von Johann Wolfgang von Goethe

Mein süßes Liebchen!
Hier in Schachtelwänden
gar mannigfalt geformte Süßigkeiten.
Die Früchte sind es heilger Weihnachtszeiten,
gebackne nur, den Kindern auszuspenden!


Gedichte und Poesie von Gisela Seidel über Gott und die Welt

Mein süßes Liebchen!
Hier in Schachtelwänden
gar mannigfalt geformte Süßigkeiten.
Die Früchte sind es heilger Weihnachtszeiten,
gebackne nur, den Kindern auszuspenden!



Es war noch klein.
Ein Kindlein, das allein den Weg nicht fand.
Es lief im Traum entlang an Dorf und Feld,
während es fern von aller Welt
ein Liedchen sang.
Es suchte einen Ort,
der Heimat war, wo man es kannte,
gütig es rief und es mit Namen nannte,
wo es geborgen und in Gottes Hand
am Abend schlief.
Die kleine Melodie
sang es in sich hinein, damit die Angst verflog,
und als es um des Weges Ecke bog,
da war ein Feuer angefacht,
wohl in der Nacht.
Es knisterte und loderte hinauf.
Staunend stand das Kind, schwieg und schaute.
Dort flackerte, als schon der Morgen graute,
die lichtumhüllte, engelhafte Kraft,
von Gott gebracht.

Es war das Licht der Welt
tief ihm im Kindersinn.
Die Sehnsucht blieb, der Traum, er ging.
Als tausend Lichter brannten an des Baumes Pracht,
lauschte das Kind dem ew’gen Lied
der stillen Nacht.

Sturmerprobt im morgenkühlen Meer –
das Geschrei des Abends ist verklungen,
in den Städten stand ein Männerheer,
freudenschussbereit und siegestrunken.
Ausgedient – das Alte scheint vergangen,
das mit kaltem Herzen folternd trieb;
Unschuld war im Spinnennetz gefangen,
deren Herrschaft man auf Fahnen schrieb.
Unter toten Steinen liegt das Erbe,
noch bedeckt von Trümmern und Verrat;
gebt, dass nach dem Aufbau nicht verderbe,
was der Tod versäumt und Leben gab.
Lass das Land auf leichten Wellen wiegen,
wie ein Schiff, das bald vor Anker geht;
lass es Unmoral und Hass besiegen,
unter neuer Flagge auf der LIEBE steht.

Morgenkühle Spätherbststille!
Misteln in den leeren Zweigen,
Nebelhauch aus feuchten Wiesen –
alles ist so hold und eigen.
Draußen treiben Sturm und Wetter –
wie ein Wehgeheul ihr Singen;
Blätter türmten sich zuhauf,
bis sie sturmbefreit vergingen.
Frostig schreitet der Dezember,
Raureif bildend, allerorten;
über Puderzuckerwelten
öffnen Himmel ihre Pforten.

Das Jahr ward alt. Hat dünnes Haar.
Ist gar nicht sehr gesund.
Kennt seinen letzten Tag, das Jahr.
Kennt gar die letzte Stund.
Ist viel geschehn. Ward viel versäumt.
Ruht beides unterm Schnee.
Weiß liegt die Welt, wie hingeträumt.
Und Wehmut tut halt weh.
Noch wächst der Mond. Noch schmilzt er hin.
Nichts bleibt. Und nichts vergeht.
Ist alles Wahn. Hat alles Sinn.
Nützt nichts, dass man’s versteht.
Und wieder stapft der Nikolaus
durch jeden Kindertraum.
Und wieder blüht in jedem Haus
der goldengrüne Baum.
Warst auch ein Kind. Hast selbst gefühlt,
wie hold Christbäume blühn.
Hast nun den Weihnachtsmann gespielt
und glaubst nicht mehr an ihn.
Bald trifft das Jahr der zwölfte Schlag.
Dann dröhnt das Erz und spricht:
„Das Jahr kennt seinen letzten Tag,
und du kennst deinen nicht.“


Schon sechzehn Jahre her
und längst verblasst –
doch manchmal zeigt ein Traum Gesicht.
Ist wie ein Bild,
das, in Erinnerung gefasst,
ganz tief im Herzen mir ein: „Schau mal!“, spricht.
Wie ein Gespinst
aus tausend Fäden Alltagsgrau,
in Wirklichkeit gewickeltes Geschehen,
erscheint sein Bild
mit Kindern, seiner Ehefrau
und fremden Frauen, die verborgen stehen.
Ghosting tat weh,
doch heute bin ich froh –
verschwunden ist, was nicht zu mir gehörte.
Betrogen hat er
alle Frauen, sowieso,
mit Leidenschaft, bevor er sie zerstörte.

Über allen Wolken liegt der Strahlenglanz
ungetrübter Sonne.
Schenkst du dich ihr ganz,
wird dein Leib nur unter Wolken gehen.
Deine Seele aber wird von oben sehn,
schneeig weiß,
ein sonnbeglänztes Meer…
Schau auf alle Dinge so:
von oben her!

Ferner Glocken helles Läuten,
das romantisch und erhaben,
binden Himmel und die Erde,
Menschen, die sich glaubend gaben.
In der Luft, da schneit es Töne,
die aus alter Bronze schlagen;
unberührt liegt Schnee am Wege –
heut‘ ist’s wie an stillen Tagen.
Müht der Eremit die Schwere,
eine Siedelei zu bauen,
um genesend von des Lebens
langem Siechtum zu ergrauen.
Heimatlich am See. Die Wolken
treiben ziellos in die Fernen;
seine Hoffnung zeigt gen Himmel,
schläft im Strohbett unter Sternen.
Der Kamin sprüht letzte Funken,
als das Haus im Schnee versinkt,
und es dämmert schon der Morgen
durch die Sonne, die ihn bringt.
Für das morgendliche Läuten,
bleibt des Klausners Ohr verschlossen,
denn kein Ton kann zu ihm dringen,
weil die Zeit von ihm geflossen.
Friedlich war des Körpers Schwere
in der Einsamkeit verblichen,
seiner Seele Kraft allein
in die Ruhezeit gewichen.
Als ob er von Geist getrieben,
glücklich von der Welt geschieden,
um ins Ewige versunken,
nur der Frömmigkeit zu dienen.

Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin – bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.


Die Morgenröte der Möglichkeiten
erwacht im Lichtstrahl der Erkenntnis;
der Dunkelheit entstiegen,
erweckt sein,
voll von Gottvertrauen,
Leben fühlen und getragen sein von Vollkommenheit,
die begeistert,
einen unbekannten Weg zu gehen,
das Wofür zu finden im tieferen Sinn,
ihn anzunehmen,
auf die Zukunft gerichtet durch höhere Macht,
von ersten zaghaften Schritten,
hin zur letzten Wegstrecke des Alters.
In der Stille der Dämmerung,
sich als Kind fühlen,
das geborgen ist im Gegenwärtigen,
deren Hände ruhen vor dem Dunkelwerden,
das im höchsten Glück vollendend geistig macht.