Schlittenfahrt

Früher kannten wir noch Winter,
und die Schneelast, die sich türmte;
waren wild verspielte Kinder,
die selbst draußen, wenn es stürmte,

rannten durch die dichten Flocken -
fuhren Schlitten, viele Stunden,
um in weißer Pracht zu hocken
und die Schneewelt zu erkunden.

Hügel rauf und wieder runter,
hei, die Luft war voll mit Lachen;
rot die Wangen und darunter,
unter unseren dicken Sachen,

die von Mutter fein gestrickten
Fäustlinge – sorgsam verbunden.
Wenn sie uns nach draußen schickte,
wär‘ sonst einer bald verschwunden.

Frierend gingen wir nach Hause,
weinend wärmten wir die Hände
nach durchnässter Schlitten-Sause,
doch der Schmerz schien nicht zu enden. 

Doch bereits nach Tagerwachen,
hinter Eis beblümten Scheiben, 
ließ das schneebeglückte Lachen
uns erneut ins Freie treiben. 

Schneeluft

Hell strahlt die Welt! Vom Weiß bedeckt,
glänzt freundlich kalter Himmelssegen.
Der Schnee, der hinterm Haus sich streckt,
liegt unberührt auf allen Wegen.

So zierlich wirkt des Vogels Tritt,
wenn er durchläuft die kalte Stätte;
bald knirschen Füße, Schritt für Schritt,
und reißen auf die weiße Decke.

Bizarr und blattlos stehn die Bäume -
die stets geduldig Schneelast tragen;
die kühle Luft weckt Frühlingsträume,
noch sind sie fern, die warmen Tage. 

Der Januar bringt Neujahresfrische,
die Welt hält still den Atem an,
bis alle winterleeren Tische
die Frühlingszeit bedecken kann. 

Winter-Idyll

von Christian Morgenstern (1871-1914)
Quelle: Pinterest
Schlitten klingeln durch die Gassen,
fußhoch liegt der Schnee geschichtet;
deutschem Winter muss man lassen,
dass er gar entzückend dichtet.

Und wir gehn, ein schneeweiß Pärchen,
Arm in Arm, mit heissen Wangen.
Welch ein süßes Wintermärchen
hält zwei Herzen heut gefangen!
Christian Morgenstern 1910

Sonnenaufgang

Bild von Wolfgang Dietz auf Pixabay
So kalt ist es heute Morgen,
so unbarmherzig der Wind!
Mit mir hinaus gehn die Sorgen,
die an meiner Seite sind.

Im Schnee verwehen die Pfade,
von anderen Menschen gegangen;
ich stapfe hinaus – alle Gnade
darf ich in der Schneeluft empfangen.

Die Welt ist erwacht und klirrend
sind die öden Straßen im Frost;
den Lärm des Verkehrs hör ich schwirren
und eisig weht es von Nordost. 

Nur ein kleiner Stern ist zu sehen,
der glitzernd am Himmel steht;
die kalten Stunden vergehen,
wenn die Sonne im Osten aufgeht. 

Kitt der Seele

Quelle: Pinterest
Kommt jetzt der Winter? Wo ist er geblieben?
Die Gier der Menschen hat ihn fortgetrieben!
Hier gibt es keinen Schneefall mehr,
nur warme Tage, klimaschwer.

Wo einstens früher Flocken tanzten,
Eisblumen sich auf Fenster pflanzten,
stieß Glaserkitt gefasstes Glas,
auf isoliertes Doppelglas. 

So abgegrenzt von der Natur,
verließ der Mensch gerahmte Spur,    
ist schöpfungsreich durch Wissenschaft,
Gott, der sie führt, den schafft sie ab. 

Lass doch den Schneefall wieder treiben!
Mein Opa flickte alle Scheiben
mit Fensterkitt in Ölpapier.
Sei DU der Kitt der Seele mir! 

Kalte Welt

Beendet sind die Erntefeiern,
die Scheunen voll, das Werk getan;
die Erde lag mit grauen Schleiern
des Herbstes voll, der Frost voran.

Er malte weiß, mit kalter Tünche,
bedeckte Baum und Strauch und Welt;
die Dächer deckten Weihnachtswünsche,
von Flocken prächtig dargestellt.

Durch jede Schonung geht ein Raunen -
es sägt der Tod der Bäumchen viele.
Ob manchmal noch die Kinder staunen,
wenn lockend winkt die Welt der Spiele?

Weh doch hinfort mit Kraft des Windes
den Überfluss, die Armutszeiten;
sei dieser Welt der Christ im Kinde
und Frieden bringend in den Breiten.

Hör wie des Waldes Bäume rauschen:
„Nur im Licht kann niemand leben!“,
denn das Licht als Offenbarung
wird es nur im Finstern geben.



Kalte Spuren

Bild von Anja auf Pixabay
Das Wolkendach trägt schwer an Eiskristallen;
der Winter kam zurück mit Frost und Schnee.
Die milden Tage gingen, und die Flocken fallen,
sinken im Niedergang, tanzen und verwehen.

Sie sind wie heilige Kräfte, die aus Himmeln fallen,
sind vor des Werdens Blühen das Geleit.
Tragen die Ruhe in das innere Wallen,
zur Vollendung des Alten und Entfaltung der Zeit.

Sind die Träger der Hoffnung auf neues Beginnen,
mit brennender Sehnsucht nach Wärme und Licht,
mit Zeichen des Frühjahrs und den Wundern darinnen,
wie der Sonnenstrahl, der durch die Wolken bricht. 

Von oben her

Schneeweiß, wie ein sonnbeglänztes Meer,
liegt das weite Land in stiller Pracht.
Flocken haben es bedeckt, von oben her,
bringen uns ein Bild, das glücklich macht.

Flockentreiben kommt aus ferner Welt,
fällt und segelt auf den Winterwinden;
flüchtig ist das Nass, vom Frost erstellt,
Sonne bringt das Element zum Schwinden.

Lichtes Treiben schwebt vom Himmelszelt,
weiß und rein scheint es, das Flockenheer.
Flüchtig sind die Dinge dieser Welt,
nur gelieh‘n sind sie - von oben her. 

Winter

Sophus Jacobsen (1833-1912)
Der Winterhimmel drängt sich grau ins Licht,
so schneeschwer ziehn die Wolkenzüge,
schweben vorbei, bis die Umhüllung bricht;
verlieren sich in flockenweißen Flügen.

Die Jahreszeit ist kalt, eisig ihr Händchen, 
bedeckt das müde Land mit Leichtigkeit,
trägt Frost und Schnee am Gängelbändchen,
wie einen kleinen Hund, der Unfug treibt.

Es ermattet die Natur, des Menschen Kraft,
teilt sich ihr großes Einsamwerden und trinkt Tee.
Übt, wie man frühes Schlafengehen schafft
und freut sich über erste Fußstapfen im Schnee.