Arm und Reich

Jean-Léon Gérôme 1824-1904
CONDE, LOUIS III. DE BOURBON + LUDWIG XIV. VON FRANKREICH 1674

Den Glanz von einst, voll Sinneslust und prächtig,
trägt die Erinnerung mit Weh und tiefem Groll.
Wie gestern, sind auch heut’ die Reichen mächtig,
und blutend zahlt das Volk den bitt’ren Zoll.

Die Armut klafft aus offnen Weltenwunden,
die Qual des Hungers gräbt sich ein, voll Schmerz.
Auch heute liegt in trauertiefen Stunden,
manch’ sterbend Kind am stillen Mutterherz.

Man tanzt mit viel Glamour in Taft und Seide,
Champagner fließt und Kaviar wird serviert.
Da draußen, gar nicht weit im tristen Kleide,
wird eine trockne Scheibe Brot zum Mund geführt.

Verschwendung hier und anderswo das Darben,
wo Fülle doch für alle birgt die Welt.
Die Zeit legt auf die Wunden Wohlstandsnarben,
der Teufel dient alleine Macht und Geld.

Und was satanisch grinst aus den Gazetten,
ist, was Profitgier und die Politik serviert.
Die Armut wälzt sich angstvoll in den Betten
und Reichtum glänzt daneben, ungeniert.

Bettelnde Frau mit Tochter im 19. Jahrhundert

Mücken und Menschen

© Ingo Bartussek – Fotolia.com

Auf die alte Regentonne
fiel die erste Morgensonne,
wo sie schlafen,
die Mückenlarven,
bis zum Verpuppen,
in großen Gruppen.

Sie hingen nass,
im dunklen Fass,
erquicklich in der seichten Brühe,
erwachten sie in Herrgottsfrühe,
der Spaß vorbei,
das Einerlei.

Der Wasserspiegel sank
im morschen Regentank,
bis man’s entdeckte:
es leckte.

Besser wär’s hinaus zu hüpfen
und zu schlüpfen,
dachten sich die Puppen
am Schuppen.

Mücken Mädchen war’n geboren,
Männchen hatten längst verloren,
saßen nur noch dumm
auf den Pflanzen rum.

Mädchen wetzten ihre Stachel,
und sie lernten, Blut und Rache,
böse vor sich hin zu brummen
und beim Saugen zu verstummen.

Menschenblut auf ihren Fährten,
jagen spielend durch die Gärten,
fliegen durch die warme Luft,
durch den Sommerregenduft.

Finden wieder eine Tonne,
lockt sie in der späten Sonne,
und der lang ersehnte Regen,
lädt sie ein zum Eierlegen.

Es gibt in verschied’nen Schichten,
die böse brummen und die schlichten,
und and’re gibt’s, die hängen rum,
zu dumm.

Der Ohrwurm

Der Betrunkene – Gemälde von Carl Spitzweg (1808-1885)

Ein Ohrwurm hing als kleiner Rest,
wie Fetzen, im Gehörgang fest,

dort trat er mit zerriss’nem Klang
ungnädig den Alleingang an.

Nach einer wohl durchzechten Nacht
hatte ein Mensch ihn mitgebracht;

statt Schlaf verfolgt ihn nun Musik,
mit Tönen, die dem Ohr nicht lieb.

Dort gingen didel-dadel-dum
die Schwindel ihm im Kopf herum,

und als des nachts sie kreisend flogen,
war Kopfschmerz in das Hirn gezogen.

Vom Alkohol gebeugt und stumm,
saß nun der Mensch im Bett herum.

Von der Musik war nichts geblieben,
der Ohrwurmfetzen war vertrieben,

der Rausch der Nacht war bald vorbei,
das Ganze ihm nun Warnung sei.

Dichten und danken

Gabriel Charles Dante Rossetti (1828-1882)

Kommt der Schöpfer allem Blüh‘n entgegen,
schenkt er diesem Sonnentag den Segen,

öffnen sich die Blühten nach dem Licht,
das sich in des Lebens Schatten bricht.

Mit dem Dichten schwebender Gedanken,
tasten Verse sich, wie grüne Ranken,

sind Verdichtung hier, wie ein Gebet,
das in Dankbarkeit zum Himmel schwebt;

möchte mit viel Tiefe weitergeben,
Worte, die geschenkt sind meinem Leben.

Still sein soll mein Herz

Ludwig von Hofmann (1861-1945) – Gretchen im Kerker

Still sein soll mein Herz –
kann im tiefen Schmerz
keine schwere Last mehr tragen,
will verzagen an der Welt,
an den vielen bangen Fragen,
die uns unsre Liebe stellt.

Oft trifft die Erkenntnis bitter
in den weichen Seelenkern,
und der letzte Hoffnungsstern
glänzt mir trübe durch die Gitter.
„Einzelhaft – ein Leben lang!“,
hör ich meine Seele klagen.

Werde niemals mehr befreit.
Will und kann es nicht ertragen!
Wenn der Kerkertüre Schluss,
sich vollzieht durch deine Hände,
fällt des Schattenbildes Guss
hier an die Gefängniswände,

und dein Bildnis schwebt im Raum,
um schnell wieder zu verblassen.
„Irgendwann muss ich dich lassen!“,
flüstert es mir leis‘ im Traum.
Kann das Schicksal nicht verstehen –
es erscheint mir wie ein Hohn!

Bleibt mein Wunschbild – Illusion?
Und beim traurigen Erwachen,
höre ich das Schicksal lachen:
Es trägt Deiner Stimme Ton!

Der Segen des Himmels

Bild von jplenio auf Pixabay

Das Frühjahrsblühen ging vorüber,
nur dürftig sind die Bäume tragend,
und in den Gärten schwebt ein trüber
Rauch vom Grill bis in den Abend.

Man röstet Fleisch in rauen Mengen
und sieht nicht, was der Erde blüht.
Wo Tierwohl schweigt bei Partygängen,
berührt der Tod nicht das Gemüt.

Der Erde Wohl sind reife Früchte,
sie wachsen nicht in den Regalen.
Der Supermarkt deckt viele Süchte,
dort schreit kein armes Tier in Qualen.

Die halbe Welt trägt ihr Verderben
auf kargen Böden, elendstief.
Wo viele Kinder hungers sterben,
kein Wasser eine Pflanze trieb.

Sie stehen da, sehn unser Plündern
mit leeren Mägen, und wir nehmen
das letzte noch aus ihren Mündern;
kein totes Kind wird uns beschämen.

Das Menschenleben ist begrenzt,
auch unser Wohlstand stirbt beizeiten,
es bebt in uns der letzte Lenz,
bringt scheinbar ew’ge Nacht des Schweigens.

Die Armut treibt im Himmel Blüte,
die Sehnsucht wird ins Licht gehoben,
himmlischer Segen wird zur Güte,
voll Harmonie, wie Frucht verwoben.

Was wir mit sehnsuchtsleerer Hand
entbehrten und was unerfüllt,
wird uns ein Blüh’n im lichten Land,
zum Segen, nicht von dieser Welt.

Der Frühling ging

John William Waterhouse (1849-1917)

Vergangen mit ihm ist das Neue,
das aus den alten Zweigen trieb.
Die Winde trugen in die Bläue,
den Hauch, der uns an Blumen lieb.

Noch sind die Rosen nicht verblüht;
uns streut die Blumenkönigin
ein schweres Duften ins Gemüt,
belebt, wie Balsam, Geist und Sinn.

Es flutet Mauern und Spaliere
der Hauch von Zartheit wie ein Beben,
Tristes wich einer Blütenzierde.
Im alten Rosenstock ist Leben!

Unter dem Blattwerk, klein und fest,
die neuen Knospen, wie ein Meer,
umstellt von stachligem Geäst
zum Schutze, wie ein Dornenheer.

Der Traum von Blüte geht dahin,
noch lockt ihr freundliches Gesicht.
Bald reift der Weizen – Herbstbeginn,
das Nahen des Winters ist in Sicht.

Altersschranken

Irdische und himmlische Liebe – FRANZ VON LENBACH (1836 ‐ 1904)

Vorbei die Zeit des Gegenüberstehens,
verborgene Blicke des Vorübergehens,
ein Ahnenlassen, wie das Herz empfindet,
voll Scham erröten, völlig unbegründet,
verlegen dann die Hand zum Gruße reichen,
ungern von der geliebten Seite weichen.

Die Jugend ist vorbei, ist abgehandelt,
kein Trieb, der meine Sinne wandelt.
Mit alter Seele frei von Leidenschaft,
aus tiefstem Herzen manches Mal gedacht:
Befreiung heißt Verzicht und nicht Verbot,
ist die Gewissheit vor dem Abendrot.

Liebt man nicht nur das Bild im Spiegel,
sein selbst kreiertes Gütesiegel?!
Kann Unbekanntes Seligkeiten bringen,
das nicht gestaltet ist nach eignen Dingen?
Die rosarote Blindheit der Gedanken
eröffnet die im Alter auferlegten Schranken.

Doch gab ich meinen Kräften neuen Sinn,
damit ich hier auf Erden nah dem Himmel bin.

Schattige Tage

Foto: Gisela Seidel – Motorradausflug in der Rhön

Schon lang ist’s her,
so viele Jahre,

im Leben kurz ein Mehr
der guten Tage.

Ein Abenteuer,
hoffnungsvoll,
wie Stroh entflammt,

ein schnell gelöschter
kurzer Brand,

ließ meine Tage wieder
schattig sein
und mich allein.