Bald schon wieder Festtagszeit!
Ein Jahr ist wie nichts verflogen,
Gegenwart so schnell vollzogen,
so, als hätt‘ sie sich befreit.
Frei von den vergang’en Lasten,
die so schwer zu tragen waren,
sind erinnernd, wie Gefahren,
die sich hin zur Zukunft tasten.
Immer drehen Schicksalsräder,
sind mal unten und mal oben;
weinend, lachend, jauchzend droben,
und das Los treibt sie in Gräber.
Wie am Baum die Jahresringe,
zeigen sich des Lebens Jahre;
von Geburtszeit bis zur Bahre
liegen längst vergang’ne Dinge.
Wenn die Kerzen angezündet,
lasst die Lichter weit erstrahlen,
denn das Leuchten gilt uns allen.
Friedenszeit ist uns verkündet!
Einst, auf asphaltfreien Straßen,
in den Zeiten nach dem Krieg,
als dort viele Kinder spaßten,
die der Tag ins Freie trieb.
Drinnen hingen Wäscheleinen,
füllten sich mit nassen Sachen,
in dem Wohnzimmer, dem kleinen,
war kein Platz zum Späße machen.
Wenn die Welt in Nebel sank
oder lag im tief Verschneiten,
war’n wir draußen, stundenlang,
spielten frierend in den Weiten.
Hatten rot gefror’ne Hände,
trotz der Fäustlinge am Bande,
die im Krieg zerschoss’nen Wände
boten Platz am Straßenrande.
„Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann?“,
klang das Spiel mit Kinderfragen,
niemand war vor’m weißen bang,
kein Mund wagte es zu sagen.
Und wir saßen auf den Steinen,
auf den alten Treppenstufen.
Unser Lachen, unser Weinen,
unterbrach nur Mutters Rufen.
Schmerzvoll taute jeder Finger,
auf dem Essen lag ein Schweigen,
und des Vaters ernste Miene
ließ mich schnell nach draußen treiben.
Wenn die Nacht den Sternenmantel breitet,
und die Zeit unmerklich vorwärtsschreitet,
sich die Lider fest geschlossen wähnen,
Schlafes trunken nach Traumbildern sehnen.
Lichte Gärten altbekannter Stätten,
wie Oasen sich in Wüsten betten,
und die Nacht, sie löscht des Tages Spuren -
bleibt im zeigerlosen Ticken alter Uhren,
Zifferblätter, zahlenlose Scheiben;
zeitlos geht die Nacht, im stillen Treiben,
wie die Schnecken - schleimige Gefährten,
deren Spur durchzieht geträumte Gärten.
Langsam wird die Nacht ins Traumland führen
und entschweben durch geschloss’ne Türen,
in die Welt, wo die schon längst Gegang’nen,
schweigend, neue Ewigkeit empfangen.
Jedes Leben eine Perle auf der Schnur.
Nur der Schlaf erlöst des Tages wehe Spur,
breitet sich im Unbewussten aus,
bringt den langen Schlaf von Haus zu Haus.
Das Lebensschiff ist wie ein Nachen
im alt und morsch geword‘nen Holz.
Obwohl schon manche Masten brachen,
treibt es im angemessenen Zoll.
Dem Wasser zugeneigt, dem Leben,
das unter ihm geheimnisvoll,
von Glut und Stürmen stets umgeben,
fährt es im vorbestimmten Soll.
Nie weicht es ab von seinem Ziele,
sucht ruhige Wege für die Fahrt,
bewegt die Flut der Wellenspiele,
mal steht es still, kein Lüftchen naht.
Langsam neigt sich die Fahrt dem Ende -
zieht die zerschliss‘nen Tücher ein.
Am jüngsten Tag der Zeitenwende,
wird es voll weißer Segel sein.
Ich war noch klein, ein unbeschrieb’nes Blatt,
das Leben bilanzierte Soll und Haben.
Was mir mein Dasein viel zu wenig gab,
liegt abgeschrieben unter Schmerz und Darben.
Ich wuchs heran in meinem Paradies -
geliebter Garten meiner Kinderzeit.
Im Haus, das mich einst einsam werden ließ -
die Eltern wussten nichts von meinem Leid.
Gehorchen musste ich der ‚schwarzen‘ Hetze,
Erziehung wurde eingebläut und nicht erklärt,
Prügel gab es, wenn ich mich widersetzte;
Liebe in diesem Weltbild war verkehrt.
1961
Man schleppte mich zum Urologen -
war nur ein kleines Mädchen von fünf Jahren,
hab dort voll Scham gelegen, ausgezogen,
musste ertragen, wies Erwachsene haben.
Ich hatte mich entblößt, es ausgehalten,
weil ich als Bettnässer missraten war.
Wer kümmert sich um die Gestalten,
die Liebe brauchten? Es war niemand da!
Die Mutter hat das Holz zerbrochen,
als sie mich wieder mal verdrosch.
Ich hab mich vor der Welt verkrochen,
als das Vertrauenslicht erlosch.
Als mich des Schicksals Flügel streiften,
nahm es mir einst die Liebe fort.
Verbindung, die vertraulich reifte,
wurde zum lügenvollen Ort.
Der Glanz des Glücks ist längst verschwunden,
mit ihm verschwand die Sehnsuchtspein.
Frei, in Erinnerung verbunden,
so sollen meine Jahre sein.
War nur Gefühl und Unvermögen,
zu halten, was nicht halten kann.
Mein Wunsch, dass wir zu Höhen flögen,
war nicht der seine, nur mein Plan.
Noch über mir die Flügelschatten,
fand nicht den Weg zum Neubeginn,
sah mich in Einsamkeit ermatten,
erschöpft erkannte ich den Sinn.
Alles im Außen musste sterben,
verging, verblasste und erlosch,
damit ich unter ‚Leichenbergen‘,
die Tür zum Innersten erschloss.
Es schenkte mir das Schicksal, was es nahm,
weil nun das Licht aus meinem Herzen kam.
Wie die Blätter einer Rose
fallen Tage, welk geworden,
in den Schoß, aus dem sie kamen.
Heißt das: Sterben und Vergehen?
Heißt das nicht: Das Wiederkehren
eines stets verjüngten Urbilds?
Auch der Bäume leises Frösteln,
wenn das grüne Kleid des Sommers,
sich verfärbend, niederrieselt,
teilt der Mensch. Er teilt Ermatten
und ihr großes Einsamwerden
und das frühe Schlafengehn.
So auch teilt er ihr Geheimnis,
sich im Tode zu erneuern,
ew’gen Werdens Kleid zu weben.
Also steht es aufgeschrieben
auf den Blättern aller Bäume,
auf den grünen und den welken!
Ach, dieser Monat trägt den Trauerflor...
Der Sturm ritt johlend durch das Land der Farben.
Die Wälder weinten. Und die Farben starben.
Nun sind die Tage grau wie nie zuvor.
Und der November trägt den Trauerflor.
Der Friedhof öffnete sein dunkles Tor.
Die letzten Kränze werden feilgeboten.
Die Lebenden besuchen ihre Toten.
In der Kapelle klagt ein Männerchor.
Und der November trägt den Trauerflor.
Was man besaß, weiß man, wenn man's verlor.
Der Winter sitzt schon auf den kahlen Zweigen.
Es regnet, Freunde. Und der Rest ist Schweigen.
Wer noch nicht starb, dem steht es noch bevor.
Und der November trägt den Trauerflor.
Christoffer Wilhelm Eckersberg (1783-1853) – Collage Pinterest
Jugend vergeht, mit ihr geh‘n Zukunftspläne,
man reist ins Leben und verändert sich,
und die Verluste fordern manche Träne,
weil auf dem Weg sich Licht und Schatten bricht.
Vor anderen zeigt man stolz Besitz und Status,
doch manchmal wiegt er schwer wie Blei und fällt.
Leben wird einsam, Weg von Pontius zu Pilatus,
wenn Geld zum dürft’gen Überleben fehlt.
Auf Sand gebaut, was auf Materie gründet,
bestandlos wird es sein, hält kurze Zeit.
Was man in den Gesichtern wiederfindet,
ist Hülle, Schale, nicht die Wirklichkeit.
Wir schauen in Spiegel und erkennen nicht,
dass wir das eigene Ich nicht fanden.
Ein fremder Schatten liegt auf dem Gesicht;
sich selbst zu finden, ist uns schier entgangen.
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