Mein Bruder

Foto: privat ca. 1968
Du warst für ihn,
was ich nie werden sollte:
Sein Papa Kind.
Er blickte stolz auf dich.

Abneigung war es,
die stets in ihm grollte;
kein Fünkchen Liebe
hatte er für mich.

Wir wurden groß
im Chaos der Gefühle,
das lenkte uns
auf unbestimmte Bahn.

Wie ich noch heut
den Druck des Müssens fühle,
der mir durch Enge
meinen Atem nahm!

Du schafftest deine Lehrzeit,
was ihn freute;
ich meine nicht,
sie gab mir keinen Sinn.

Dann nahmst du Drogen,
was dich später reute,
„Good bye!“ – Abschied und aus -
der dunklen Zeit Beginn.

Verschwunden sind sie,
die vertrauten Stimmen,
der Oma, Mutter, Vater,
du, sein Kind.

In Tübingen, da lebst du -
letztes Glimmen,
vom denen, die nicht mehr
am Leben sind.

Wie gerne wärst du
damals deinem Sehnen
nach Wiedersehn gefolgt,
ein einziges Mal.

Die Drogen luden dir
den Fron mit harten Szenen,
auf Geist und Körper,
viele an der Zahl.

Bist innerlich nur noch
von Angst zerrissen;
bist nicht mehr der,
der du gewesen bist.

Mir bleibt im Hoffen
ein geheimes Wissen,
dass unser Wiedersehen
im neuen Frühling ist.

Morgenphantasie

von Friedrich von Schiller

Frisch atmet des Morgens lebendiger Hauch,
purpurisch zuckt durch düstre Tannenritzen
das junge Licht und äugelt aus dem Strauch,
in goldnen Flammen blitzen
der Berge Wolkenspitzen,
mit freudig melodisch gewirbeltem Lied
begrüßen erwachende Lerchen die Sonne,
die schon in lachender Wonne
jugendlich schön in Auroras Umarmungen glüht.

Sei, Licht, mir gesegnet!
Dein Strahlenguß regnet
erwärmend hernieder auf Anger und Au.
Wie silberfarb flittern
die Wiesen, wie zittern
tausend Sonnen im perlenden Tau!
In säuselnder Kühle
beginnen die Spiele
der jungen Natur,
die Zephire kosen
und schmeicheln um Rosen,
und Düfte beströmen die lachende Flur.

Wie hoch aus den Städten die Rauchwolken dampfen,
laut wiehern und schnauben und knirschen und stampfen
die Rosse, die Farren,
die Wagen erknarren
ins ächzende Tal.
Die Waldungen leben
und Adler und Falken und Habichte schweben,
und wiegen die Flügel im blendenden Strahl.

Den Frieden zu finden,
wohin soll ich wenden
am elenden Stab?
Die lachende Erde
mit Jünglingsgebärde
für mich nur ein Grab!

Steig empor, o Morgenrot und röte
mit purpurnem Kusse Hain und Feld.
Säusle nieder, Abendrot und flöte
sanft in Schlummer die erstorbne Welt.
Morgen – ach! du rötest
eine Totenflur.
Ach! und du, o Abendrot, umflötest
meinen langen Schlummer nur.

Friedrich von Schiller (10. November 1759-09. Mai 1805)

Aus meinem autobiografischen Roman: https://www.gottes-bilderbuch.de/gedenken-an-friedrich-von-schiller-zum-todestag-am-09-mai-1805

Neue Zeit

Leberblümchen – Quelle: Pinterest
Was ich sehen sollte, habe ich gesehen
und gefühlt so manche Dinge;
hab viel Zeit vertan und muss gestehn,
dass ich heut noch mit den Bildern ringe.

Die Vergangenheit, sie hält mich wach,
manchmal richtet sie den Blick auf mich.
Manchmal werde ich im Starksein schwach,
weine bittere Tränen, innerlich.

Irgendwann kommt eine neue Zeit,
sie spült alles Alte in mir fort;
finde Ganzheit und Vollkommenheit
an der blauen Blume Sehnsuchtsort.

Drang des Handelns

Prozession im Nebel – Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855)
Wir sind von sterbender Natur,
geboren, um zu bauen diese Welt;
im Auf und Ab des Daseins Schicksalsspur,
die nebelhaften Pfade gehn, wie’s uns gefällt.

Vertrauend folgen wir dem Drang des Handelns,
um, was wir schufen, staunend anzusehen:
Das Wissen steht im Licht des Wandels,
es offenbart sich hässlich oder schön.

Nichts scheint mehr sinnbefreit, dient dem Verstehen
und offenbart sein Für und Wider,
hat Ausgleich und Vergeltung vorgesehen -
was wertlos schien, gewinnt Bedeutung wieder.

Vollkommenheit – der Weg dorthin ein Wählen,
Naturgesetze sind die Pflastersteine;
Aufrichtigkeit befreit von allem Quälen,
Ausgleich für Fehler treibt die müden Beine.

Nur eine Spur

Bild von beasternchen auf Pixabay
Nur eine Spur, die aussagt: Ich war hier!

Ein paar Gedanken zur Erinnerung auf Papier –

nur eine Schwingung, wie das Pendeln einer Uhr,

im Lauf der Zeiger stets dieselbe Spur.

Der Augenblick – vielleicht nur ein Gedicht.

Das war’s alsdann – ich lösch mein kleines Licht,

schließ meine Seele zu, und meine innere Welt

ist eine Weile nur auf Stille eingestellt.

Hier ist es ruhig geworden.

Ich ziehe mich zurück und werde eine kleine Pause machen.
Genießt das schöne Wetter und bleibt gesund.

Bis bald!

Der Weiher

von Annette von Droste-Hülshoff

Weiher am Wald – Quelle: Pinterest
Er liegt so still im Morgenlicht,
so friedlich wie ein fromm Gewissen;
wenn Weste seinen Spiegel küssen,
des Ufers Blume fühlt es nicht;
Quelle: Pinterest
Libellen zittern über ihn,
blaugoldne Stäbchen und Karmin,
und auf des Sonnenbildes Glanz
die Wasserspinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
und horcht des Schilfes Schlummerliede;
ein lindes Säuseln kommt und geht,
als flüstr' es: Friede! Friede! Friede!
Annette von Droste-Hülshoff (1797-1848)

Stille des Himmels

Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)
Motorengeräusche und Lärm auf den Straßen
durchdringen doppelte Fensterscheiben;
nie gewöhnt an die Laute - nach außen, gelassen,
Beschaulichkeit muss auf der Strecke bleiben.

Man schiebt Jalousien als Sonnenblende,
vor den Lauten des Alltags schirmt man sich ab;
hinzu eine Prise TV-Elemente
mit lauter Beschallung - der Muße Grab.

Momente der Ruhe – zu Kränzen binden,
in Träumen nur wandeln durch Wiesen und Wald;
abgeschieden vom Leben Genüge finden,
wo die Stille des Himmels widerhallt.

Verbindung

In spiritueller Verbundenheit mit der geistigen Heimat. intuitiv empfangen 2003, als ich zu schreiben begann.
Théodore Chassériau (1819 –1856) – Ein Engel betet im Garten

Beseelt von neuem Glück will ich dir schreiben,
in manchen Reim versteckter Weisheit Sinn,
vieles wird wie die Sphinx zwar groß und schön,
doch umso rätselhafter bleiben,
das Wort wird lenken deinen Weg zu Anbeginn;
und während ich gedanklich mich im Vers verbinde,
verrinnen die Sekunden visionär;
ersehnend fühl’ ich lang vergangene Erdengründe –
die Zeit, sie flog dahin, als ob‘s ein Lidschlag wär‘.

Bist Führer meiner Seele fehlend’ Hand,
bin nur im Geiste das verborg‘ne Glied,
hinter des Schleiers Anderwelten, unerkannt,
bin ich Vermittler, spinne dir mein Lied.

Ich bleibe stumm, habe nur diese Zeilen,
um dir zu sagen: Sinnend wart’ ich hier!

So sehr ein Wort verletzt, so sehr kann es auch heilen;
bin nur gedankenweit entfernt von dir.

Du wirst es spüren: Wenn ich bei dir weile,
vergessen wir gemeinsam Zeit und Raum,
wenn ich vom Licht des Universums schreibe,
verschmelzen Endlichkeit und Ewigkeit im Traum.

So, wie ein Wolkenband den Himmel ziert,
so sollen die geschrieb‘nen Worte sein,
Gedanken, wie von Engeln inspiriert,
sie gehen tief ins menschlich‘ Herz hinein.

Mit letzter Kraft

Quelle: Pinterest
Gang runter und mit letzter Kraft
den Berg erklimmen, der in Sicht.
Die Sonne sinkt. Bald wird es Nacht.
Sie taucht die Welt in rötlich Licht.

Bald ruht das Schweigen auf dem Hügel,
der mich umschließt in dunkler Welt.
Der Seele wachsen Himmelsflügel,
die Silberschnur, sie reißt – nichts fehlt.

Die Zeit hat sich ins Nichts verkrochen,
der Geist, die Energie, sie schweigt;
Gedanken reisen durch Epochen,
ätherisch sich das Dasein zeigt.

Ich bin zurück! Im Geist verbunden -
kein Wort beschreibt das ew’ge Licht;
der Sprache Klang, er ist verschwunden,
weil‘s einfach unbeschreiblich ist.

Bruchstücke

Foto: privat – Rheinaue Duisburg-Friemersheim
Der Ort, geleert von Augenblicken,
die frühlingshaft das Jahr bescherte,
als hinter rosa Wolkenstücken
ein grauer Himmel aufbegehrte.

Der Abgang, Trauma bitterer Note,
geschmacklich heute noch im Mund.
Verwandelt ist der Liebesbote,
verschwundner Geist im Nebelgrund.

Es kühlte Regen heiß Geliebtes
und wusch es fort, als Unbekannten.
Erloschen ist sein Strahlen, trieb es
in die mentalen Alltagsschranken.

Versiegt ist längst die alte Quelle,
gespeist von einst geträumten Dingen;
verflossen sind die Sehnsuchtswellen.
Nur im Alleinsein liegt Gelingen!