Von Menschen und Bäumen

Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. 1.Moses 2

Die Kraft der Bäume möchte ich euch geben –
mit ihrer Form- und Farbenvielfalt steh’n sie stolz,
so knorrig wie ein Baumstamm ist das Leben –
die Jahreszeiten zieh’n durchs alte Holz.

Lasst unter euch nicht eine Wurzel aufwachsen, die da Gift und Wermut hervorbringt. 5. Moses 29,17

Der Stamm der Buche: graue Eminenz,
die grüne Fichte krönt taunasse Lüster,
das neue Birkenlaub tanzt luftig, hell, im Lenz,
Alleen von Pappeln, die im Winde flüstern.

Weit dringen starke Baumeswurzeln in die Erde,
sie nehmen Nahrung auf und ankern tief,
dass in der Tiefe des Bewusstseins Wurzel werde,
was Liebe und Vertrauen nährt und rief.

Geht nun mit mir, zu schauen, wie verflochten
hier Baum und Mensch sind schöpfungsnah verwoben.
Entdeckt, wie dort die Jahre gleichermaßen pulsten, pochten,
und mancher Sturmwind peitscht die Wipfel droben.

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Psalm 139, 5 

An guten oder schlechten Früchten wirst du sie erkennen,
wenn Edles oder gar Verdorbnes nährt den Stamm.
Und kannst du gute hier dein eigen nennen,
so streb’ mit Gottvertrau’n den Himmel an.

Frühling

Es schwebt der Frühling in der Luft, mit Leben.
Ich seh’ die braune Knospe dort vor mir,
so wie sie bald nach außen drängt mit Beben,
so liegt ein Born mit allen Möglichkeiten hier.

Da ist das Lachen unbekümmert heiter,
der Lebenshimmel weit und hell und lau.
Und von den ersten Stufen auf der Lebensleiter,
treibt’s dich empor mit Kraft ins lichte Blau.

Nichts macht dir Angst, du fühlst des Lichtes Heil,
das dir gegeben ist, seit es dich schuf.
Die Freude sprengt beseelt der Hülle Teil
und treibt die Knospe auf, mit zartem Ruf.

Er war schön geworden in seiner Größe mit seinen langen Ästen;
denn seine Wurzeln hatten viel Wasser. Hes 31.7

Bald findest du gemeinschaftliches Streben,
ein mildes Herz, das dir im Gleichklang schlägt.
Weiß, wie die Blütenblätter, ist das Weben,
das dir ein Liebesflüstern in dein Leben trägt.

So wie zwei alte Stämme, eng umschlungen,
so strebtet ihr gemeinsam einst empor.
Der Kampf ums Licht ist längst verklungen,
geht ihr als Sieger beide nun hervor.

In stetem Zueinander seid ihr eins geworden,
„ein Fleisch“, wie es im Buch der Bücher steht.
Gewonnen habt ihr euch und nichts verloren,
auch wenn der Abendwind durch eure Zweige weht.

Der Frühling ging vorbei und in der Daseinsmitte,
da lief der Alltag in bekannten Bahnen
und unter Sommergrün, mit pausenlosen Schritten,
floss die Zufriedenheit durch glückverlornes Ahnen.

Sommer

Im letzten Sommer hab ich ihn gesehen.
Er streckte weit zum Himmel jeden Zweig,
Und keinen sah ich so wie ihn am Wege stehen,
einmalig, unverwechselbar sein Kleid.

Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Matthäus 6,24

In seiner Krone sah ich viele tote Zweige ruh’n,
und andre wieder, grün belaubt und heil.
Befähigt wird der Mensch zu manchem Tun,
doch nährt er seine Möglichkeiten nur zum Teil.

Tagein, tagaus, da schaffen wir und horten
und fragen nach dem Sinn und Lebensziel.
Wir gleichen leer dahin gesprochnen Worten,
dem Stamm, der hohl und kahl zu Boden fiel.

Herbst

Es führt kein Weg zurück, nicht eine Stunde
reut uns, auch nicht das Mühen um das Werden.
Wohl dem, der Weisheit ziehet aus dem Grunde,
sie wird zum Baum des Lebens hier auf Erden.

Reif werden, wie die Äpfel – Zeit der Ernte.
Nicht sorgen, sondern leben. Grenzen sehen.
Oft denkt man an die Jugend, die entfernte
und möcht’ so manche Stunde rückwärts drehen.

Wohl dem Menschen, der Weisheit erlangt,
sie ist ein Baum des Lebens allen, die sie ergreifen.
Sprüche 3, 13+18

Doch auch auf dieser Zeit ruht Königszauber,
da sie sich majestätisch, weise, gibt.
Das Haar gleicht lichtem Laub – wird ständig grauer,
bis es ein kühler Wind zu Boden zieht.

Fröhlich die Falten tragen, wie ein Zeichen:
Schön war der Frühling, gut die Sommerzeit!
Die herbe Herbstschönheit willkommen heißen.
Annehmen – für den Winter schon bereit.

Doch bringt der Herbst auch trübe Nebeltage,
und jeder Lichtstrahl bleibt im Grau verfangen.
Da spürt man Einsamkeit, die finstre Plage
und führt Gespräche mit den Heimgegangnen.

Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen bis ihr grau werdet. Jesaja 46, 4

Winter

Oft wird das Leben eine Last – durchwachte Nächte,
Schritte, die schwerer fallen, Tag für Tag.
Schneller vergeht die Zeit. Wenn sie doch wiederbrächte,
nach kaltem Winter einen Frühlingstag!

Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Psalm 103,17

Schau, dort den Baum: Nur noch ein Stumpf.
Nun liegt er modernd, faul das Holz,
nährt üppig andre Pflanzen aus dem Rumpf.
Moos überwachsen, der, der einst so stolz.

Aus der Tiefe rufe ich, Herr zu dir. Psalm 130,1

Eins sein mit der Natur, im Werden und Vergehen.
Am Wegkreuz angelangen, das Erkenntnis zeigt.
Auf rechtem Weg dort hingelangen und verstehen,
dass es ein Leben gibt, das lohnt und bleibt.

Sei wie ein Baum, genährt in Gottes Garten,
streck’ freudig dich im warmen Sonnenlicht.
Dann darfst du auf den neuen Frühling warten,
den ER durch seine Freundlichkeit verspricht.

Salz der Wahrheit

Carlos Schwabe (1866-1926)
Alle Frühlingswetter sind schon bald vergangen,
längst verweht, die grüne Woge des Erwachens,
gediehen in der Wärme nimmt sie Abschied vom Anfang, 
verwandelt die Tage, die hitzig zur Ernte hin fiebern
und Schatten malen auf dem Ginster,
der leuchtend blüht in den Weiten.

Bald glühen die Rosen, frohlocken,
betören durch Duft und Gebilde,
wie in farbigen Sträußen gebunden,
befreiend durch Dornen im Strauch -
gebrochen, mit blutigen Händen. 

Stolzer Wald, du bist durch sie entwurzelt;
schwach liegt manches Holz am Boden nieder,
und die Dämmerung wob graue Fäden
in den Früheschimmer erster Strahlen. 

Wald um Wald verschwanden, 
Erd‘ und Himmel sind verdunkelt
und der Schimmer ist verblasst,
als Schlote Asche niederhauchten,
die sich giftig in die Böden wuschen, Wachstum lähmend,
und die Mühlen mahlten unter Hämmern.

Wo ein Wispern in den Zweigen 
traumhaft schien an Sommertagen,
Schattenkühle herrschte in der Waldesstille,
wo aus duft’gem Moos und grünen Farnen,
alles war so hold und eigen im Erleben. 

Heute drehen dort die Räder, und die Täler
sind von Stein und Staub gefüllt in all den Jahren.
Düstre Zweifel wohnen in den Mauern,
denn die Feigheit buhlte mit des Teufels stolzer Tochter.

Alles Göttliche verdämmerte im Argwohn,
Angst diktierte manche Schrift und Mächte,
die von Gott sich eingesetzt ernannten,
schürten diesen Wahn mit Höllenfeuer. 

Geld und Macht sind höchste Götter hier auf Erden,
und die Zeit ist schwer belastet von Gesetzen,
die der Natur zuwider, eigenmächtig in der Habgier handeln.

Führt die Braut des Wahns zu Opferbänken,
damit Gott in uns den Weg zur Heimat zeigt;
lass‘ uns in der Waldkapelle horchen nach
verlorenen Klängen. 

Was der Welt an Würze mangelt,
ist das Salz der Wahrheit, die zu streuen
Weisheit bringt und Wohlergehen.
Wachsen, hin zum Licht gewandt durch Jahreszeiten -
neu erwacht erblühen in der Welt von Morgen.

Lied der Engel

In Tönen, die nur Seraphinen singen,
durchströmt ein glockenheller Klang die Welt,
mit überirdischem Vibrato ferner Stimmen,
wird unsre Dunkelheit zum lichten Tag erhellt.

Zum altgegang‘nen Weg der Religionen,
dringt dieses Licht der Wahrheit mehr und mehr.
die Finsternis, in der noch viele wohnen,
wird es mit Weisheit fluten, wie ein Meer.

Versiegelt scheint die heil‘ge Wirklichkeit,
die Flamme der Vernunft, sie wird es lösen;
das Licht geht auf, der Bettler steht in feinem Kleid,
denn ein Geringer zeigt des Geistes Größen.

Wo Gottes milde Segensströme fließen,
ergossen durch den reinen Sphärenklang,
endlos wird Liebe sich in uns ergießen,
wo wunde Herzen leiden, zukunftsbang.

Weltgeschehen

Bild von Bela Geletneky auf Pixabay
Welt wird irgendwann vergehen
und der Mensch, wie wir ihn kennen,
wird in ungeheurer Flamme
ausgelöscht und niederbrennen.

Der aus Dunst und Staub gewoben,
spurlos ist mit ihm verschwunden,
was vor zig Millionen Jahren
einst erschaffen zum Gesunden.

An die Großen der Geschichte,
die verwüstet manche Staaten:
Seid erkannt, wie eure Frevel,
deklariert als ‚große‘ Taten!

Voll von Gräuel, blutrot vom Töten,
ist der Welt verstrickt Gewebe.
Fort muss sie, im großen Säubern,
fern von hoffnungsleerer Rede.

Himmel, DU schaust auf sie nieder:
Menschheit leistet keine Sühne,
wie beim Turmbau, der zu Babel,
wurd‘ zur mahnenden Ruine. 

Was geprägt so manche Zeit -
Reichtum herrschte und Verdruss,
unter Volksbegehr und Jubel:
Gutes mordet man zum Schluss.

Wer kann das Bewusstsein ändern?
Ist immer nur ein Mensch allein!
Geht selbstlos durch das Weltgeschehen,
der Fülle fern, scheint er nur klein. 

Gestalt als Mensch, erfüllt vom Geist,
war eindrucksvoll durch gute Tat.
Seiner Rede Weisheit lebt,
der vom Volk Gequälte starb.

Die im Bann der Welt gefangen,
gebunden sind, an beiden Händen,
sollen lichtvoll sich befreien
und der Mensch sich aufwärts wenden. 

Schöpfungsnacht hat angefangen,
es ist die siebte an der Zahl.
Gott schuf die Welt an sieben Tagen?
Was folgt danach? Hat man die Wahl?
BewusstseinsstufenBeginnInitiation
Kosmisch2011Transformation
Galaktisch1999IT-RevolutionHubble: All ist unendlich; Einstein: e=mc²
Planetar1755Industrialisierung
National3115 -10500 v. Chr.SchriftJesus Botschaft wird verbreitet
KulturSprache40 TJ v Chr.: Kunst entsteht
Menschen/StämmeMenschen800 TJ v Chr.: Der Mensch entdeckt Feuer
Anthropoide/FamilienAffenFarbsehen wird möglich
Säugetiere/Individualkomplexe Lebensformen315 MJ v Chr.: aus dem Wasser an Land
ZellulärMaterie

Schöpfungstage lt. Maya-Kalender und Bibel:
1. Schöpfungstag              Gott des Feuers und der Zeit

1. Schöpfungsnacht         Gott der Erde

2. Schöpfungstag              Göttin des Wassers

2. Schöpfungsnacht         Gott der Sonne und der Krieger

3. Schöpfungstag              Göttin der Liebe und Geburt

3. Schöpfungsnacht         Gott des Todes

4. Schöpfungstag              Gott des Mais

4. Schöpfungsnacht         Gott des Krieges und des Regens

5. Schöpfungstag              Herr des Lichts

5. Schöpfungsnacht          Herr der Finsternis

6. Schöpfungstag              Göttin der Geburt           

6. Schöpfungsnacht         Gott des Sonnenaufgangs

7. Schöpfungstag              Dualer Schöpfergott

7. Schöpfungsnacht         ? (wir befinden uns in diesem Zeitraum)

Die Toten begraben

René-Antoine Houasse ((c. 1645–1710), Apollo pursuing Daphne (detail), 1677
Ich bin kein Träumer, kein Hans-guck-in-die-Luft,
bin nur ein Mensch, der in der wirren Welt nach anderen Wegen sucht,
der nicht den Weg als Ziel erkennt und fällt,
weil er das ferne Ziel für unerreichbar hält,

der nicht die Weisheit sucht in alten Religionen,
wo in Bekenntnissen des Glaubens Tote wohnen,
wo Aberglauben siegt. - Die Weisheit liegt so nah!
Die Wahrheit Gottes ist lebendig, immerdar.

Geschmäht, getötet, die Reformer und die Seher,
die Idealisten, all‘ die heiligen Weltversteher;
bekämpft, verspottet, die dem Tod Geweihten,
doch ihre Botschaft lebt, bis hin in ferne Zeiten.
 
Wachstum im Staub der Theologie? Sie wuchs durch Tod!
Ist unfruchtbar. Gab Heuchelei und Dunkelheit als Brot.
Wissen und Licht erfüllt sollen die Wege sein,
doch geht man sie, ist man in dieser Welt allein.

Mit Wurzeln tief im materiellen Lebensraum,
darf ich die Krone breiten, einsam wie ein Baum,
fruchttragend, hier im Tal der Einsamkeiten,
mit Weitsicht in den Abendhimmel schreiten. 

Schatz der Zeit

Quelle: Pinterest – „Schatz der Zeit“ – Fotolia
Auf den Schwingen zur Ewigkeit
fliegt die Zeit ins Vergessen,
und was Mensch prägte, Freud und Leid,
was jemals er besessen,

ist nur des Körpers flüchtig Ding,
gelöst und frei vom Band der Welt;
woran er wuchs, woran er hing,
wird wieder unberührtes Feld.

Wie Staub ist alles hier auf Erden,
was längst verweht, schlecht oder gut,
bedingt das Blühen und das Werden
der Schöpfung Geist, des Lebens Blut.

Die Engel haben keinen Ruhm,
nur Geisteskraft – die Kraft zu dienen.
Gib uns die Kraft, dass wir posthum
den Staub der Ewigkeit besiegen. 

Ein offenes Buch

Quelle: Pinterest
Ist ein unbeschriebenes Blatt,
das gefüllt mit Geisteskraft,
etwas, das sich selbst beschreibt,
denn es lebt, beseelt, beleibt.

Wie es ‚ruft‘ mit ganzer Kraft,
treibt heraus mit aller Macht,
Wort für Wort saugt es ans Licht,
und das Schweigen, das es bricht,

das in wunder Seele harrte,
verschlossen sich nicht offenbarte,
es zieht heraus aus dem Verließ,
als das Blatt ihm Wahrheit wies; 

auch die Gefühle gibt es frei,
zu schwer ist der Gedankenbrei,
will auf Papier beschrieben stehn,
erst dann kann er im Kopfe gehn.

So füllt das Leben manches Blatt,
Geschichten und Gedanken satt.
Wie’s endet? Ach, das ist gewiss
ein offenes Buch. – Es endet nicht! 

Rosenzeit

Love among the ruins – Sir Edward Coley Burne-Jones (1833-1898)
In der Zeit, in der die Rosen blühten,
blühte auf in meinem Herzen, sehnsuchtsvoll,
ein Gedanke, trunken noch von Mythen,
die mit falschem Denken überhöht das Soll. 

Tief in mir begann ein wehes Sehnen,
ein Begehren nach dem Unbekannten,
das romantisch klang in mir, in Tönen,
die ich stets belacht bei Artverwandten. 

Und mein Ohr, es lauschte Nachtigallen,
die mit Inbrunst in den Abend sangen;
flog mit ihnen durch die Rosenhallen,
deren alte Mauern von der Liebe sangen. 

Sind so lange her, die fernen Stunden,
und die Paare, die hindurchgegangen,
haben hier ein kurzes Glück gefunden,
fern von aller Welt, im Traum verfangen.

Rosen blühten, doch die harten Dornen 
drangen tief und mahnend bis zum Herzen.
War doch nur ein Traum, ein Seelenformen,
brachte mir die klare Sicht mit Schmerzen. 

Lang schon gilt mein Sehnen Dingen,
die meine Seele und mein Herz erfreuen.
Ich fand mich selbst im steten Ringen -
Liebe heißt wachen im ewigen Sein. 

Gedenken an Friedrich von Schiller – zum Todestag am 09. Mai 1805

aus meinem autobiografischen Roman „Schiller Erinnerungen
Gemälde von Anton Graff

Den Abend des 28. April hatte ich bei Hofe in meiner prächtigen grünen Galauniform verbracht, und Voß (Anm.: Professor am Weimarer Gymnasium) hatte beim Ankleiden beteuert, dass ich gut und gesund aussähe.

Am Abend des 30. April begegnete ich Goethe zum letzten Male vor meinem Haus, als ich gemeinsam mit meiner Schwägerin Karoline auf dem Weg ins Theater war. [..]

Als das Stück endete, kam Voß wie gewohnt zu mir in die Loge, um mich nach Hause zu begleiten und fand mich in einem solch heftigen Fieber, dass mir vom Schüttelfrost die Zähne klapperten. Schon auf dem Weg ins Theater war mir mein Zustand seltsam vorgekommen, denn ich spürte mit einem Male den Schmerz meiner linken Seite nicht mehr, der mich jahrelang begleitet hatte. 

Zu Hause angekommen, ließ ich mir zur Stärkung einen Punsch machen, und Voß fand mich am Morgen des 1. Mai völlig apathisch auf dem Sofa liegend. Meine Kinder kamen zu mir und küssten mich, was ich teilnahmslos hinnahm, ohne darauf zu reagieren. Lotte ließ mein Bett im Arbeitszimmer aufstellen und benachrichtigte Doktor Huschke, da Professor Stark mit der Großfürstin in Leipzig weilte. Huschke tat alles Mögliche, um mir zu helfen, doch es fehlte ihm die Erfahrung, denn er hatte eine solche Krankheit noch nie behandelt und diagnostizierte in seiner Unwissenheit ein rheumatisches Seitenstechfieber, ohne zu ahnen, dass es sich um eine akute Lungenentzündung handelte.

Anfangs empfing ich Besuch, doch da das Sprechen meinen Husten vermehrte, war es mir am liebsten, wenn Lotte und ihre Schwester alleine um mich waren, und auch als Voß sich erbot, weiter des Nachts an meinem Bett zu wachen, blieb ich lieber mit meinem treuen Diener Rudolph alleine. Ich sehnte mich sehr nach dem Besuch meines Schwagers, der sich jedoch ebenfalls in Leipzig aufhielt.

Bis zuletzt beschäftigte mich mein Demetrius, und obwohl ich mir selbst verbot, meinen Zustand bewusst wahrzunehmen, versuchte ich meinen eigenen Worten: „Der Tod könne kein Übel sein, da er etwas Allgemeines sei“, zu vertrauen. Die Ängste kamen trotzdem, nicht nur vor dem Unausweichlichen, sondern auch davor, meiner Familie „Adieu“ sagen zu müssen – sie alleine zu lassen, wo meine jüngste Tochter gerade erst auf der Welt war.

Wie gerne hätte ich manches noch ausgesprochen, doch am 6. Tag schwand meine Sprache, und aus Angst vor Schmerzen bat ich Gott, er möge barmherzig sein mit mir und dem Leiden schnell ein Ende setzen. Sobald ich schlief, sprach ich im Delirium und sah im halbwachen Zustand, wie sich der Vorhang zwischen der irdischen und geistigen Welt langsam öffnete und mir ein Einblick gewährt wurde, der mich ruhig werden ließ.

Ich fragte, ob das die Hölle oder der Himmel sei, und beim Erwachen blickte ich zufrieden lächelnd in die Höhe, um dem Lichtwesen nachzusehen, das mir tröstend erschienen war, um mich abzuholen.

Noch einmal verlangte ich meine jüngste Tochter zu sehen, um sie ein letztes Mal zu betrachten und ihre kleine Hand zu halten. Mein Innerstes war voller Ruhe, und ich bat darum, man möge die Vorhänge öffnen, denn ich wollte noch einmal den Himmel sehen.

In der folgenden Nacht kreisten die Gedanken wieder um den Demetrius, und am Morgen des 9. Mai 1805 schlief ich bis gegen zehn Uhr, und da ich darüber klagte, dass mir Angst ums Herz sei, verordnete mir Doktor Huschke die anstrengende Maßnahme eines Bades, mit dem ich mich schwertat.

Um meinen Kreislauf zu stärken, gab er mir ein Glas Champagner, doch dann trat Besinnungslosigkeit ein. Ich sprach im Delirium und erkannte keinen Menschen mehr, auch nicht Lotte, die verzweifelt neben meinem Bett kniete und meine Hand hielt. Gegen drei Uhr nachmittags trat vollkommene Schwäche ein, mein Atem fing an zu stocken, und es fuhr wie ein elektrischer Schlag durch mich hindurch, bevor sich der irdische Vorhang schloss und mir der himmlische geöffnet wurde.

An Friedrich von Schiller 
von Gisela Seidel
Fort bist du lange schon,
doch hier noch so präsent,
dass deine Gegenwart zu spüren,
augenschließend ich vermag.
Lässt mir das große Schweigen,
das niemals meinen Namen nennt.
So plötzlich kam der Schmerz,
verfinsterte den Tag.
Suchtest den Weg in ferne Dimensionen,
gabst von der Ewigkeit, die du versprachst,
mir nur ein kleines Stück;
wo Seraphinen in Traumwelten wohnen,
dorthin brachte dein Todesengel dich zurück.
Gewährte Zerberus dir Einlass in sein Reich,
so zahl ich heute noch dafür Gebühr.
Erscheint dein Antlitz vor mir engelsgleich,
streck’ ich in manchem Traum die Hand nach dir.
Werd’ niemals wieder deiner Stimme lauschen
und niemals deinen warmen Atem spür‘n.
Wie könnt’ ich mich an deiner Gegenwart berauschen,
wie sehr möcht’ ich mit dir den Himmel sanft berühr’n!
Vergangen und vorbei – vergessen, nie so ganz;
am Ende meines Weges sei bereit,
reich’ mir die Hand zum eig’nen Totentanz
auf dem Parkett durch die Unendlichkeit.

Zeit der Ruhe

Bild von Bruno /Germany auf Pixabay
Der nahe Abend löscht schon bald das Licht,
die Sonne scheint im Horizont versunken,
Das Land verhüllt sein müdes Angesicht,
der Himmel rötet sich, noch sonnentrunken. 

Parzellen teilen ihre Flächen, grün und braun,
das Mondlicht legt sein fahles Licht darüber,
auf ersten Saaten bis zum Himmelssaum
liegt Nachtwind, macht die Erde kühler. 

Die Träume wandern durch die Heimatwelten
und in den Häusern dunkelt helles Licht.
Harmonie im Herzen, lässt im Schlaf vergelten,
was mancher Mund im Wachsein niemals spricht. 

Gott im Geiste, halte schützend Deine Hände 
über jede Heimstatt, ihren Nöten,
lass des Menschenhasses Brände
wandeln sich in Morgenröten.