Wie ich dich liebe, ist schwer zu beschreiben: Du fließt in all mein Denken und Tun! So wie die Blumen, zur Sonne sich neigen, lässt dies Gefühl in mir niemals mich ruh’n.
Stets ist es da, so mächtig und bindend, dass alles andere ganz unwichtig wird. In deinen Augen, so tief wiederfindend, dass meine Seele den Weltschmerz verliert.
Herzschlag an Herzschlag spür ich deine Nähe, wie sich dein Geist mit dem meinigen eint. Hoffnung, tief in mir, dass niemals vergehe, was uns verbindet und so einzig erscheint.
Du bist als Mensch so besonders und wichtig – nie hab ich Gleiches schon einmal verspürt. Dein Blick – so tief, doch der Alltag macht nichtig, was unsere Seelen zusammengeführt.
Reine Gedanken, entfesselte Triebe, halten das unsichtbar schmiegende Band. Worte, gesprochen, geschrieben in Liebe, sind wie ein Wandeln an weltfernem Strand.
Wenn die Liebe dir winkt, folge ihr, sind ihre Wege auch schwer und steil. Und wenn ihre Flügel dich umhüllen, gib dich ihr hin, auch wenn das unterm Gefieder versteckte Schwert dich verwunden kann. Und wenn sie zu dir spricht, glaube an sie, auch wenn ihre Stimme deine Träume zerschmettern kann wie der Nordwind den Garten verwüstet. Denn so, wie die Liebe dich krönt, kreuzigt sie dich. So wie sie dich wachsen lässt, beschneidet sie dich. So wie sie emporsteigt zu deinen Höhen und die zartesten Zweige liebkost, die in der Sonne zittern, steigt sie hinab zu deinen Wurzeln und erschüttert sie in Ihrer Erdgebundenheit. Wie Korngarben sammelt sie dich um sich. Sie drischt dich, um dich nackt zu machen. Sie siebt dich, um dich von deiner Spreu zu befreien. Sie mahlt dich, bis du weiß bist. Sie knetet dich, bis du geschmeidig bist; Und dann weiht sie dich ihrem heiligem Feuer, damit du heiliges Brot wirst für Gottes heiliges Mahl. All dies wird die Liebe mit dir machen, damit du die Geheimnisse deines Herzens kennen lernst und in diesem Wissen ein Teil vom Herzen des Lebens wirst…
Khalil Gibran (* 6. Januar 1883 als Gibrān Khalīl Gibrān bin Mikhā’īl bin Sa’ad arabisch جبران خليل جبران, DMG Ǧibrān Ḫalīl Ǧibrān in Bischarri, Osmanisches Reich, heute Libanon; † 10. April 1931 in New York
aus: Die Leiden des Jungen Werthers – J. W. von Goethe
Was weinst du, Kind? Weil deine Hoffnungen gestorben sind? Ach, Hoffnungen, die sterben können, sollst neidlos du dem Tode gönnen. Sie waren Schein, dem Leben lieh allein nur deine Seelenkraft, die immer wieder neue Hoffnungsbilder schafft.
Was weinst du, Kind? Es trug nur welke Blätter fort der Wind, doch deine Kraft des Grünens ist geblieben und schenkt dir größ’re Hoffnung, rein’res Lieben. Enttäuschung ist ein Meilenstein und misst den Weg und deine Kraft. Wohl dir, wenn er dir zeigt, wie nah das Ziel der Wanderschaft!
Was weinst du, Kind? Es war die Gotteshand, sie hat nur lind den Schleier von den Augen dir genommen. Das Ende deiner Täuschung ist gekommen, und du erschaust die Wahrheit, und erbaust ein neues Hoffnungsbild, das nicht von dieser Erde ist und darum ewig gilt!
Die letzten Blätter fallen von den Zweigen und auf den Straßen liegt das nasse Laub. Tief sich die Äste der Platanen neigen und Regen mischt sich mit dem Straßenstaub.
Von Ferne naht die Nacht mit dunklen Schatten und um die Häuserecke pfeift der Wind. Ein braunes Blatt tanzt auf den Gehwegplatten, die feuchte Luft macht Fensterscheiben blind.
Spinnweben glänzen nass in letzten Sonnenstrahlen; ein Regenbogen spannt sich über Stadt und Land. Mit voll bepackten Zweigen die Kastanien prahlen – stehn majestätisch dort am Straßenrand.
Hör’ fern vom Kirchturm her der Abendglocke Ton. Ihr Klang ist anders als an Sommertagen. Die graue Stille ist des Herbstes Handwerkslohn – es wird bald Winter, will das Läuten sagen.
Und oft in dieser finstren Totensonntags-Zeit, lässt sich ein Lichtstrahl durch die kahlen Äste gleiten. So wirst du Mensch – traf dich auch wehes Leid – zu neuer Hoffnung über Gräber schreiten!
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