Der Winter schmilzt in warmen Händen, vom Tau berührt liegt er im kalten Bett. Der Februar steht vor der Tür und wenden wird sich im März der Eisige und geht. In kalten Nächten glitzern Eiskristalle, beleuchtet von der kühlen Sternenpracht; sie funkeln, wie ein Diamant für alle, die ihre Botschaft lesen in der Nacht. Der Frühlingsahnung schicksalhaftes Keimen, das leise, wie ein stilles Mahnen weht, tanzt mit der Hoffnung unter Weltenbäumen, von weisen Schicksalsgöttinnen ins Land gesät.
Monat: Januar 2024
Warme Gedanken
Winterschwere fall aus Bäumen,
wärme auf das Herz der Menschen.
Lass sie in der Sonne träumen,
schmück die Welt mit grünen Kränzen.
Wenn die lichten Strahlen gleiten,
wird die Schwere leicht und hell.
Löse ab die dunklen Zeiten,
sei des Lebens Blütenquell.
Gedanken
Gedanken folgen mir durch alle Räume, wo ich auch bin, da sind sie treu und nah; durchleben einen Tanz durch meine Träume, wenn ich alleine bin, dann sind sie da. Begleiten mich vor meines Hauses Türe, beschützend legen sie den Kreis zum Bann. Sie zünden Lichter an, damit ich’s spüre, zur Zeit der grauen Stunde, irgendwann. Sind wie Geschichten aus Erinnerungen, erzählen mir so manches, was geschah; wenn sie gar fragend, vorwurfsvoll geklungen, zünd‘ ich das innere Licht und sehe klar. Zu keiner noch so fernen Stätte sind sie Begleiter aus dem heimatlichen Raum; sie sind wie Freunde, die ich gerne hätte, in bittersüßen Zweifeln, Wahrheitstraum. Sie sind wie Blumen mir an Wintertagen, in aller Pracht erblüht, bunt, duftig schön, sie stellen mir die allertiefsten Fragen und werden in der Flüchtigkeit vergehen.
Shlof, majn Kind
„Shlof, majn Kind, majn trejst“ von Thomas Friz (1950-2023) eigener Veröffentlichung „Jiddische Lieder“ (1987) – Zupfgeigenhansel.
Shlof mayn kind Shlof mayn kind, mayn treyst mayn sheyner Shlof zhe, lyu-lyu-lyu! Shlof mayn lebn, mayn kadish eyner, Shlof zhe, zunenyu. Bay dayn vigl zitst dayn mame, Zingt a lid un veynt. Vest a mol farshteyn mistome Vos zi hot gemeynt In Amerike iz der tate Dayner zunenyu, Du bist nokh a kind lesate, Shlof zhe, shlof, lyu-lyu. Dos Amerike is far yedn, zogt men gor a glik, Un far Yidn a gan-eydn, Epes an antik. Dortn est men in der vokhn Khale, zunenyu. Yaykhelekh vel ikh dir kokhn, Shlof zhe, shlof, lyu-lyu. Er vet shikn tsvantsik dolar, zayn portret dertsu, Un vet nemen, lebn zol er, Undz ahintsutsu. Biz es kumt dos gute kvitl, Shlof zhe zunenyu, Slofn iz a tayer mitl, Shlof zhe, shlof lyu-lyu. | Schlaf kleiner Sohn. Deine Mutter sitzt an deiner Wiege, singt ein Lied und weint. Eines Tages wirst du ihr Weinen verstehen Und was sie dachte. Dein Vater, kleiner Sohn Ist in Amerika Währenddessen bist du noch ein Kind Schlaf, schlaf, lyu-lyu. Man sagt, Amerika ist eine Freude für jeden. Und für Juden ist es ein Paradies Eine Seltenheit. Dort, während der Woche Sie essen Khale-Brot kleiner Sohn. Ich werde dir dort Brühen kochen, Schlaf, schlaf, lyu-lyu. Dein Vater wird zwanzig Dollar schicken und auch sein Foto, Und er wird uns dorthin bringen, Möge er lange leben. Bis die guten Dinge kommen, Schlaf, mein Sohn, Schlaf ist ein göttliches Heilmittel, Schlaf, schlaf, Lyu-Lyu. |
Solomon Naumovich Rabinovich, besser bekannt unter seinem Pseudonym Sholem Aleichem, war ein führender jiddischer Autor und Dramatiker. Das Musical Fiddler on the Roof, das auf seinen Geschichten über Tevye the Dairyman basiert, war der erste kommerzielle Erfolg…
Gitarrist: Gerhard Graf-Martinez
English translation © Helen Beer
Sleep My Child
Sleep my lovely child, my comfort,
Sleep, lyu-lyu-lyu!
Sleep, my life, my kadish
Sleep little son.
Your mother sits at your cradle,
Sings a song and weeps.
One day you will understand her weeping
And what she thought.
Your father little son
Is in America
Meanwhile you are still a child
Sleep, sleep, lyu-lyu.
They say that America is
a joy for everyone.
And for Jews it’s a paradise
Something of a rarity.
There, during the week
They eat khale-bread little son.
I will cook you broths there,
Sleep, sleep, lyu-lyu.
Your father will send twenty dollars
and his photo as well,
And he will bring us there,
Long may he live.
Until the good things come,
Sleep little son,
Sleep is a god remedy,
Sleep, sleep lyu-lyu.
Poet
Sholem Aleichem
Solomon Naumovich Rabinovich, better known under his pen name Sholem Aleichem, was a leading Yiddish author and playwright. The musical Fiddler on the Roof, based on his stories about Tevye the Dairyman, was the first commercially successful…
Gitarrist: Gerhard Graf-Martinez
Erleuchtet sein
Den Weg des Mühsals und des Leids zu gehen, sich auf dem Weg des Kummers selbst zu finden, die Dunkelheit, die um uns ist, erleuchtend sehen und ewige, spirituelle Wahrheiten ergründen. Das Leben plätschert oft dahin und lenkt uns ab und was es gibt, sind materielle Dinge, die zieht die Zeit ins dunkle Erdengrab; nie hat der Mensch gedacht, dass er verginge. In leeren Hüllen liegt der Menschheit Plan, war schmerzhaft Vorbereitung, ein Geschenk, und unter fremdem Wissen fängt man an, erfüllt zu sein, mit einer Kraft, die lenkt. In Harmonie lebt dann die Seele auf der Welt und drückt sich aus in Geistesgaben; kein Streben mehr nach Überfluss und Geld, nur ihr Geburtsrecht fühlt sie, kostbar und erhaben. Sie teilt den Reichtum ihres Wissens, denn wer will, kann gleich, wie sie, den Weg der Schönheit gehen, mit würdevollem Glanz geadelt sein, um die Gesetze Gottes zu verstehen.
Gedanke und Tat
von Ephides
Das Tun liegt nicht in der Tat, denn sie ist nur die letzte Auswirkung des Tuns. Das Tun liegt auch nicht im Denken, denn die Gedanken sind die Zuleitungskanäle, die reines und getrübtes Wasser führen können.
Das Tun liegt jenseits des Werdenden und Gewordenem im Reich der Wirklichkeit. Dort seid ihr Mitwirker am Weltengeschick, dort fallen die Entscheidungen.
Auf Erden scheidet ihr die Taten in rechte und unrechte nach Rechtsbegriffen, die mit den Zeiten wechseln und damit beweisen, dass sie dem Reich der Auswirkung und nicht der Wirklichkeit angehören.
Die Menschen meinen die Welt verbessern zu können, wenn sie Taten erzwingen oder Taten unterdrücken. Aber sie setzen nur Gewalt gegen Gewalt, Irrtum gegen Irrtum.
Es will der Mensch den Frieden, aber er meint ihn erkämpfen zu müssen und bleibt damit auf dem Schauplatz des Kampfes und wundert sich, dass der Friede ihn flieht. Es sucht der Mensch einen Rastpunkt für seine Unrast, und sucht und sucht, und bleibt damit im Land der Rastlosigkeit und findet keine Stillung seiner Unrast.
Es quält den Menschen, dass seine Gedanken, die Zuleitungskanäle, getrübtes Wasser führen, und er müht sich, das Wasser zu klären, und müht sich vergeblich, weil immer neues trübes Wasser zufließt.
Es gibt nur eines: Die Quellen aufzusuchen und mit ihrem reinen Wasser die Kanäle zu speisen. Dann wird das reine Wasser das getrübte Wasser ersetzen. In den Frieden einzutauchen, aus den Quellen zu trinken und so gestärkt den Frieden auch im Land der Unrast zu behalten.
Sich den Quellen zu nähern und mit jedem Schritt eine neue Erkenntnis, ein tieferes Verstehen, eine größere Liebe erwerben.
Und die Ereignisse, die der Mensch nicht beherrschen konnte, als er im Reich der Auswirkung gegen sie kämpfte, werden sich wandeln und werden sich verändern, weil er sich gewandelt und verändert hat.
Das ist der Sinn des Heilands-Wortes: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch dieses alles zufallen.“
Fruchtbarkeit
Den Boden bereiten, die Fruchtbarkeit lösen, Bedingungen schaffen, die notwendig sind, damit auf den bloßen Häuptern des öden, die Schollen erwachen durch Sonne und Wind. Ist wie ein Mensch, der die Welt nicht versteht, damit den Geist und das Wachstum hemmt; sieht, wie auf Erden das Leben vergeht, wenn er sich gegen die Göttlichkeit stemmt. Der Ur-Keim ist da, vom Schöpfer gepflanzt - hat Wachstum nur in fruchtbaren Reihen; bestellt den Boden, dann wird hier mit Glanz und wachsender Schönheit das Blühen gedeihen.
Wetterleuchten
Durch fernes Leuchten brechen die Töne, wie tanzende Feen in die Nacht hinein. Changierende Kleider umhüllen die Schönen, in schwingendem Licht, mit den Sternen allein. Wo wird die Welt heut‘ in Stürmen getrieben, reinigen Wetter den Tag mit Verdruss? Wo wird sich Wohlstand verheerend verschieben, Schwächliche groß sein, im Überfluss? Wie schwarz der Abgrund, wer Bezwinger der Mächte? Der Tanz geht voran in den Himmel hinein! Auch in den dunkelsten Heimweh-Nächten, in todkranker Zeit wird Gott Retter sein. Das sind die Stunden, da wachsen die Taten, in denen edle Gedanken erwachen; die leidende Zeit wird ins Grübeln geraten, wird sich befreien und Frieden machen.
Winterwald
von Ernst Preczang (1870-1949)
Weiß steht der Wald. Du wandelst still und weltentrückt einsame Pfade. Der Himmel schüttet lichte Gnade auf alles, was hier funkeln will. Die Wipfel glühn, und Ast bei Ast entlodern in das große Schweigen; Sprühfunken rieseln von den Zweigen und ihrer silberschweren Last. Mit einer Riesenmütze schaut der Busch aus schneeverklärten Gründen, und alle Glockensternchen zünden den Märchenglanz auf Moos und Kraut. Breit fließt des Tages helle Macht, ein Meer, dahin in sanften Wellen, und aus den letzten Winkeln quellen siehst blitzend du die weiße Pracht. Es schweigt der Wald. Doch leise schwingt um dich ein Lied aus fernsten Auen. Du hörst es nicht. Du kannst nur schauen. Und hörst es doch: das Licht, es singt.
Schlittenfahrt
Früher kannten wir noch Winter, und die Schneelast, die sich türmte; waren wild verspielte Kinder, die selbst draußen, wenn es stürmte, rannten durch die dichten Flocken - fuhren Schlitten, viele Stunden, um in weißer Pracht zu hocken und die Schneewelt zu erkunden. Hügel rauf und wieder runter, hei, die Luft war voll mit Lachen; rot die Wangen und darunter, unter unseren dicken Sachen, die von Mutter fein gestrickten Fäustlinge – sorgsam verbunden. Wenn sie uns nach draußen schickte, wär‘ sonst einer bald verschwunden. Frierend gingen wir nach Hause, weinend wärmten wir die Hände nach durchnässter Schlitten-Sause, doch der Schmerz schien nicht zu enden. Doch bereits nach Tagerwachen, hinter Eis beblümten Scheiben, ließ das schneebeglückte Lachen uns erneut ins Freie treiben.