Dämonen

James Tissot (1836-1902)

Aus einer andren Zeit entstammend,
fühl ich mich ausgegrenzt, und weh
tut mir manch seltsames Verlangen,
wenn ich die Welt von heute seh‘.

Sie ist mir fern und fremd geworden,
künstlich, gefühlskalt, – irgendwie.
Gesinnungsfreunde allerorten,
als stünden sie mir vis-á-vis.

Sie schreiten langsam, schweren Schrittes,
wie die Soldaten auf mich zu.
Ich spür‘ der schwarzen Stiefel Tritte;
sie überrennen mich im Nu.

Sie geh‘n im Zeitgeist der Geschichte.
Treibt böses Spiel auf altem Grund.
Er dringt durch die Bevölkerungsdichte
und gibt Dämonen einen Mund.

Die schreien ihre leeren Worte,
in Geist und Seelen dringen sie.
Besessenheit öffnet die Pforte
zur Unwahrheit und Fantasie.

Vertrieben schienen sie beizeiten;
sie warten stets im Hintergrund,
ihr Gift des Hasses zu verbreiten,
mit irrem Blick und großem Mund.

„Aus Menschensinn, unreiner Geist,
fahr‘ aus!“* Sei nicht das arme Schwein,
das Selbstzerstörung niederreißt.
Lass Selbstkontrolle in dir sein!

*(Lukas 8,26-39)

Die innere Stimme

Bild: Karin M.

Manchmal verschließt man die Augen,
nur die innere Stimme wird leise
im Hintergrund wachen;
manchmal will man zu Höherem taugen,
doch in der Tiefe flüstert es leise:
„Du kannst es nicht machen!“


Manchmal schwebt die Seele im Taumel,
bringt die innere Stimme zum Singen.
Mit belebtem Körper und Geist,
wirst du wieder zum Boden baumeln.
Sie wird dich zur Weitsicht bringen,
solange sie „Leben“ heißt.

Grüne Gedanken

Claude Monet (1840-1926) – Frühling

Bald schon wird die Welt erblühen,
kaltes Kunstlicht weicht der Sonne,
die Gedanken werden grün,
es erwacht des Lebens Wonne.

Fenster strahlen wie die Spiegel,
Herzschlag sucht den taktvoll gleichen,
Winter bricht das Frühlingssiegel,
Kälte wird der Wärme weichen.

Bringt ins Dunkel lichtes Sprühen,
lässt die Nebeltücher ziehen.
Gärten duften voller Blühen
bald nach Veilchen und Jasmin.

Welcher Antrieb aller Dinge
wirkt im Zeichen der Natur?
Fruchtbarkeit und Leben bringe
uns die Ewigkeiten Spur.

Wie kein Frühling ohne Liebe,
gilt Lobpreis dem Schöpfergott.
Lust auf Leben, grüne Triebe,
Ist für alle Zeit Gebot.

Momente

Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

Vom Berg hinab ins Tal zu schauen,
über mir Himmel;
seh‘ Wolken ziehen,
vor dem blauen.

Gedanken ruhen, wie tiefe Seen.
Nur sein zum Schein,
unsichtbar,
im Licht vergehen.

Die morgenfrische Welt zu fühlen,
die schmeichelnden Lüfte,
wie sie duften und kühlen.

Augen schließend den Sinnen lauschen,
Gott-Vater finden,
im Innen und Außen.

Liebe auf Erden

In der Stille flackern alle Kerzen,
bringen schimmernd Sonne in die Zeit.
Tragen Liebe in die müden Herzen,
Öffnen Geist und die Begrenztheit weit.

Die verschlossne Türe jenseits unsrer Sinne,
öffnet sich und lässt den Himmel spüren.
Alle Engel stehn seit dem Beginne,
heben Liebe durch die Himmelstüren.

So erhoben von der kalten Erde
wandelt sich die Kraft des Denkens.
Wo einst Steine waren, Leben werde!
So ist Gott der Geber und Beschenkte.

Freiheit der Träume

Bild von Stefan Keller auf Pixabay

Schlafende Welt,
deine Träume sind gebunden,
gehalten von Verbindlichkeiten
deiner Lebensstunden.

Den freien Geist gefesselt,
wandeln Menschenwesen wie in Herden,
gebunden aneinander und die Zeit
lässt sie nicht sein, nur werden.

Werden stärker, schneller, besser,
herausragend in Größe, mittig in der Menge,
begrenzter Geist auf Erden,
ein Gerne-Groß in körperlicher Enge.

Ein großer Geist eröffnet uns die Welt.
Wir müssen Freiheit uns und andern schenken,
damit das Große aus dem Rahmen fällt.
Wie klein ist oftmals unser Denken?

Klänge von Zuhause

Bild von Rainer Maiores auf Pixabay

Vernimmst Du den heimlichen Klang?

Lausche in Dich hinein:
Wahrhaftig ein Künstler zu sein,
heißt, den heimlichen Klang zu ergründen,
Seele und Geist im Eins-Sein verbinden.

ER wird die Stille durchbrechen,
wird Dir singen und leis zu Dir sprechen,
fortnehmen, die Dinge, die Dich quälen,
Deine Beharrlichkeit wird er stählen.
.
Wirst Dich an den Ursprung zwanglos binden,
gemeinsame Wurzeln wiederfinden,
den fremden Lauten der Welt nachspüren,
um die falschen Akkorde zur Lösung zu führen.

Bis Du selbst der Klang bist, den viele vernehmen,
die sich nach höherer Einsicht sehnen.
Fühle die Disharmonie der Welt. Gib ihr neue Prägung.
Bringe sie geistig zu neuer Erhebung.

Trüber Herbsttag

John Atkinson Grimshaw (1836-1893)

Die Zeit scheint inhaltslos und schwer,
ein Vakuum, dem Energie entzogen;
von Regenstunden vollgesogen,
sind Häuser sichtlich nebelleer.

Vereinzelt gehen schnelle Schritte
vorüber an beschlag’nen Scheiben,
verlaufen sich im Klang der Tritte,
um sich dem Grauton einzureihen.

Ein dumpfes Dämmern fließt durch Adern,
Melancholie zieht an den Schwachen.
Vom Fluss des Herzens rinnt ein Hadern,
dem Schlafen näher als dem Wachen.

Voll Schweigen geht des Jahres Gang,
nach kleinen Schritten bleibt es stehen.
Von ferne lässt geweihter Sang
vom erdentrückten Land sich wehen.

So altvertraut klingt diese Melodie,
die sich vor Zeiten an die Welt verlor.
Ich war noch niemals dort, doch lieb ich sie.
Die Welt ist hier und mein Zuhause dort!

Mein Engel

Patrick Seidel (1981-2019)

Mein Engel warst du – hab‘s zu spät erkannt.
War Mutter dir, musste auch Vater sein.
Dein richt’ger, der im andern Land,
längst fort für immer, er ließ uns allein.

Hab mich bemüht, wie’s jede Mutter tut,
die ihren Schatz behüten will und muss.
Stets Sorge trug ich. War das alles gut?
Es bleiben viele Fragen, nach dem Schluss.

Dein Kindermund – er hat so gern gelacht!
Er war mir alles, doch ich hab geschwiegen.
Dass ich dich liebe, hab ich dir gesagt;
ich wünschte, dich noch mal im Arm zu wiegen.

Stolz war ich, wo die übrigen Familienkreise
nur abwertend über dich sprachen.
Hautfarbe: braun, und nicht wie sie, die Weißen,
als „Niggerkind“, den ‚Stab über dich brachen‘.

Du warst mein Augenstern! Die kleine Welt,
die ich dir bot, war alles, was ich geben konnte.
Ich war allein auf mich gestellt,
als Gott mich mit dir reich belohnte.

Gelassenheit hast du mir vorgelebt,
wo ich die Ordnung suchte und den Halt.
Du bist mir voll des Lebens fort geschwebt,
als man dich rief, ging die Gestalt.

Für welche Schuld ist meines Leidens Lohn?
Ist sie bezahlt? Nun kommt geweiht, die Nacht!
Feiere sie jährlich nur mit dir, mein Sohn.
Schau, viele Kerzlein hab ich schon entfacht.

Und bald hebt an das wundersüße Singen,
wenn Gott es will, nimmt er mich mit.
Hebt mich zu dir, auf unsichtbaren Schwingen…
mein Traumbild flieht…muss noch ein kurzes Stück.

Das letzte Wegstück ist des Kreuzes Sinn,
wird bitter auf mir ruhn – ein schwer Geschick.
Doch Kreuzesträger sein, ist Menschenlohn,
getragenes Leid wird allergrößtes Glück.

Novemberluft-Gespenster

von <Ephides>

„Schließ die Türen, schließ die Fenster!
Die Novemberluft-Gespenster
drängen, drücken sich herein!
Sag, wie soll ich sie vertreiben?
Dunkelheit hockt vor den Scheiben
wie ein sprungbereites Tier,
um auf leisen Raubtiersohlen,
seine Beute sich zu holen,
schleicht der Wind – bald dort, bald hier.
Reißt er tückisch eine Ecke
vom Gesimse -, schnell, verstecke,
schnell, errette mich vor ihm!“

Kind, mein Kind, du siehst Gespenster,
weil du zwischen Tür und Fenster
wie in einer Festung haust!
Deine Seele geht gefangen
zwischen Bangen und Verlangen,
zwischen Mauern, die du baust,
hin und her und auf und nieder,
klingt dein Schritt gespenstisch wider.
Ist’s das Echo nicht allein!
Hinter feindlich starken Mauern
hört sich Bitten an wie Lauern:
„Sieh, mein Kind, das macht der Stein!“

Kann dich Wind und Dunkel schrecken
und das Bröckeln morscher Ecken?
Brennt dein Licht so trüb in dir?
Kannst du nichts als Böses sehen,
nur weil die da draußen stehen?
Komm, mein Kind, und sprich mit mir:
Fenster auf und auf die Türen!
Wollt ihr Licht und Liebe spüren,
Ruhelose kommt herein!
Könnt am hellen Herd euch wärmen
Und gestärkt ins Freie schwärmen,
Gottes ist auch euer Sein!