Der Mond hat meine Nacht zum Tag gemacht,
war voller Traum-Gespinste und Gestalten;
zeigte mich selbst in nachtdurchlebter Macht
und Menschen, die sich schemenhaft entfalten.
Trotz festgeschlossener Augen war mein Sehen,
wie eine Reise durch das Hirn im Augenblick,
und wie ein Fenster öffnete sich das Verstehen,
gab Szenen frei, die mir ein bös Geschick.
Sah mich als Retter vor Beschneidungstat,
umringt von dunklen Frauen, bösen Blicken;
sah die Kollegin, die schon lang verstarb
und Köpfe, die in Eimern, abgeschnitten.
Auf einem Friedhof ähnelnden Gebilde,
weinte ein kleines Kind, schmutzig, allein;
es lief zu mir und bettete um Milde,
wollte zum Wasser und gereinigt sein.
Ich wachte auf – die Sinne grauumnachtet,
war voll von dieser kurzen Nachterfahrung.
Von Wahn und Wirklichkeit befrachtet,
scheint mir der Vollmondnächte Offenbarung.
Paul Delaroche (1797-1856) – Enthauptung Jane Grey
Wenn mal das Leben Hürden baut,
die hindern dich beim Gehen,
denk dir, nur der zu gehen sich traut,
kann Daseinsangst bestehen.
Wenn an der Ecke, nebenan, das Böse steht,
und du hast Angst, dass es dich hält
und nie mehr von dir geht;
fühlst dich gefangen, unbeweglich, taub,
von aller Freiheit, die im Kopf dir blieb, beraubt,
dann mach den ersten Schritt,
hinaus aus diesem Geleis,
geh hin, wo dich kein dunkel-böser Geist
in seinen Klauen hält auf dieser Welt,
trag aufrecht deinen Kopf, bevor er fällt.
Fühl die Besessenheit in deinem Lebensplan,
zweig ab von deinem Tun und deinem Wahn.
Das, was du suchst, liegt seit Geburt in dir,
zeigt dir den Ausweg, die gebotene Tür.
Sollst nicht den Kopf verlier‘n für eine Illusion;
leb‘ Eins mit Gott, nimm geistig reichen Lohn.
Wie fließend Wasser sind die Jahre,
und manchmal hofft man, tiefbekümmert,
dass dieser Strom sich offenbare,
wenn tränenfeucht die Wimper schimmert.
So traurig mancher Wege Schritte,
sie gehen ziellos, nur im Kreis;
die Zeit, sie tilgt die Spur der Tritte,
wie Wasser, das sie mit sich reißt.
Und auf dem Grunde dieser Klarheit,
da ruhen sie im Bett des Lebens,
in Tränentüchern voller Wahrheit
und spüren: Es war nicht vergebens.
Es geht kein Same auf im unfruchtbaren Land,
Wasser verdampft auf heißem Stein,
und wo es jemals floss durch Wüstensand,
fehlt jede Spur von Wachstum und Gedeihen.
Doch lebt die Wüste noch an manchem Ort,
der in sich Kraft trägt, die aus Tiefen kommt;
Obdach gibt er, wie ein beseelter Hort,
in dem der Durst gestillt und Hoffnung wohnt.
So gibt es Menschen, die auf Sand gebaut,
die ackern, lebenslang und ohne Sinn.
Sie fühlen nicht in sich, was tief vertraut
mit leiser Stimme ruft, schon seit Beginn.
Selbst fruchtbar werden für den Rest der Welt,
inmitten toter Oberfläche kargem Schein;
die Kraft im Land sein, auf das Samen fällt,
kann fruchtbar Zukunft und Oase sein.
Zugedeckt mit schweren Schauern
war die Welt – der Sommer ging;
wusch die Hitze aus den Mauern,
kühlte sie zum Herbstbeginn.
In lebendig neuen Bildern
herbstlich wohlgewählter Farben,
wird er Sonnenkräfte mildern,
Sturm wird Wolkenfelder jagen.
Tief im Wald verstummt ein Röhren,
Hirsche von der Lichtung fliehen,
wenn sie Hund und Jäger hören,
ist die Schonzeit längst dahin.
Letzte Früchte lasst den Bäumen
und dem Strauch der Nüsse Zier;
durch die Tage geht ein Säumen,
Winterzeit steht vor der Tür.
Schon sechs Jahre sind vorbeigegangen,
seit ich dich zum letzten Mal gesehen;
nur gedanklich kann ich heut zu dir gelangen,
bist längst abgerufen, musstest gehen.
Hatte angstvoll meinen Blick auf dich gerichtet,
als Kind verehrt, dein Handwerk und Geschick.
Stets warst du dem Job im Werk verpflichtet,
der Wohlstand brachte, kein Familienglück.
Warst einst in eine Welt hineingeboren,
die hasserfüllt, barbarisch, voller Leid.
Kanntest nur das. - Vom Kriege auserkoren,
fiel dann dein Vater, führertreu, in dieser Zeit.
Du warst ein Junge von erst fünfzehn Jahren,
da rief man dich zum Dienen in den Krieg;
dort fing man dich, in seinen letzten Tagen,
in Frankreichs Lager gingst du, ohne Sieg.
Als du heimkamst, war deine Welt verdorben,
der alte Sinn geblieben, doch er schwieg;
der Gleichgesinnten Hand hast du erworben,
die dich dann liebend in die Ehe trieb.
Kinder mussten sein – so war es üblich;
allen zeigen, dass man’s machen kann.
Das Erziehen, lästig und verdrießlich,
man schlägt sie lieber, dann und wann.
Im bürgerlichen Haus warst du Tyrann,
der Dominanz verpflichtet, Ehefrau und Kinder.
Nicht in die Augen schauen, galt es dann,
wie einem Hund, der beißt sonst seinen Schinder.
Du warst einst stark, doch Alter brachte Schwäche
und eine neue Gattin - das, was war, zertrümmert;
als wenn nur noch dein Schatten zu mir spräche,
unter Tränen: „Hab mich nie um dich gekümmert!“
Hab längst vergeben, doch vergaß ich’s nie,
hat viele Lehren mit auf meinen Weg gegeben.
Bin ich ein Stück weit nicht auch so wie sie?
So viele Fragezeichen stehn in meinem Leben.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen; braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, doch die Jugendzeit kehrt nie zurück.
Versunken ist die Frühlingszeit, kein Vogel singt im Lindenhain; die Welt verliert ihr Blütenkleid und bald wird Winter sein. Verlassen ist der Holderstrauch, an dem ich einst geküsst. Es blieb ein Duft, der wie ein Hauch, aus fernen Tagen ist.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen, braune Blätter fallen müd vom Baum,
und der Herbstwind küsst die Herbstzeitlosen; mit dem Sommer flieht manch Jugendtraum.
Möcht einmal noch wie damals kosen, möcht‘ vom Frühling träumen und vom Glück.
Auf der Heide blüh’n die letzten Rosen – ach, die Jugendzeit kehrt nie zurück. Holde Jugend, holde Jugend – kämst du einmal doch zu mir zurück.
Wir sterben jeden Tag ein wenig mehr,
mitten im Leben ruft es uns zurück,
zurück in unsichtbare Dimensionen,
zu Sphären, wo die Unsichtbaren wohnen,
die Freiheit spüren, körperlos und wartend,
auf einen neuen Lebensauftrag, der sie zwängt,
in Panzer, wo die Fähigkeiten eingeengt;
in Körper, die mit tausendfachen Seelenteilen
mit Hoffnungen zur Sonne eilen.
Doch wer die Sonne sucht im Außen,
wird ihren Schein nur fühlen, niemals lauschen,
der Stimme, lichtvoll, unbewusst im Innen.
Er wird in den Gedankenkreisen schlingern
und suchend stets vor den Barrieren stehen,
die in die Irre führten und vergehen,
wenn er das Licht am Ende niemals findet.
Denn jeder trägt den Herbst in seinem Leben
zum Winter hin, dem neuen Tag entgegen.
So viele Menschen kamen in mein Leben,
ein Stück des Weges teilten sie mit mir.
Gefährten schöner Jahre, doch fiel Regen,
gingen sie fort und blieben nicht mehr hier.
Ins Nirgends gingen sie durch Nebelwände,
nicht einsehbar, auf fährtenlosen Spuren;
verschwunden in der Zeit – nun sind sie Fremde,
in meinem Lebensspiel wie kalte Schachfiguren.
Gestalten wurden sie, zu dunklen und zu hellen,
die ‚Dame‘ schlagend in so manchem Zug.
Ich war der Baum, den sie versucht zu fällen;
nur Kerben blieben nach des Fallbeils Flug.
Der Fremden Leben sind wie graue Schleier,
so wie der Herbst sie webt in kühler Nacht.
Verrauscht schon lang so manche Erntefeier,
reif die Erkenntnis, die vergessen macht.
Stürme, tobend Wetterrauschen –
herbstlich geht das Jahr dahin;
letzte warme Tage tauschen
Sommerstunden zu Beginn.
Lüfte wirbeln in den Morgen -
Arbeitswelt ist lang erwacht,
folgen ihren Alltagssorgen,
müd‘ bedingt und flatterhaft.
In den Gärten lila schauend
mancher Aster Blütenzier;
Wolken treiben, Regen brauend,
Blitz und Donner folgen hier.
Ball’n sich dunkelschwer zusammen,
Dünste, dichtgewob’ner Schleier;
Blitze hell am Himmel flammen,
sind der schwülen Luft Befreier.
Reinigende Lüfte zäumen
kräfteprüfende Gewalt;
nur gefestigt, wie die Bäume -
haben in sich selber Halt.
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