Ein Neubeginnen…

Hieronymus Bosch (1450-1516)

Für mich ist es schwierig, mich in so manche Glaubensansichten hinein zu denken.

Atheisten glauben demnach an nichts. Ein sinnloses Leben, das irgendwann endet und im Nichts verläuft.

Anhänger des Christentums findet man in der katholischen und in der evangelischen Kirche, obwohl deren Glaubensrichtungen völlig auseinander laufen. Ob Heilige Schrift und deren Überlieferungen oder lediglich die Heilige Schrift, vieles ist nicht vergleichbar.

Beide beten „Dein Reich komme…“. Was ist das für ein Reich? So wartet man die Wiederkunft Christi, obwohl Jesus zu Lebzeiten sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“
Demnach soll Gott die Menschen der Endzeit für die neue Welt auswählen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen? Zunächst der Schlaf bis zum ‚Jüngsten Tag des Gerichts‘, dann das Erwachen im alten Körper des längst Verstorbenen, das Urteil, die Verdammnis und möglicherweise Vernichtung?

Das stellt nicht den liebevollen, gerechten Gott dar. Da hat Gott eher menschliche Züge, die sich in den Kirchen widerspiegeln.

Wer sündigt, kommt in das Fegefeuer und in die Hölle. Hinzu kam die Erbsünde, die den Gläubigen ein schlechtes Gewissen machen sollte. Die alten Glaubenssätze mussten Platz machen vor neuen theologischen Grundgedanken und den weltlichen, wirtschaftlichen Überlegungen der Priester.

Daran soll ich glauben? Das ist Willkür! Das ist Sünde! Sünde ist immer eine Tat, die bewusst begangen wird, um anderen zu schaden und um sich selbst zu bereichern.

Die größtenteils ungebildete Volksmasse der frühen Zeitalter wurde ohnehin dumm gehalten. Sogar das Lesen der Heiligen Schrift war dem Normalsterblichen des Mittelalters unter Todesstrafe verboten. Die Lehre von der Wiedergeburt passte ganz und gar nicht zur Katholischen Schriftauslegung, denn sie entschärfte deren ‚Druckmittel‘ der Angst machenden ewigen Höllenqualen, der Verdammnis und des Gerichts. Für den Verkauf der Ablasszettel, mit dem der Bau des Vatikans und die Inquisition finanziert worden sind, brauchte man keinen gerechten Gott. Den konnte die Kirche nicht für ihre Zwecke einsetzen. Ein ungerechter, strafender, blutrünstiger und böser Gott wurde erfunden, der seine „Kinder“ tötet und nicht liebt – genau wie im Alten Testament.

Der Klerus führte die Beichte ein und zog dem ohnehin armen Volk den letzten Heller aus der Tasche, mit der Lüge, die Priester könnten im Namen Gottes Sünden vergeben. Welch perfides, teuflisches Unterfangen! Eine Anmaßung, die noch heute praktiziert wird.

Der mittlerweile heiliggesprochene Hieronymus war Werkzeug des Papstes Damasus I., der ihn zu seinem Sekretär machte, der selbstverständlich gehorchen musste, auch wenn es Hieronymus nicht gefiel. Dieser hatte sich in vielen asketischen Jahren zunehmend in theologische Werke vertieft, machte Abschriften, verfasste Briefe und lernte Hebräisch. Im Jahr 379 wurde er zum Priester geweiht und kehrte dann nach Rom zurück. Dort übersetzte er im Auftrag des Papstes die Bibel ins Lateinische. Diese Texte, die sogenannte „Vulgata“, sind immer noch für die Katholische Kirche verbindlich. Bis vor einigen Jahren kamen ungetaufte Kinder in die Hölle; daraus wurde dann Anfang der 50er Jahre die Vorhölle gemacht, was nicht weniger schauderhaft ist.

Viele Menschen, die Anhänger der Kirchen sind, warten auf das ‚Jüngste Gericht‘ und auf ein Weiterleben in ihrem alten Körper in einer neuen Welt.
In Luk 17, 20 antwortet Jesus dem Pharisäer auf dessen Frage „Wann kommt das Reich Gottes?“
„Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: Da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“

Michael Leopold Lucas Willmann (1630-1706)

Wenn man sich beispielsweise das Bild der Bibel „Jakob und die Himmelsleiter“ ansieht, sieht man ein Traumbild, das aufzeigt, dass alle Menschen dazu in der Lage sind, sich Gott zu nähern oder sich weiter von ihm zu entfernen. Die Engel sind demnach hilfreiche Kräfte, die unterstützend zur Seite stehen.

An Reinkarnation wurde im Judentum schon immer geglaubt, wenn auch in anderer Form, als bei Hindus und Buddhisten. Den alten Kirchenvätern war die Tatsache der Wiedergeburt durchaus bekannt. Das aufstrebende Christentum verlor jedoch die alten Glaubenssätze.
Bibelstellen, die die Reinkarnation ‚beweisen‘ sollen, sucht man weitestgehend vergebens.
Zu sehr hat die Katholische Kirche diese in den Schriften ausradiert, um den armen, gläubigen Menschen ein schlechtes Gewissen vor Gott zu machen.

Hat der Mensch nur ein Leben, für das er am Ende der Zeit Rechenschaft ablegen muss? Wenn es beispielsweise um mich geht, lebe ich garantiert als „Gisela Seidel“ nur ein einziges Mal. Aber was ist mit Seele und Geist? Beim Tod löst sich die Seele vom Körper; durch ihre Unsterblichkeit ermöglicht sie die individuelle Fortexistenz der Ur-Person. Doch erst der göttliche Geist macht aus der toten Materie eine lebendige. Wiedergeburt liegt demnach ganz und gar in Gottes Hand.

Niemand weiß, was er früher einmal gewesen ist, und ob er einst auf der guten ober der bösen Seite gestanden hat. Jeder von uns war schon mal in einer Situation, in der er sich gefragt hat: „Warum passiert gerade mir das?“

Geschieht das Leben in einem unendlich langen Zeitraum, wie zu einem Kreis geschlossen, ohne Anfang und Ende? Gott existiert in einem zeitlosen Raum. Kann ein Mensch so etwas denken, ohne Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft…ohne Zeit? Ein schweres Gedankenkonstrukt!

Christus hat uns durch seinen Tod die Türe zum ewigen Leben geöffnet. Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht der Toten! In Joh 11, 25 sagt Jesus: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe.“ Er hat aber auch gesagt, dass Glauben alleine nicht reicht. Der Mensch muss danach leben!

In der Bibel sind die meisten Spuren ausgelöscht, die auf Reinkarnation hinweisen könnten. Doch wenn man genau liest, lassen sich noch einige dieser Stellen finden.

Der Thomasevangelium enthält keine Passions- und Auferstehungsgeschichte und wird daher nicht zur literarischen Gattung der Evangelien gezählt. Es ist nicht im Kanon des Neuen Testaments (NT) enthalten. Dennoch möchte ich auf das Kapitel 84 aufmerksam machen:

Jesus sprach: Wenn ihr eure Ebenbilder seht, werdet ihr erfreut sein. Aber, wenn ihr eure Ebenbilder seht, die vor euch existierten, die nicht sterben, noch sich offenbaren, wie viel werdet ihr dann ertragen?

Hiob 33, 28-30: „Er hat mein Leben bewahrt vor der Grube, und meine Seele schaut mit Lust das Licht.“ Siehe, dies alles tut Gott zweimal oder dreimal mit dem Menschen: Er holt seine Seele zurück aus der Grube, dass er sich freue am Lichte des Lebens.

Ich freue mich am Licht des Lebens…auf den neuen Frühling und auf jeden Strahl der Sonne, die ihre Wärme in alle Welt schickt.

Dichterseele

Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832

Geh’ durch die Stadt, die ich so liebte,
suchend mein Blick nach all’ den Plätzen
der fernen Zeit, die gnadenlos einst siebte,
die guten von den wenig guten Sätzen,
 
die ich einmal zu schreiben wagte.
So viele Bücher, die ich füllte –
und oft, erst als der Morgen tagte,
sich meine Dichtersehnsucht stillte.
 
Die Zeilen rannen aufs Papier,
mal zäh, mal flossen sie in Strömen.
Oft landete mein Denken schier
auch neben den erlaubten Tönen.
 
War ich gesellschaftlich gebunden,
so war doch frei mein Dichterband,
das sich so manches Mal verschlungen
um wohl verbot’ne Wege wand.
 
Ich blieb geachtet, viel zitiert,
war Mittelpunkt des Zeitgeschehens,
ich kritisierte unbeirrt,
hab’ Fehler spät erst eingesehen.
 
War ich doch Zünglein an der Waage
für manche Zukunft federführend,
verhielt mich oft nach Stimmungslage,
zu dominant und ungebührend.
 
Der Liebe Bänder, die ich knüpfte,
hab’ ich genauso schnell zerschnitten,
wenn rasch mein Herz vor Freuden hüpfte,
ist’s schon ins Einerlei entglitten.
 
Ich war autark, zu Neuem offen,
mit ungestillter Gier aufs Leben.
So wie mein Wirken, groß mein Hoffen,
ich könnt’ ein wenig Hilfe geben,
 
an alle, die sie brauchend nehmen.
Ich bleibe unsichtbar den Blicken,
zu lindern euer irdisch’ Grämen
bin ich gewillt in großen Stücken.
 
Wenn meine Worte euch erreichen,
und eure Seelen mich erkennen,
wird Kummer schnell der Freude weichen
und Hoffnung in den Herzen brennen.
 
Denn dieses Leben ist nur eines
von vielen, die uns Gott beschert;
im Hintergrund hat ein geheimes
so manches Stück euch schon gelehrt.
 
D’rum öffnet euch dem Unsichtbaren,
erkennt die kosmischen Gesetze,
denn alte Leben, die einst waren,
erhalten ihre neuen Plätze.

Neues Leben

Aquarell von Sulamith Wülfing 1901-1989

Auf einmal bist du da,
so fremd auf dieser Welt.
Gefangen – körpernah,
vom Daseinsschmerz gequält.

Dein Blick ins Weltenreich
trifft unbekanntes Land.
Die Heimat, unerreicht,
dein Geist in Gotteshand.

Ein Ruf erging an dich,
mit Schmerz bist du erwacht.
So unabänderlich
folgst du, bis es vollbracht.

Die Jahre gehn dahin,
du lernst und übst Verzicht.
Fühlst manchen leeren Blick,
den Schlag in dein Gesicht.

Das Böse in dir selbst,
lehrt andere verstehen.
So kannst du unbetrübt
in die Vergebung gehen.

Und jeder Augenblick
bringt dich an eine Wende,
verwandelt dein Geschick;
stets ist dein Weg zu Ende.

Erkenne und erwähle
der Gottheit reiches Geben.
Bild‘, wanderfrohe Seele,
das Kunstwerk deines Lebens.

Leben

Bild: Karin M. – http://www.mondlicht08.de/

Lichtimpulse
durch Ewigkeitsworte.

Endlose Energie,
Strom pulsierenden Lebens,
transformiert
vom
Schöpfungsgedanken
zum Universum.

Geist und Materie;
Pflanze und Tier,
Tier und Mensch.

Geheimer Bauplan Gottes.
Universelle Kraft.

Zeichen
endloser Liebe.

Weltenwanderer Mensch

Du ringst und rufst nach Glück!
Kaum zeigt es sich,
so lässt es dich
in Einsamkeit zurück.
Denn es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Das Leid, wie es dich schreckt!
Schon hat’s den Arm gestreckt,
dich zu erfassen –
und muss dich lassen!
Es ist ja eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Das Werk, das du erstrebtest,
dem du, dich opfernd, lebtest –
kaum hast du es getan,
gehört es andern an.
Ach, es ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
So läuft der Erde Zeit.
Erst scheint der Tod dir weit,
dann ist er nah,
auf einmal ist er da!
Doch er ist eine Sprosse nur auf unsrer Leiter,
komm weiter!
 
Und neuer Fähigkeiten frische Kraft
in andern Leben neue Werte schafft,
und ein Erkennen löst das andre ab;
Erfahrung wird des früh’ren Wissens Grab.
Auch Wissen ist nur eine Sprosse auf der Leiter,
komm weiter!
 
Auch wir im Geistessonnenlicht,
auch wir im andern Land erschauen nicht
das Ende unsrer Leiter,
komm weiter!
 
<Ephides>