtümer.
Teil eines harmonischen Ganzen,
universale Unendlichkeit –
seit Anbeginn der Zeit und ewig während.
Geschenk an die Menschheit,
aus Träumen geboren,
schwebend zwischen den Welten.
Spielplatz der Energien,
unendlich tanzend
zur Sinfonie des Lichts.

Leben an Leben

Vladimir Kush (1965-

Das Leben ist wie eine Pflanze,
wurzelnd im Ur-Grund, zum Himmel strebend,
jedes mit einzigartiger Blüte,
im steten Werden, Wachsen und Vergehen.
Immer aufs Neue erdentief versunken,
irgendwann,
vom Licht bestrahlt, neu erwachend,
und vom Schein der Sonne gestärkt,
wachsend und blühend, mit frischen Trieben.
So reiht sich im Lichte GOTTES,
Leben an Leben,
Menschenblüte an Menschenblüte.
Gib dich seiner Flamme und du bist verklärt!

Frei sein von dir

Carl Vilhelm Holsøe (1863-1935) Junge Frau auf dem Balkon

Das Große in dir lieb’ ich,
das du stets verneintest,
schautest dich an,
vor einem blinden Spiegel.
Schaff dir ein klares Bild,
dann blick hinein, erkenne!
Schau deiner Seele hellen Glanz,
sie schimmert sanft und warm.
Sie wärmte mich.
Wie ich sie liebte!

Sie hüllt mich nicht mehr ein
und deine Worte
flohen schwer.
Zurück blieb NICHTS,
das Wort „warum“ und Traurigkeit.
Es gibt kein Mit-dir
und kein Ohne-dich!

Ich treibe fort,
in bitter-blut’gen Tränen,
gelöst von aller Träumerei;
zum Sterben müd’,
geh ich den Weg allein.

Wo tausend Menschen
meine Andacht stören,
ist kein Friede.

Du hast ihn fortgenommen,
vor der Zeit und allem Sinn.
Mein Herz verbrennt
im wehmutsheißen Regen.
Nichts stillt die Glut,
dein Bild wird nie vergehen.

Meins starb in dir.

Gelöste Knoten

Gemäldeausschnitt: Maria Knotenlöserin
Johann Georg Melchior Schmidtner (1625-1705)

Gefühlte Freiheit ist des Menschen Flucht
aus Alltag, Dasein fristend in den Räumen.
Im Außen er nach Licht und Sonne sucht,
sein Geist sucht Wirklichkeit in seinen Träumen.

Sind’s oft verwirrte Fäden, unlösbar,
die Menschen um ihr Schicksal banden,
so mancher Sommertraum macht klar,
das, was verband, kam irgendwann abhanden.

So ist der Faden unsres Lebensbandes
mit vielen Knoten oft versehen.
Ein jeder muss sie selber lösen,
die eigene Schuld daran, verstehn.