
Über allen Gipfeln
ist Ruh‘,
in allen Wipfeln
spürest du
kaum einen Hauch;
die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
ruhest du auch.

Gedichte und Poesie von Gisela Seidel über Gott und die Welt
Über allen Gipfeln
ist Ruh‘,
in allen Wipfeln
spürest du
kaum einen Hauch;
die Vögelein schweigen im Walde.
Warte nur, balde
ruhest du auch.
Lieblosigkeiten –
sie kleben an dir,
wie unerlöste Seelenteile;
trunken von Trübsinn,
in Tränen getränkte
Schleier deiner
Erinnerungen.
Sie tragen an der Schwere
deiner Vergangenheit.
Sie schlichen in dein Ich
und machten es krank,
dein Dasein trüb,
und die Stellen in deinem
Körper schmerzen,
denn sie sind wie Stein
gewordene Verhärtungen
deiner Seele.
Erlöse die Erinnerungen;
vergib den Menschen,
deren Lasten du immer noch trägst,
obwohl sie längst dahin sind.
Niemals wirst du vergessen!
Schaue deinen Rückblick in Verklärung,
denn du bist niemals in den
Schuhen der anderen gegangen.
Wie lieb spinnst Du so leise
von meines Lebens Glück,
so klug versprichst Du weise
mir glückliches Geschick.
Soll’n scheiden sich die Geister
aus der Vergangenheit,
stehst Du als Lebensmeister
mir zukünftig bereit.
Wirst meinen Weg begleiten,
trägst mich mit starker Hand;
Du wirst mich schützend leiten,
ins unbekannte Land.
Ich werde staunend schauen,
Dir danken im Gebet,
wenn altes Gottvertrauen
durch meine Seele geht.
Es ist die Eigenart der Katzen,
zu schleichen und zu schauen
und auf geschmeidig weichen Tatzen,
uns schmeichelnd zuzumauen.
Sie sind charakterfest und eigen,
als kluge Jäger, listig, flink;
nur werden sie auch Krallen zeigen,
damit die Mäusejagd gelingt.
Ansonsten sind es kleine Tiger,
die schnurrend sanft wir lieben,
denn ihre Herzen folgen wieder
den alten Freiheitstrieben.
Zukunft wird gegenwärtig und vergeht.
Flüchtiger Augenblick des Jetzt,
ein Lidschlag macht aus dir Vergangenheit.
Nichts kann dich halten,
nichts zurückholen.
Du wirst durchlebt und bist sogleich verloren,
und die Erinnerungen, die du trägst, sind folgenschwer.
Die Dimension der Zeit – ein trügerisches Bild.
Verbirgt sie doch die Polarität des Lebens vor unseren Herzen.
Aus Glück wird Unglück,
aus Liebe – Hass,
aus Leben – Tod.
Oft trennt uns nur ein Augenblick von diesem Wandel.
Wie ein winziges Atom ein Teil des Ganzen,
so ist der Moment des Seins der Schlüssel zur Ewigkeit.
Tausend Münder kannst du küssen,
tausend Lippen;
tausend Zungen kannst du spüren.
Niemals findest du den Mund,
der dich geküsst wie meiner,
der dich völlig löste von der Welt,
der dich fern in tausend Himmel trug. –
so küsst dich keiner!
An deinen Lippen hing ein Beben,
als küsst’ ich tausend Lippen.
Ich streichelte die Wangen dir wie Samt,
und deine Stirn liebkoste ich wie Seide.
Aus deinem Mund hab ich mich satt getrunken,
er labte mich noch süßer als der Wein.
Und deine Augen, wie ein Ort, versunken,
zog mich in tiefste Harmonien hinein.
Nun lieg ich auf dem Grund des Tränensees,
ertrunken,
mich hat die Welle fort von dir getragen.
In deine Arme war ich hin gesunken,
achtlos und schwach
hast du mich fallen lassen,
in tausend Höllen.
Das, was noch vor dir liegt, sind schwere Schritte,
wohin sie führen, das ist dir bewusst;
sind’s doch oft mühevolle Lebenstritte,
die man zum Wandel erst durchlaufen muss.
Ich wünsche dir ein weises Handeln,
mutig und stark wirst du dein Ziel erreichen;
die Dunkelheit wird sich zum Lichte wandeln
und neue Wege, hell, vor dir erleuchten.
Es rauschen die Wipfel und schauern,
als machten zu dieser Stund
um die halbversunkenen Mauern
die alten Götter die Rund.
Hier hinter den Myrthenbäumen
in heimlich dämmernder Pracht,
was sprichst du wirr wie in Träumen
zu mir, phantastische Nacht?
Es funkeln auf mich alle Sterne
mit glühendem Liebesblick,
es redet trunken die Ferne
wie von künftigem, großen Glück!
Keine Stimme, die ruft,
kein Herz, dem ich fehle,
nur Einsamkeit, Stille,
durch die ich mich quäle –
aus der Ferne, der Klang der Motoren
und manchmal will sich die Ruhe
in meine Seele bohren.
Suche Beschäftigung,
die diesen Bann durchbricht,
doch wirklich finde ich sie nicht.
Kann mich nicht fügen,
nicht konzentrieren,
möcht‘ manchmal den Verstand verlieren.
Ich schau die Wände an –
es sind dieselben, die ich vor einer Stunde sah;
verwandeln möchte ich die gelben
in bunte, mit Punkten,
die ich dann zählen könnte,
um mich abzulenken,
vom Denken.
Um mich schwärmender Bienen Gesumm;
fernher Singen von Schnittern;
Sommerlüfte, die heiß ringsum
über der Wiese zittern!
Hoch aus dem dunkelnden Himmelsblau,
drin die Wolken verschwimmen,
quillt es und rinnt hernieder wie Tau,
säuselt wie liebe Stimmen.
Gaukelt und lacht mir hinweg das Leid,
hebt die Erdengewichte,
bis die Seele, gelöst, befreit,
schwärmt in dem himmlischen Lichte.