Frühlingssturm

Der Sturm – Pierre Auguste Cot (1837 -1883

Jubelnd treibt ein Frühlingssturm
durch irdisch weiten Raum,
singt hoch sein Lied vom Wolkenturm,
hält Luftikus im Zaum.

Er treibt durch Länder, grenzenlos,
mit tausend Flügelpaaren,
sein aufgeblähtes Sein ist groß,
mit ihm himmlische Scharen.

Der Aufgeblühtes sprengt und trägt
mit sich das neue Leben,
der über Berg und Täler fegt,
dem Sonnenlicht entgegen.

In Windes Eile

Bild von Comfreak auf Pixabay

Hörst du den Klang der Welt vorüberziehen?

Der Wind trägt ihn auf kühlen Schwingen,
hebt hoch den Frohsinn und das Singen,

im Auf und Ab des Flügelschlags.
Trägt auch den Hilfeschrei des Tags,

und nachts des tausendfachen Sterbens!
Im Wind singt uns die Stimme des Verderbens,

die Angst vor Krankheit, Hunger, Armut auf den Flügeln.
Unbändig, rastlos lehrt er uns zu zügeln,

Begehrlichkeiten dieses Weltgeschehens.
Zeigt auf die bittren Quellen des Entstehens,

die auch die Quelle allen Leidens ist.
Frevel zu lindern, das ist Lebenspflicht!

Seelenleuchten

The Kiss – Silvio Allason (1845-1912)

Es war im Blicke seiner Augen,
ein Funken von Verbundenheit;
an wahre Liebe wollt‘ ich glauben,
an Feuer in der Dunkelheit.

Da war ein Leuchten unsrer Seelen,
etwas ergriff mein ganzes Herz,
es schien vom Boden mich zu heben
und gleichsam zog es voller Schmerz.

Es waren kurze Glücksmomente,
ein Losgelöst sein von der Zeit.
Des Glücks Sekunden sind zu Ende,
Erinnerung beschwert mein Herz.

Wieder ist Frühling! Aufgewühlt,
geht weit zurück ein altes Hoffen.
Nie wieder hab ich so gefühlt!
Kein Herz schien mir so nah und offen.

Sehnsucht und Einsicht

Élisabeth-Louise Vigée-Lebrun (1755-1842)

Lang lag ich wach in abendlicher Stunde,
mein Körper müd, jedoch gedankenhell.
Wird es bald Nacht? Ersehnte Traumsekunde!
Wie ging mein Tagesablauf gar so schnell?

Der frühe Morgen, dem ich einst entstiegen,
ist schon durchlebt. Bin nicht bereit zu scheiden!
Seh‘ die Vergangenheit Revue passieren
auf bunten Wiesen, meiner Kindheit Weiden.

Da lockte neue Sehnsucht mit Erfüllung,
der Geist ließ meine Seele tanzend heben;
des Lebens Suche nach stets neuer Stillung
ließ manches Abenteuer mich erleben.

Ich sah mich selbst, die Hände streckend
nach manchem Glanz, der keiner war.
Zerstörend, seh‘ ich müd mich recken,
das greifend, was sich mir versagte.

Bedenkenlos war’n viele meiner Stunden,
die ich an manchem Tag durchlebte.
So ist Vergangenes mit ihm verschwunden,
was bleibt: das von mir selbst Gesäte.

Recht

Jean-Léon Gérôme 1824-1904 – The last judgement
Daniel 5,27 »Tekel« bedeutet: Du bist mit einer Waage gewogen und zu leicht empfunden worden!

Es sühnen die Gerichte schlechte Taten,
doch ist gerecht noch lang kein Richterspruch,
ihr seid mit Sinn nach Rache schlecht beraten,
wenn ihr für Schuld gerechte Strafen sucht.
 
Wer andre in den Tod schickt ist nicht besser,
als jener, der zuvor den Mord verübt,
wäscht man Justitias Hand mit klaren Wässern,
ist nach dem Reinigen das Wasser unschulds-trüb.
 
Wir fordern Ethik und Moral mit Geistesgröße,
doch nur zu leicht zerfließen hier die Grenzen,
wir machen aus „nicht gut“, „ein bisschen böse“,
verdrehtes Recht schafft eigne Konsequenzen.
 

Blumenstrauß

Ferdinand Georg Waldmüller (1793-1865)

Du Blütenpracht, die du gen Himmel strebst,
wächst weit hinaus aus deiner Vasen-Gruft,
obwohl du wurzellos in stillem Wasser stehst,
ringst du mit letztem Drang nach Lebensluft.

Noch ist dein Grün so frisch und deine Blüten prahlen,
nur ein paar Tage schmückst du diesen Raum,
doch dann zerfällt dein lebensfrohes Strahlen,
und schnell vergeht der erste Frühlingstraum.

Das Licht, das hell sich dünkt

Paul Lacroix- Papst Clemens V. auf dem Konzil von Vienne

Das Licht, das hell sich dünkt
und – ohne es zu sein –
des Lichtes Maske nimmt
und borgt sich seinen Schein
und prunkt damit:

Das ist der Herr der Welt,
der Hochmut, der euch reizt
zu tun, was ihm gefällt,
und der mit Lob nicht geizt
und nicht mit Schmeichelworten.

Streckt gierig ihr die Hand
nach eitler Macht nur aus,
um es ihm gleich zu tun,
dann baut ihr nur sein Haus
und könnt darin nicht ruhn.

Der hetzt euch ohne Ruh,
und ihr tragt ihm herzu
der falschen Werte Flittergold,
und wie ihr Lügen sucht,
ist euer Sold
die Lüge nur!
Die lebt so lang davon, dass sie zerstört,
bis sie mit dem Zerstörten untergeht.

Die Wahrheit aber schreitet durch die Lande,
sie ist so schön, dass sie des Schmuckes nicht bedarf
und nicht des Faltenwurfs im Lichtgewande.
Nicht Lob, nicht Tadel spendet sie.
Sie schweigt.

Doch wenn ihr Blick dich trifft,
dann sinkst du in die Knie…
und ohne Worte wird dir Wissen kund,
wenn stumm dich grüßt ihr ernster Mund.

<Ephides>

Des Glaubens Hüter

Betende Hände – Albrecht Dürer (1471-1528)

Gott, Du bist die Ewigkeit,
die endlos seit dem Anfang uns umschließt.
Der in seiner Herrlichkeit,
die Gnade „Leben“ in uns gießt.

Wenn unsrer Hoffnung Sicht zerbricht,
geb‘ unsrem Geiste Kraft und Licht.
Lass unsern Glauben Hüter sein,
beschütze unsrer Liebe Schein,
die von dem großen Himmelslicht
ein Abglanz ist. – Herr uns gebricht
die Kraft, der Mut –
mit Dir im Herzen sind wir gut,
doch gehen wir ein Stück allein,
herrscht Dunkel dort.
Denn unser Sein, es ist Dein Wort,

als dessen Klang Gestalt gewonnen,
wohl unter hohen, lichten Sonnen
in biblischer Vergangenheit,
die uns allein erscheint so weit.

Bist nur gedankenweit entfernt,
den Ton zu finden, den wir einst gelernt,
der die Verbindung spürt, die Gegenwart.
Zeitlos bist Du, der immer bei uns harrt.

Dein Wort, das einst durchs All geklungen,
es ist ein Ruf, der längst zu uns gedrungen.
Es ist ein langer Weg in reinem Sein,
ein Widerhall zurück zu Dir allein.

Der die Zeiten wandelt und sie lässt verwehen,
lass uns alle Deine Wunder sehen.
Öffne uns zu Hause Deine Tür,
dieses Wissen gib uns tröstlich hier.

Du klingst in uns, so lass uns für Dich klingen,
auf dem Nach-Hause-Weg will ich Dir singen!

Durchlebte Zeit

„Träumerei“ Gemälde von Franz Guillery (1863-1933)


Wie schnell die Zeit läuft,
wenn du bei mir bist,
wie sie zu stehen scheint,
wenn du mich küsst.

Wenn deine Lippen sanft auf meine Hände gleiten,
dann ist es so,
als würden die Sekunden schleppend schreiten
und sich nur zögernd mit den Strömen der Vergänglichkeit verbinden,
als müssten unsre Seelen sich in ihren Tiefen wieder finden.
Nur unsre Liebe hilft uns aus dem irdischen Geschehen,
hinüber in die zeitenlose Dimension zu gehen.
Wenn unsre Geister sich im Über-All verbinden,
dann werden wir uns in den fernen Himmeln wieder finden,
die wir verlassen mussten schon vor Ewigkeit;
nun fanden wir uns auf der Erde wieder,
hier und heut.

Wenn mir dein Augen-Blick wie ein Versprechen scheint,
das uns nicht erst in der Unendlichkeit vereint,
dann werden mir die Tage lang und endlos scheinen,
und in der Zeit des Wartens werd‘ ich bittre Tränen weinen.

Du gabst mir nichts,
nur deine Liebe gabst du, deinen lieben Blick,
doch brachtest du mir das Elysium in diese graue Welt zurück.
Gib mir die Hand für eine lebenslange Reise durch die Zeit,
sag niemals, unsre Liebe sei Vergangenheit.

Selbst befreit

Károly Brocky (1807-1855)- Schlafender Bacchant

So, wie ein Hauch
im Fluss der Zeit verdunstet,
gelöst, gelöscht die Spur,
die tränenreich verschwamm.
 
So trieb der Rauch,
der lichtlos sich verdunkelt,
aus meiner Hölle hoch empor,
als Glut noch glomm.
 
Was bleibt zum Schluss?
Ein Nicht-Verstehen,
Vertrauensbruch und Schmerz,
der tief begraben in der Grube ruht.
 
Doch weckt man ihn,
zerreißt es mir das Herz,
und aus dem Rauch
und aus der Asche steigt die Wut.
 
Es gab kein Wort,
kein Abschied…letzte Blicke.
Erklärung suchend
deute ich den Schluss.
 
So wende ich mich ab,
ertrag die Tritte,
von dem, der „rein“ zu sein schien,
mit Verdruss.
 
Benutzt, gedemütigt, verworfen,
verletzt, verstoßen – längst bereut.
Verbrannt im großen Höllenofen
der Fehler…schließlich selbst befreit.