Ferne Zeiten

Albert Samuel Anker (1831 -1910)
Berauscht von der Vergangenheit
und Träumerei so mancher Stunde,
wo die Romantik ferner Zeit
erfüllte jede traute Runde.

Von Fern geseh‘n scheint alles gut,
so sauber und gediehen,
mit unschuldsreinem leichtem Blut
scheint dieses Bild zu fliehen. 

Die Erdenbürger überwanden,
vom Muss getrieben, Leid und Pein.
Gebunden in des Tagwerks Banden,
schlich sich so mancher Notstand ein.

Die Männer fielen in den Kriegen,
wo keiner Sieger war, nur tot. 
Die Frauen kämpften um die Kinder,
bettelnd um jedes Stückchen Brot.

Ihr Erdenkleid, zu Staub verweht,
die Qualen sind verwunden,
und doch erlebt so mancher Geist
astrale Weltenstunden. 

In jedem Haus, in jedem Schmuck,
schlägt Puls der alten Zeiten,
ihr Dasein fühl ich und der Druck
will Demut mir bereiten. 

Sommerahnung

Sweet Summer – John William Waterhouse (1849-1917)
Der Himmel malt ein lichtes Funkeln,
leuchtend und glänzend, wie ein Stern,
was vormals farblos und im Dunkeln,
strahlt nun mit buntem Seelenkern.
 
In Seidenglanz gehüllter Morgen,
ersetzt die schlafengeh’nde Nacht,
mit Sonnenschein, der große Sorgen
jetzt kleiner und erträglich macht.

Was lange Zeit im Erdeninnern,
zeigt nun die volle Blütenpracht;
Flora und Fauna, sie erinnern,
was uns erschuf die Schöpferkraft.
 
Genießen wir die warmen Stunden,
gestreute Vielfalt, buntes Land,
legen mit hellen Glückssekunden
das Leben uns in leichte Hand.
 
Vorbei das Frieren und das Warten
auf eine lang ersehnte Zeit,
das Leben ist ein großer Garten,
die Welt erscheint im Sonntagskleid.

Idee oder Erfahrung

Fraktal: Karin M.
Ideen wachsen wie Blumen in Träumen,
sind zarte Gebilde auf dem Zeitstrahl des Werdens.

Blühende Felder, genährt von der Ur-Pflanze,
füllen die Körbe mit neuen Eingebungen,

sind samenvoll für leere Tage;
aus dem Nichts herauswachsende Gedanken,

wie Blätter und Blüten. Sind Träger des Ursprungs,
entzünden in sich Funken des Lebens,

aus erfahrenen Impulsen für neue Ideen,
gepflückt auf den Feldern der Träume.

Löwenzahn

Samenkörner segeln fort, 
wie die Schiffe mit dem Wind,
hin bis in die fernsten Orte, 
die versteckt im Dunkeln sind.

Irgendwann mit Licht beschienen, 
fällt auch dort ein winz’ger Strahl,
stellt das Leben her in ihnen, 
und sie wachsen ohne Zahl. 

Dort entsteht die kleine Blume, 
blütenschwer in gelber Pracht,
zarte Blüte wohlgefällig, 
dehnt zum Sonnenschein ihr Blatt.

Schwer, das Köpfchen, gelb und offen, 
um die Stängel Blätter satt,
Stiele sind, wenn sie gebrochen, 
wohl gefüllt mit weißem Saft. 

Nur des Abends, müd vom Blühen,
wenn die Sonne schlafen geht,
schließen sie die Blütenkelche, 
wenn die Nacht um Wandel fleht. 
Pludrig werden sie erwachen, 
aus dem Blütenblatt ein Flaum,
rüsten ihre vielen Samen, 
für den Flug im Lebenstraum. 

Bis zum nächsten Jahr vollendet 
sich der Kreislauf der Natur,
sie sind fort - wir seh’n sie wieder - 
nur der Wind kennt ihre Spur.

Nach Hause

Ich wandre durch die Welten,
blind hinein geboren,  
kenn nicht den Weg.
Mit vielen Steinen ist er dicht belegt,
es freut und schmerzt zugleich,
ihn zu durchschreiten.
Niemand geht leichten Fußes,
ohne Leiden.

Nur eine Ahnung wacht,
ist tief in mir – das Gottvertrauen
wird mit altem Wissen
meinen Weg mir weisen.

So gehn die Tora-Geister mit auf Reisen,
die IN mir sind durch alle Zeitenflüsse,
wie Moses Volk einst auszog
aus dem Land der Pharaonen,
durch Sturmesfluten und durch
Wüstenschwere,
trägt nun auch mich
die Gott erfüllte Lehre.

Gefahren trotzend geht mein Blick nach oben,
wo ich, von Sonnenhand erhoben,
bestaun den Bogen, bunt, wie ein Kristall.

Wann immer ich ihn sehe, ist er Zeichen,
ist Kompass mir. 
Mein Ziel will ich erreichen…
im Dort und Hier.

Was Mensch aus Gott gemacht,
in Kirchen und Gedanken,
ist nur ein falsches Bild,
es wird vergehen,

wie die Gewohnheit irdischer Belange,
ganz ohne Rasse, Nationalität,
im lichten Land befreit sein wird, verweht. 

Wo sich die Seelen finden,
körperlos und fern der Zeitenflüsse,
wo Gut und Böse sich zur Harmonie verbinden,
ist mein Zuhause.
Will es wiederfinden!

Lebenswege

Peder Mørk Mønsted (1859-1941)
Wie sich die Erde abringt jedes Stück,
lebendig macht ein kleines Blütenglück!
Wie hingestreute Akeleien,
an stillen Orten uns erfreuen,
so strahlt der Löwenzahn in gelber Pracht,
auf jeder Wiese, wenn die Sonne lacht.

Die milde Luft ist wie gefüllt mit Leben,
der Atemzug ein Nehmen und ein Geben.
Wir ringen um die Jahre, Stück für Stück
und traurig richtet sich der Blick zurück.

So sinnlos war beizeiten unser Ringen,
so undankbar die Welt, so laut die Stimmen.
Wir sehnten uns nach schattenkühlen Wegen
und fühlten hoffnungsvoll des Weltenbauers Segen,
der allen Mühn Gelingen schenkt
und Lebenswege wie ein Band zum Himmel lenkt. 

Der Baum

Bild von RegalShave auf Pixabay
streckt weit zum Himmel seine Äste,
als wolle er das Wolkentreiben spüren,
um der Natur, gleich einer Ballerinen-Geste,
den Tanz auf Zehenspitzen vorzuführen.
 
Er neigt sich, wiegt sich,
folgt dem Takt des Windes,
verankert mit den wurzelfesten Streben,
wild, mit dem ungestümen Geist des Kindes,
erfasst von Böen und Sturm,
Zeit seines Lebens.
 
Noch hält er stand
und trotzt der Witterungen Launen,
die Ringe seiner Jahre ziehn durchs Holz.
Noch sehn die Menschen zu ihm auf und staunen,
durchlebt kraftvoll die Jahre, ohne Stolz. 

Ihn kümmert nicht der Schatten seiner Krone,
wie sie Figuren auf den Boden malt,
er zollt sein Wachstum nur dem Gott zum Lohne
und wird mit Sonnenschein und Licht bezahlt. 

Mutter Erde

William Adolphe Bouguereau 1825-1905
Birgst alle Facetten der Schönheit,
wie ein geschliffener Diamant,
 
bist Alpha und Omega,
Anfang und Ende;
 
du spiegelst unsere Taten in dir selbst,
verschenkst deine Reichtümer mit Liebe,
 
erträgst geduldig nicht endende Ausbeutung.
Mutter über Sein oder Nicht-Sein,
 
wir sind geboren aus deinem Schoss
und werden dorthin zurückgehen, wenn es an der Zeit ist;
 
du kredenzt uns Artenvielfalt und Wunder,
in jeder Blüte und in jedem Leben.
 
Paradies oder Hölle,
wir haben die Wahl!
 
Unter deinen tiefen Sorgenfalten
trägst du geduldig die Last der Menschheit.
 
Nur manchmal erhebst du warnend die Finger,
wenn wir die Pole zum Weinen bringen,
 
denn jede Träne wächst zu einem Meer,
in dem wir ertrinken werden.

Nach Ostern

Vladimir Kush (*1965 )
Kein Läuten mehr – die Osterglocken schweigen!
Still lastet Schwere auf dem kalten Tag,
und wieder liegen Fröste auf den Zweigen,
als wenn die Welt uns nicht mehr blühen mag.

Das Vogelsingen ist heut leis geworden.
Die Straßen leer, selbst Kinderlachen schweigt.
Das Leben scheint mir beinah ausgestorben,
wenn rauer Wind die frischen Wipfel streift.

Die Jahre sind so schnell dahingegangen.
Es blieb ein welker Kranz aus ferner Zeit.
Ob meinem wehen Herzen noch, dem bangen,
ein wenig Zuversicht erhalten bleibt?

Wohl dem, der aus des Lebens schweren Tagen
und aus den Stunden ungetrübten Glücks
ein Leuchten darf in seiner Seele tragen…
ein Sonnenlächeln göttlichen Geschicks.

Spreu vom Weizen

Bild von Kira Hoffmann auf Pixabay
Der Atem Gottes weht durch diese Welt.
In jedem Leben fließt sein hehrer Geist.
So, wie die Ähren, Halm an Halm gestellt,
der Sturm des Lebens alle niederreißt;

doch Kräfte machen reif so manchen Trieb.
Wenn andre hilflos beieinander liegen,
hebt ER mit Liebe was am Boden blieb,
lässt zarte Keime lichtgesegnet siegen.

Die Ähren voll mit Körnern und mit Grannen,
wie Menschen, die auf Frucht geword’nem Feld 
die Spreu des Weizens bilden und verstanden:
Zum Wachstum braucht es beide auf der Welt.