Der Vollmond schimmert silbrig in mein Zimmer. Es ist noch morgenfrisch; langsam vergeht die Nacht. Um vier Uhr öffne ich die Außentür, wie immer. Die Katzen haben schlaflos neben mir gewacht.
Foto: Gisela Seidel
Sie brachten ihre liebsten Spiel-Geschenke, damit ich mich aus meinem Bett erhebe. Nun sind sie draußen, und ich denke, es ist noch früh. Wenn ich nur wieder läge!
Foto: Gisela Seidel
Ich schneide Fleisch, zur morgendlichen Stunde, bringe das Katzenfutter, nass und trocken, hol frisches Wasser, stell es in die Runde, säuber‘ ihr Klo. Mein Bett mag mich noch locken.
Foto: Gisela Seidel
Die beiden Katzen haben sich nach einer Weile längst ausgetobt und liegen faul wie Sofakissen. Ich blick betreten, müd und schreibe diese Zeile: Nun bin ich wach. Ich hätt‘ es wissen müssen!
Und manchmal, wenn sich die Sonne neigt, mit gedämpftem Licht hinter die Dächer steigt, ja, manchmal bin ich der Einsamkeit müde, mit der ich so lange verwoben, und ich bitte Gott, dass er mich trüge von hier unten zu sich nach oben.
Doch manchmal, erwache ich morgens und strecke mich gierig aus nach dem Leben, will Neues und noch vieles mehr – hab’ keine Zeit zu vergeben.
Und manches Mal denk ich, so lang ist mein Weg, den ich mich zu gehen getraue, so allein, voller Neugier und unentwegt – geht meine Fahrt ins Blaue.
Freundschaften, die gar keine sind, entlarvt man in Krisenzeiten. Plötzliche Klarheit! Man ist nicht mehr blind, wenn sie uns nicht mehr begleiten.
Was sich verband mit dem täglichen Tun war wie ein ‚Gebrauchsgegenstand‘. Jetzt, wo nicht mehr blieb, als lästiges Ruhen, hat man sich still abgewandt.
Das Telefon klingelt längst nicht mehr, die vertrauten Stimmen – verstummt. Meine Anrufliste gelöscht und leer; da ist auch kein Handy, das summt.
So einsam kann überhaupt niemand sein, denkt man und gibt sich die Schuld. Es geht sicher schlimmer, bin nur allein; mich drückt inn’re Ungeduld.
Das Sprechen verlernt man in ‚Einzelhaft‘, man IST nur noch über Gedanken. Erinnerungen, in denen keiner lacht; mein Leben geriet ins Wanken.
Da ist keine Hand, die mich sicher hält. Sie sind schon alle gegangen! Wo sind die Freunde in meiner Welt? Unlösbar mein Unterfangen.
Verlassen hat man schon lange den Bund, hat bessere Freunde gefunden. Mein blinder Fleck auf dem Erdenrund?! Freundschaft für Jahre, für Stunden?
„Freundschaften wachsen, wenn man sie pflegt.“ Hab ich ‚zu wenig gegossen‘? Traurig ‚Verbundenheit‘ abgelegt, das Schicksal hat’s so beschlossen.
Friedrich von Schiller: „Das Universum ist ein Gedanke Gottes. … Möglich, daß das ganze Gerüste meiner Schlüsse ein bestandloses Traumbild gewesen. Aber eine Wahrheit ist es, die gleich einer festen Achse, durch alle Religionen und alle Systeme geht! – Nähert Euch dem Gott, den ihr meinet!“
Hin und wieder geißl‘ ich mich und geh‘ hart mit mir ins Gericht und befrag‘ mich hochnotpeinlich, ob ich glaube oder nicht. Nur ein bißchen Folter und schon erpress‘ ich mir den Beweis, dass ich erstens gar nichts glaube und zweitens gar nichts weiß.
Ich glaub‘ nur, dass, wenn es ihn tatsächlich geben sollte, Er, was hier in seinem Namen abgeht, gar nicht wollte. Erstmal glaub‘ ich, dass die Weihwasserbeckenfrösche ihn stören und die viel zu großen Häuser, die angeblich ihm gehören. Glaubt ihr denn, er ist auf Lakaien und Grundbesitz erpicht? Ja-Sager und Immobilien? Ich glaube nicht!
Ich glaub‘ nicht, wenn es ihn wirklich gibt, dass er’s überaus liebt, dass sich jemand hartnäckig als sein Stellvertreter ausgibt und sich für unfehlbar hält. Ich glaub nicht, dass es ihm gefällt, dass man ihm krause Ansichten als ’sein Wille‘ unterstellt.
Ich verwette mein Gesäß: Brimborium und Geplänkel Mummenschanz und Rumgeprotze gehn ihm auf den Senkel. Dieses Ringeküssen, diese selbstgefäll’gen Frömmigkeiten, dies in seinem Namen Eselei’n und Torheiten verbreiten. Glaubt ihr, dass er will, dass irgendwer an seiner Stelle spricht? Irgend so ein kleines Licht? Ich glaube nicht!
Ich glaub‘ nicht, dass er in seiner Weisheit, seinem ew’gen Rat sowas Abartiges ausgeheckt hat, wie den Zöllibat. Denn sonst hätt‘ er sich zum Arterhalt was andres ausgedacht und uns nicht so fabelhafte Vorrichtungen angebracht. Welch ein Frevel, daran rumzupfuschen, zu beschneiden, zu verstümmeln! Statt sich dran zu erfreu’n, dran zu leiden.
Und wenn Pillermann und Muschi nicht in den Masterplan passen, glaubt ihr nicht, er hätt‘ sie schlicht und einfach weggelassen? Glaubst du Mensch, armsel’ger Stümper, du überheblicher Wicht, dass du daran rumschnippeln darfst? Ich glaube nicht!
Ich glaub‘ nicht, dass ihm der Höllenlärm etwas bedeutet, wenn man in die göttliche Ruhe hinein die Glocken läutet. Ich bin sicher, dass er es als schlimme Lästerung betrachtet, wenn man, um ihn zu bestechen, kleine Lämmerchen abschlachtet. Und er muss sich sofort übergeben, denkt er nur ans Schächten, oder an die schleim’gen Heuchler, an diese gottlosen Schlechten, die scheinheilig die Kinderlein zu sich kommen lassen und ihnen in die Hose fassen.
Ich glaub‘ nicht, dass er in euren pompösen Palästen thront. Ich glaub‘ eher, dass er beim geringsten meiner Brüder wohnt. Eher bei den Junkies, bei den Trebern im Park als in Rom, eher in den Slums, den Schlachthöfen, den Ghettos als im Dom. Im Parterre bei Oma Krause, in der Aldi-Filiale, eher auf dem Straßenstrich als in der Kathedrale, Wo Schiefköpfige, Händeknetende Schuldgefühle schüren, Eitel, selbstgerecht, als würden sie ihn an der Leine führen. Eher als in eurer düstren, modrig-lustfeindlichen Gruft, Sitzt er unter freiem Himmel in der lauen, klaren Luft, neben mir auf der Bank vor der Gartenlaube, bei einer Flasche Deidesheimer Herrgottsacker. Ja, ich glaube! Ja, ich glaube!
Wenn des Lebens Abenteuer noch an jeder Ecke warten, fühlt man langer Wagnis Feuer, durch das viele Pläne starten.
Wo der Weg bereitet liegt, frei von Steinen oder Stufen. Wo Barrieren frei er biegt, hin zu unbekanntem Rufen.
Wie ein Blinder vorwärts geht, ohne Licht, doch zielbewusst. Geht ein jeder, und er strebt froh ergeben und mit Lust.
Fühlt und tastet sich voran, sieht sich schicksalhaft geführt. Stolpert er auch dann und wann, bleibt sein Streben unberührt.
Ohne Ende scheint der Weg. Vor ihm liegt ein fernes Ziel?! „Gib nur alles, und du bleibst!“, wird für ihn ein Pflichtgefühl.
Wund gelaufen ist der Fuß, muss bald kleine Schritte gehn. Ihm entzieht sich manches Muss und die Zeit um ihn bleibt stehn.
An der Schwelle angelangt zögernd noch der letzte Schritt. Lauscht des Liedes Abgesang, nimmt den Glanz des Himmels mit.
Bis zum Abschied von der Welt blüht ein jeder in der Zeit. Erst wenn Blatt und Blühte fällt, vereint uns Gott und Ewigkeit.
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