Tropfen

Wasserperlen kleben auf der Scheibe –
unaufhörlich wie der Regen rinnt.
Tropfen, schillernd im kristallnen Kleide,
fließen ineinander mit dem Wind.

Wie die Tropfen waren wir verbunden,
spürten uns bei Tag, im stillen Traum.
Nun ist alles, was uns band verschwunden,
keine Liebe füllt den toten Raum.

Kalt und leer hast du dich selbst beschrieben,
denn dein Lebenskrug brach jäh entzwei.
Nichts als Wehmut ist zurück geblieben,
und der Regen klopft den Takt dabei.

Alle Wärme wurde mir genommen,
spür‘ nur Kälte statt Geborgenheit.
Wird die Sonne nach dem Regen kommen,
oder gar ein neuer Winter vor der Zeit?

Liebesqual

Faust, Mephisto und Gretchen im Spiegel

Sie streicht mit sanfter Feder
über deine Haut.

Ein zartes Spiel,
noch lächelst du,
dem Streichelnden vertraut.

Doch jedes lose Gleiten
wird schnell zur Folter dir,
und du erstarrst
beizeiten.

Gefährlich ihre Kür.
Gefühlskalt geht sie mit dir
ganz grausam ins Gericht.

Sie lächelt noch,
mit Grausen erkennst du
ihr Gesicht.

Sie lacht das gleiche Lachen,
aus dem die Lust entsprang,

geöffnet war ihr Rachen,
mit dem sie dich verschlang.

Nun liegst du ihr im Magen,
du wälzt dich in der Qual.

Trotzdem würdest du sagen:
„Dasselbe noch einmal“.

Wege der Wahrheit

Kloster Kamp – Foto: Gisela Seidel

Die Fesseln sprengen,
Vergangenes segnen,
der Freude im Herzen
mit Liebe begegnen.

Das Neue betrachten,
mit Hoffnung und Wonne,
die Seele erleuchten
mit innerer Sonne.

Die Wege der Wahrheit
mit Weisheit erhellen.
Kein leuchtend’ Talent
unter Scheffel stellen.

Die Blindheit mit
göttlicher Weitsicht füllen,
den Höhenweg ebnen,
um Gottes Willen.

Den Glanz aller Tage
zum Blütenkranz binden,
zu reichen der Herrlichkeit
hinter den Sinnen.

So lass mich

Marie Euphrosyne Spartali Stillman (1844-1927)

Ach, könnt‘ ich doch schlafend
unter dem Rasen ruhen,
von Sonne beschienen und Regen gestreichelt,
von erdigen, feuchten Schollen umschmeichelt,
könnte nichts Falsches ich tun!

Wollte dich immerzu küssen.
Dich berühren müssen war wie ein Trieb,
der niemals endend dir Liebe beschrieb,
und mein Sehnen nach deinen Augen,
die so tief sind wie Seen…
du warst all‘ mein Glück, doch Gedanken vergehen.

Ach, könnt‘ ich doch schlafend
im All-Eins vergessen,
was ich an dir besessen
und doch nichts – nur ersehnt!
Die Jahre werden schleichen über den Rasen,
den keine Blüte je ziert,
und das Land über mir, das erfriert.
Dann kann ich nichts Falsches mehr tun…
so lass mich doch ruhen!

Leben an Leben

Vladimir Kush (1965-

Das Leben ist wie eine Pflanze,
wurzelnd im Ur-Grund, zum Himmel strebend,
jedes mit einzigartiger Blüte,
im steten Werden, Wachsen und Vergehen.
Immer aufs Neue erdentief versunken,
irgendwann,
vom Licht bestrahlt, neu erwachend,
und vom Schein der Sonne gestärkt,
wachsend und blühend, mit frischen Trieben.
So reiht sich im Lichte GOTTES,
Leben an Leben,
Menschenblüte an Menschenblüte.
Gib dich seiner Flamme und du bist verklärt!

Frei sein von dir

Carl Vilhelm Holsøe (1863-1935) Junge Frau auf dem Balkon

Das Große in dir lieb’ ich,
das du stets verneintest,
schautest dich an,
vor einem blinden Spiegel.
Schaff dir ein klares Bild,
dann blick hinein, erkenne!
Schau deiner Seele hellen Glanz,
sie schimmert sanft und warm.
Sie wärmte mich.
Wie ich sie liebte!

Sie hüllt mich nicht mehr ein
und deine Worte
flohen schwer.
Zurück blieb NICHTS,
das Wort „warum“ und Traurigkeit.
Es gibt kein Mit-dir
und kein Ohne-dich!

Ich treibe fort,
in bitter-blut’gen Tränen,
gelöst von aller Träumerei;
zum Sterben müd’,
geh ich den Weg allein.

Wo tausend Menschen
meine Andacht stören,
ist kein Friede.

Du hast ihn fortgenommen,
vor der Zeit und allem Sinn.
Mein Herz verbrennt
im wehmutsheißen Regen.
Nichts stillt die Glut,
dein Bild wird nie vergehen.

Meins starb in dir.

Gewissheit

Es wird noch lang so bleiben,
und ich fürchte mich:
Nur eisiges Schweigen
zwischen den Wänden –
und ich!

Da ist kein ‚Wir’,
das sich im ‚Uns’
verschließt – kein ‚Du’.
Kein Vogel singt
ein Lied für
‚unsren’ Tag!

Mit Sonnenhänden
hast du mich berührt,
und Hoffnung in den
Garten meiner Seligkeit
gepflanzt.

Doch ewig bist du fern,
und wo die andern Pärchen
liebend beieinander sitzen,
da ist kein Platz für uns.

Du sitzt mit andern –
nicht mit mir!

Dort, wo die Hoffnung
in mir wuchs,
blüht einzig wehes Bangen,
denn deine Sonnenhand,
sie brannte mir
Entsagen in das Herz.

Die Tage ohne dich
sind dunkel mir und kalt,
und alle Wege, die ich jemals
ging mit dir,
sie liegen traurig, tot im
Schatten unsrer Liebe.

Bitte, komm bald!

(2007)

Folgen

Pietro Saltini (1839-1908)

Sie waren jung und sehr verliebt,
hatten nur Augen für sich,
in ihnen erwachte ein lockender Trieb;
ihr Treiben kam bald ans Licht.

Nicht ohne Folgen blieb ihr Tun,
die Gesellschaft regte sich auf,
die Anklagen Dritter wollten nicht ruhen,
das Schicksal nahm seinen Lauf.

Der Liebe folgte alsdann das Bereuen,
sie waren arm und naiv.
Nie konnten sie sich ihren Leichtsinn verzeihen,
weil ihr Leben nun ernsthafter lief.

Die Verwandtschaft drängte folglich zur Ehe,
SIE zeigte stolz ihren Bauch.
Es gab keine Jobs in ihrer Nähe,
er ging noch zur Lehre, sie auch.

Sie feierten schließlich Hochzeit in Eile,
erwarteten Hilfe vom Amt.
Er lernte noch eine lange Weile,
ihre Ausbildung ‚fuhr gegen die Wand‘.

Als Geselle wurde er stolzer Vater,
dann folgte Kind Nummer Zwei.
Von vorne begann das Kinder-Theater.
Man(n) wünschte sich Ruhe herbei.

Sie war für Kinder und Haushalt da,
er hielt es nicht so mit der Treue.
Sie wurde im Alter wie unsichtbar,
nebenher nahm er sich eine Neue.

Es trieb ihn zu seinen Zech-Kumpanen,
dort betrank er sich über Gebühr.
Handgreiflich und wirr kannte er kein Erbarmen,
sie setzte ihn vor die Tür.

Gewalttätig blieb er, ist meistens betrunken,
ist frustriert von Frau und von Kind.
Ihr Leben bleibt so, in Schulden versunken,
…wenn sie nicht gestorben sind.

Balsam des Vergessens

Caspar David Friedrich (1774–1840)

Bald* bist Du gänzlich fort aus meinem Leben!
Du gehst nicht ganz – ein kleiner Teil bleibt hier,
den senke ich mit liebevollem Weben
in die verborgne Kammer meines Herzens mir.

Nicht losgelöst sind alle Erdenstricke,
noch hält mich die Erinnerung gebannt,
doch bald pflegt Schwester Zeit mit leisem Schritte,
mir mein gebrochnes Herz mit sanfter Hand.

Sie wird den Balsam des Vergessens auferlegen,
der wie der Nachtwind sich in Seelen senkt.
Sie wird die Wunden heilen, die noch quälen
und tröstend Sehnsucht stillen, wenn der Tag beginnt.

Die Einsamkeit wird sich in Stille wandeln,
mein Herz wird heilen, irgendwann und -wie.
Nur manchmal senkt mir dein verklärtes Handeln
„Verbundenheit“ in meine Phantasie.

In diesem Dunstbild sehe ich dich wieder,
du hüllst mich ein, in weißes Traumgespinst.
Dein Geist singt mir am Tage Trauerlieder,
zeigt mir, dass Traumesbilder nicht das Leben sind.

*Das Gedicht entstand im Jahr 2008

Von oben herab

Sulamith Wülfing (1901-1989)

Die fernen Himmel singen ein Lied von uns’rer Welt
und alle Zauber schwingen herab vom Himmelszelt.

Trägt Harmonie und Segen, kosmisch und ohne Zeit,
macht Irdisches durch Klänge für Künftiges bereit.

Die Töne rieseln leise und fliegen mit dem Wind,
wo jeder voller Anmut uns Linderungen bringt.

Trägt Liebe, Kraft und Freude in unser müdes Herz,
lässt kalte Herzen fühlen, ein Lauschen, himmelwärts.

Wenn Menschenwerk vernichtet auf Nimmerwiederbringen,
ist unentdeckter Klang ein ständiges Besinnen,

ist stetiges Erinnern an Fehler, falsches Handeln;
will sich vom Unbewussten bald zum Bewussten wandeln.

Die Harmonie der Stimmen im Moll- und Dur-Gesang,
ein überirdisch‘ Klingen, ein wahrer Himmelsklang.

Bringt Ursprung meiner Quelle, erinnernd, greifend nah,
ein ständig Neubeginnen, ewig erneuernd, immer da.