Schlitterbahn

Rev. Robert Walker beim Schlittschuhlaufen
Henry Raeburn oder Henri-Pierre Danloux zugeschrieben, 1790er Jahre
Verbotene Linien überschreiten
und sich auf dünnem Eis bewegen,
voll Zuversicht die Arme weiten,
als Schirm, der schützt, darüberlegen.

Einbruch bei jedem Schritt erwarten,
beim Knistern jenes Untergrunds;
porös ist er, der Lebensgarten,
man fühlt sich sicher, doch man plumpst.

Man taucht hinab in die Kontraste,
fühlt sich ertappt im Gegensatz,
nur lieben wollte man und hasste
das, was der Seele gar nicht passt.

Oft sieht man Gutes, doch den Mangel
an Gutem sieht man oft zu spät;
Geschicklichkeit ist Teil des Angelns,
dem Fischer, der am Wasser steht.

Er fischt in Vielfalt von Erfahrung,
denn das fürwahr ist Lebenszweck.
Man übt durch manche Offenbarung
Sünde, Gewalt und andern Dreck.

Man geht daraus gestärkt hervor,
aus diesem Unvollkommensein.
Doch kommt schon bald ein andrer Tor,
bricht wieder in die Eisbahn ein.

Zu guter Letzt

Quelle: Pinterest
Frei wie ein Vogel, der am Himmel kreist,
die Flügel auferlegt dem Wind;
mit Leichtigkeit trägt ihn sein Federkleid
auf einem Luftstrom, der ihn heimwärts bringt.

Noch bin ich hier, weil ich die letzte Rast
zu tragen habe, wie sie alle tragen.
Bitt‘ nicht um Einlass, wie ein ungebetener Gast,
eigens davongestorben aus den Lebenstagen.

Wenn Du mich rufst aus jener dunklen Schwere,
die bis zuletzt ich dankend abgelebt,
schweb ich in leibbefreiter Atmosphäre,
die mich mit allem Sein des All‘s verwebt.

Flüchtig

Phönix aus der Asche – Quelle: Pinterest
Vergänglich ist, was fassbar von Natur;
Materie flüchtig, vielfältig die Form.
Nichts ist von Dauer, endlich ihre Spur,
zu Staub zerfallen nach des Lebens Norm.

Belebend und dynamisch ist die Kraft,
die rein der Quelle „Göttlichkeit“ entspringt;
einzig allein befähigt Seine Macht
das Leben, wenn es in uns schwingt.

Begrenzt, des Menschen Fähigkeit,
bis dass der Geist aus jeder Zelle weicht,
verlässt den Körper, trägt sein geistig Kleid
auf ewigem Weg durchs grenzenlose Reich.

Der Januar

von Erich Kästner

Pieter Bruegel der Ältere ( um 1525/1530-1569 )
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.

Die Amseln frieren.
Und die Krähen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben.
Und wär so gerne gelb und blau und rot.

Umringt von Kindern wie der Rattenfänger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heißt, die Tage würden wieder länger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.

Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern.
Und niemand hält sie auf und fordert Zoll.
Silvester hörte man’s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches ändern
und, außer uns, viel besser werden soll.

Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es träumt von Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.
Erich Kästner (1899-1974)

Arm der Freundschaft

Quelle: Pinterest
Am Arm der Freundschaft durch das Leben gehen -
ein unbemerktes, stilles Dasein, das mir blieb;
mit Leichtigkeit Bekanntschaften zu sehen,
mit denen Oberflächlichkeit die Zeit vertrieb.

Gesiebt zu schauen, wer durch’s Raster fiel,
ein eng gestricktes - wer nicht passte, ging;
zu trennen, was, wie ein verlorenes Spiel,
alltagsbeschwert in meinem Kopfe hing.

Der Arm der Freundschaft ist längst losgelassen,
sie fortzuführen wäre Selbstbetrug;
es trennten uns ungleiche Lebensstraßen.
Saß wohl jahrzehntelang im falschen Zug!

Winterfarbe

Bild von marcelkessler auf Pixabay
Das Wasser ist so trüb, so träg quält sich der Fluss,
und die Natur verdunkelt ihre Lebenslichter,
verstreut der tristen Winterstunden graues Muss,
treibt müdes Gähnen auf die Ruhezeit-Gesichter.

Der Boden, Höhlung durch des Wassers Kraft,
liegt hart und steinern unter weicher Fläche,
als eisig glitzernd in der Flocken Pracht,
der Frost anhielt der Fluten ew’ge Bäche.

In blasse Trauerfarben hüllt der Tag sich ein,
gefolgt von einer ewig langen Nacht,
die dunkel sich im Wintermondenschein
mit schwarzen Schatten kalt und endlos macht.

Bücher

Quelle: Pinterest
Bücher waren Freunde junger Jahre,
die Gedanken keimten aus dem Grund;
warm war das Papier, das offenbarte,
die geheimsten Wünsche ohne Mund.

Lautlos ließen sich die Seiten blättern,
die gefüllt mit Fantasie und Träumen,
das Papier, es trotzte allen Wettern,
bot mir Wärme, auch in kalten Räumen.

Zeilen boten mir geschriebene Sätze,
die ich auszusprechen gar nicht wagte;
teilten mit mir weltverborgene Plätze,
bis die Einsamkeit mich nicht mehr plagte.

Schreiben, um Missionen zu erfüllen,
als Geschenke im geschriebenen Wort,
sind heut Trost, der mir im Stillen
Beistand ist aus einem reichen Hort.

Hände, die geschrieben, sind zerfallen,
doch ihr Geist schwebt über dem Papier;
unvergessen, die in Bücherhallen
fruchtbar sind. Habt heut noch Dank dafür!

Dreikönigstag

Heilige drei Könige – Quelle: Pinterest
Es schweifte ein Komet am Himmelszelt,
drei Weise folgten ihm, dem Heil entgegen.
Durch Länder zogen sie in ferner Welt,
die prophezeit, zu Bethlehem gelegen.

Drei Himmelzeichen brachten sie dem Einen,
der neu geboren in der Krippe schlief;
da war ein Staunen um sie in den Reihen,
das Gottesfurcht in alle Herzen trieb.

Ein Zeichen, das die Edlen schenkten,
himmlisch und außerirdisch war das Maß;
war Gold, als Sieg für den von Gott Gelenkten,
über das Böse und der Menschen Hass.

Als Geist, der von den Toten aufersteht,
der über Himmlisches und Irdisches erhaben,
war Weihrauch Zeichen, dass es weitergeht,
für ihn und alle, die erleuchtet starben.

Myrrhen zum Zeichen – Bitterkeit erfahren,
den Leidensweg und den des Todes gehen;
den tiefen Sinn der Gaben offenbaren,
und als Geschenk des Lebens zu verstehen.

Vom Schnee begraben

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Es schweigt der Wind,
lässt Flocken ruhig tanzen;
die Welt ist puderzuckerweiß geworden.

Trägt alles Welke,
wie in kostbaren Monstranzen,
vom Schnee bedeckt, in einen Wintermorgen.

Altes ging mit dem Jahr,
das, wie verweht, vergangen,
noch schwingt es zeitverloren mit und nah.

Wie ein gelesener Brief,
zerrissen, doch im Herzen wortgefangen,
der Wärme brachte, wo nur Kälte war.