Auferstanden im Licht

Bild von Stefan Keller auf Pixabay
Die Stürme sind los, im lenzlichen Prangen,
des ersten Blühens im Land ohne Frieden,
wo Regengüsse die Böden erlangen,
der Häuser, die dachlos, wo Leben vertrieben. 

Gemächer, so schutzlos, die Wände zerbrochen,
der bröckelnden Mauern, knirschend‘ Gebälk.
Hält denn noch stand, was den Tod gerochen,
was nicht wankt und im heren Wunsche nicht fällt?

Himmel, er dunkelt trüb über dem Felde,
Wolkentreiben weint auf unsere Not.
Alles ist fort! – Dort auf dem Minenfelde
keimte Korn, letztes Jahr, für unser Brot.

Doch die Natur lässt sich nicht besiegen;
Trauerweiden verschleiern die Sicht.
Ob schon die ersten Schneeglöckchen blühen?
Zwischen Ruinen sieht man sie nicht.

Irgendwo draußen wird es wieder grünen -
österlich leuchtend, der Horizont.
Die Leiber getötet, dem Guten dienend,
auferstehen im Licht, wo die Liebe wohnt. 

Zeitlos und ewig

Quelle: Pinterest
Es fließt die Zeit, und in Sekunden ist ein Bild,
ein Bild, das fesselte und um Beachtung rang,
ganz aufgelöst im Nichts. Das ist sein Gang.
Doch schon ein neues Bild, in neuem Kleid,
folgt ihm, dem Werdegang der Zeit.

Löst sich das eine, nimmt sie mit sich fort,
den letzten Augenblick an einen andren Ort.
Dort träumt die Zeit mit uns, am Tag und nächtens,
wie Filme aufgereihte Bilder, dass sie brächten,

nur Fortgang und Erneuerung im Leben.
Die Zeit wird Bilder in die Seele weben,
in hell und dunkel, wo Momentaufnahmen,
bedrückend finster und in Strahlen kamen. 

Wo immer sich der Hoffnungsschimmer breitet,
die Zeit in schnellem Schritt darüberschreitet.
Zeitlos, wie Einer, der einst über Wasser ging,
wie er nicht untergeht, so trägt er uns darin. 

Unvergessen

an eine Freundin
John William Waterhouse (1849-1917)
Du, edle Perle, hast den Glanz verloren;
die Jahre legten bloß, den trüben Kern.
Mit hohem Haupt glichst du, wie auserkoren, 
dem Burgfräulein vom andern Stern. 

Die stolze Rose ist schon lang verblüht.
Verblasst die Farbe - rosig war dein Leben.
Darnieder liegt dein Leib. Man ist bemüht,
dir Kraft für deinen letzten Weg zu geben. 

In Krämpfen liefst du letzte, kurze Wege,
immer dieselben, kilometerlang im Kreis.
Das Sitzen war dir Qual; warst im Gehege,
das blickerlahmte Tier, das sich zerreißt.

Die letzten Worte waren unverständlich,
die du in deinem Krankheitswahn gesprochen.
Du warst noch jung, es wurde unumgänglich,
der Stab des Schicksals über dir gebrochen.

Dein Heimatort, die Menschen waren fort,
mit denen du dein gutes Leben teiltest.
Man gab dich hin, an einen anderen Ort,
an dem nur Alte waren, wo du weiltest. 

Dein Geist ist dir verhängnisvoll genommen,
du hast geweint, als er vor Jahren ging.
Mit ihm ist jedes Bild in dir verschwommen,
an denen tränenreich Erinnerung hing. 

Vor vielen Jahren hab ich dich verloren,
an eine Krankheit, die den Lauf der Dinge
so anders machte und geschworen, 
dass in Gedanken ich dir Rosen bringe. 

Zahlenmystik – 13

Dornröschen – Scherenschnitt von Lotte Gützlaff (geboren 1892 in Berlin)

Die Gematrie – das ist die Interpretation von Worten mit Hilfe von Zahlen, habe ich hier noch einmal im Bild dargestellt:

Sie beruht auf der Tatsache, dass im griechischen und im hebräischen Alphabet den Buchstaben aufgrund ihrer Stellung im Alphabet bestimmte Zahlenwerte zugeordnet sind.

Angeblich soll die Kabbala erst um 1200 entstanden sein, wobei diese Zahlenmystik sehr viel älter sein muss, da die gesamte Bibel davon ‚durchzogen‘ ist. Mathematik hat einen mystischen Hintergrund. Durch Rechnen 1+3 erhält man das Resultat 4. Beinhaltet die 4 nicht vier Schichten, die schrittweise vollzogen 1+2+3+4 mit dem Resultat 10 ergeben müsste?! So erklärte bereits Pythagoras (570-510 v. Chr.) , in der 4 liegt die ganze Welt.  Ein Hauptelement der frühen pythagoreischen Zahlenlehre war die Tetraktys („Vierheit“), die Gruppe der Zahlen 1, 2, 3 und 4, deren Summe die 10 ergibt.

Die seit dem Mittelalter von der Kirche verbreitete Mär vom ‚bösen Juden‘ lässt erahnen, dass nicht nur dieser Irrglaube der 13, als Unglückszahl, nach und nach in den allgemeinen Volksglauben überging.

Das letzte Abendmahl

Grund dafür war Judas, ein Jünger von zwölf, der als Verräter des Jesus von Nazareth Schuld an dessen Gefangennahme und Ermordung trug. Jesus war demnach 13. Person und Mittelpunkt in dieser Runde.

Die Zahl 13 ist nur durch sich selbst und durch die Zahl 1 (Gott) teilbar; sie ist eine Primzahl und trägt den Buchstaben MEM =Mutter. Dieser Buchstabe des hebräischen Alphabetes  lockt den Geist in die Materie hinein und vermaterialisiert ihn bei der Geburt als Mensch. Das bedeutet für den Geist Tod, allerdings nur einen Scheintod. Der Geist wird wie Christus auferstehen, wenn er in der Materie selbstbewusst geworden ist. Dann wird er sich nicht mehr mit seinem sterblichen Körper identifizieren, sondern weiß, dass er den Körper nur als ein Offenbarungswerkzeug braucht. Er ist nicht selbst Körper und wird es nie sein. MEM steht auch für alle Wiedergeburten, die aus vorangegangener Zerstörung entstehen. So ist die Tarotkarte 13 der Sieg des Geistes, gleichzeitig Ende und Anfang.

Jeder Kreis trägt sieben kleinere Kreise in sich, also ein Drittel des Durchmessers des großen Kreises. Die dreidimensionale Protektion eines Kreises ist eine Kugel. So trägt eine dieser kleineren Kugeln, dreizehn kleinere Kugeln in sich, deren Durchmesser genau ein Drittel des Durchmessers der großen Kugel ist. Dieser Aufbau zeigt, dass die 13. Kugel in der Mitte ‚verschwunden‘ ist. In den Augen der Welt liegt sie begraben von den anderen, ist also tot. Deshalb bedeutet die Zahl 13 im Tarot „Tod“.

Deshalb mögen Menschen diese Zahl nicht. Da agiert etwas Unfassbares im Hintergrund.

Die Zahl 12 gilt als Maßstab der Zeit = Stunden / Monate / Jahr /Tierkreiszeichen.
Die Zahl 13, die danach kommt, geht an der Zeit vorbei, ist nicht nennbar, nicht vorhanden – ein Geheimnis, das über die Zeit hinausweist.

Auch im Märchen „Dornröschen“ finden wir diese Zahlen. Zwölf Feen sind zum Fest geladen, um das Mädchen zu segnen, eine dreizehnte übergeht man, weil für sie kein Goldteller mehr da ist. Die übergangene 13. Fee verzaubert das Mädchen und lässt sie 100 Jahre schlafen, obwohl sie sie ursprünglich töten wollte. Nach dieser ‚Ruhezeit‘ wird sie durch Liebe wieder lebendig gemacht.

So wurde eine Entwicklungsperiode beendet und eine neue kann begonnen werden.

Aschermittwoch

Aschermittwoch – Carl Spitzweg (1808-1885)
Die Maske fiel. Alles vorbei!
Entblößt das wahre ICH im Spiegelbild.
Das Ende einer bloßen Gaukelei.
Es zeigt ein trauriges Gesicht,
ganz unverhüllt.

Du spielst die Rolle deines Lebens,
mit oder ohne Kreuz auf deiner Stirn.
Nur ein paar Tage suchtest du vergebens
in einem andern ICH dich zu verlier’n.

Doch du erwachst, nach Alkoholgenuss
erkennst zu spät das Übel deines Tuns.
Gefangener im Kerker deines Frusts,
wünscht du dir Asche auf dein Haupt
und kannst nicht ruhn.

Frühlingserwachen

Dichtung von Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772-1801), genannt „Novalis“

Rezitation: Fritz Stavenhagen

Anmerkung: Die Synthese von Seele und Leib heißt Person. Die Person verhält sich zum Geist wie der Körper zur Seele. Sie zerfällt auch einst und geht in veredelter Gestalt wieder hervor. (Novalis)

Es färbte sich die Wiese grün
Und um die Hecken sah ich blühn,
Tagtäglich sah ich neue Kräuter,
Mild war die Luft, der Himmel heiter.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Und immer dunkler ward der Wald
Auch bunter Sänger Aufenthalt,
Es drang mir bald auf allen Wegen
Ihr Klang in süßem Duft entgegen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Es quoll und trieb nun überall
Mit Leben, Farben, Duft und Schall,
Sie schienen gern sich zu vereinen,
Dass alles möchte lieblich scheinen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

So dacht ich: ist ein Geist erwacht,
Der alles so lebendig macht
Und der mit tausend schönen Waren
Und Blüten sich will offenbaren?
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Vielleicht beginnt ein neues Reich
Der lockre Staub wird zum Gesträuch
Der Baum nimmt tierische Gebärden
Das Tier soll gar zum Menschen werden.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Wie ich so stand und bei mir sann,
Ein mächtger Trieb in mir begann.
Ein freundlich Mädchen kam gegangen
Und nahm mir jeden Sinn gefangen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Sie ging vorbei, ich grüßte sie,
Sie dankte, das vergess ich nie.
Ich musste ihre Hand erfassen
Und Sie schien gern sie mir zu lassen.
Ich wusste nicht, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Uns barg der Wald vor Sonnenschein
Das ist der Frühling fiel mir ein.
Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden
Die Menschen sollten Götter werden.
Nun wußt ich wohl, wie mir geschah,
Und wie das wurde, was ich sah.

Unausweichlich

Christer Karlstad (*1974), norwegischer Maler
Sind dir geraubt des Lebens flücht’ge Gaben,
nachdem du Haus und Garten wohl bestellt,
und alle hohen Bäume, die Jahrzehnte waren,
der Axt gewichen, schonungslos gefällt?

Ist das genommen, was du tief empfunden,
ging Liebe fort aus deinem Lebensbild,
sind mit ihr deine Ziele hin, verschwunden
und letzte Spuren aus dem Herz gespült?

Hast du dich aufgegeben, fest entschlossen,
dein Dasein zu beenden, das dich plagt?
So schicksalshadernd, hat sich Frust ergossen,
dass du am Leben und am Leid verzagst.

Und allem Beileid tröstend Menschenwort,
das fiel von dir herab, als Unverstand.
Du wünschtest dich an einen anderen Ort,
an dem Verschwundenes nicht mehr verband. 

Der stolze Baum steht auch mit kahler Krone,
erträgt im Lebenskampf des Sturmes Biegen,
damit er manches Vogelnest verschone,
wird sie mit letzter Kraft am Boden liegen. 

Der Mensch allein hebt gegen sich die Hand,
will nichts aus Lebenskraft den anderen reichen;
sieht nicht der Bäume zugedachten Stand,
bereit, viel Frucht zu tragen statt zu weichen.

Vorfreude

Musik: Frederick Theodore Albert Delius (1862-1934)

Bald öffnen sich die Tore…
will ihn willkommen heißen,
ihm ohne viel Furore
im Geist entgegenreisen.

Bin längst des Frierens müde,
reiß alle Fenster auf,
damit ein Strahl sich grübe
vom hohen Sonnenhaus.  

In warmen Sommerhänden
wiegt mich mein Traum sodann;
er kommt mir sehr gelegen, 
damit ich hoffen kann.

Dann streicheln mich die Schatten,
das Dunkel schwindet schnell,
Das Licht auf den Rabatten 
macht Taggedanken hell. 

Sehnsuchtsfluss

Aquarell von Paul Hedley – Quelle: Pinterest
Der Sehnsuchtsfluss – gesäumt von grünen Staden,
er fließt vorbei an ausgetret’nen Pfaden,
gefestigt, hart, am Boden Stein für Stein,
als sie vom Herzen fielen, es erkalten ließen,
um schließlich selber Stein zu sein.

Es war ein junger Tanz an wilden Ufern,
schier unbefestigt, wie ein urig‘ Ding,
ein Folgen und ein Eilen zu den Rufern, 
wie Sehnen, welches hungrig nach Erfüllung ringt. 

Doch was ich fand, waren nur Traumgestalten,
die mir das Dickicht meiner Sehnsucht banden,
und fern des Flusses, sah ich, sie verschwanden.

Nur schleppend lass‘ ich los, die Bilder ferner Jahre,
der falschen Liebe und der tödlichen Gefahren,
um sehnsuchtsleer den trüben Glanz zu wahren.

Doch manchmal lausche ich dem fernen Fließen,
schau zu, wie Wellen kräuselnd sich ergießen, 
hör‘, wie es rauscht. - ER half mir zu verstehen,
wo jeder Stein befestigt tiefen Grund,
kann Wasser treiben an des Ufers Rund. 

So wandelt Wehmut sich zum Fundament,
so wird zum Segen, was man Leiden nennt.