Dahingesagtes gleich wieder vergessen - sind staubaufwirbelnde Worte gewesen, die matt bedeckten, was glänzend war, verletzende Pfeile stellte es dar.
Im Gedächtnis verloren – für andere nie. Ausgemerzt durch beißende Ironie; warmschlagende Herzen, die in Freude beglückt, mit erstickenden Worten zu Asche erstickt.
Feuer gelöscht, zur Kränkung allzeit bereit, ohne Liebe mit gehässiger Gleichgültigkeit. Was ein geliebter Mund einst eisig gesprochen, hat so manchem Sensiblen das Herz gebrochen.
Denn jede Enttäuschung, die sie erfahren, schlägt eine Wunde mit bleibenden Narben. Die einst Verletzten leiden daran, weil die Narbe aufs Neue aufbrechen kann.
Ein Engel streifte nachts mein Haar, streute mir Traumgesichte in den Sinn. Betört und friedvoll lag ich anfangs da und folgte meines Traumes Anbeginn:
Ich sah entlang des Stadttors dunkle Mauern und an dem schwarzen Turme Fackelfeuer. Mich trieb die tiefe Welle des Bedauerns, als ich vernahm, das klagende Gemäuer.
Es schien, als drängten Tränen durch die Ritzen, sie liefen auf den dunklen Grund hernieder und bildeten in salzig, kleinen Pfützen die Münder, weinend, mir als Bilder wieder.
War all der vielen Unsichtbaren Trauer, die man gequält, entmenschlicht, umgebracht. Die hinter heren, alten Kirchenmauern erlagen Folterungen dunkler Macht.
Ich hörte Schreie von den längst Verbrannten, sah Höllenfeuer unter ihren Füßen. Be-Geisterung bei ihren Art-Verwandten, die Gaffer, die noch Lebenszeit verbüßten.
Brutale Folter und Tötung von Frauen durch den Klerus bis ins 18. Jahrhundert
Vernahm das dumme Volk in dichten Schleiern, ein schwarzer Vorhang deckte ihr Gesicht. Sah sie im Hier und Jetzt und damals feiern – Vergangenheit entband im neuen Licht.
Noch immer gibt es üble ‚Weltenlenker‘, die Staatsgewalt als gottgegeben präsentieren. Die sich durch Religion bigotter Denker zu teuflischen Armeen formieren.
Der Engel ist längst fortgegangen. Mit ihm verging mein Traum; ich bin erwacht. Die Welt ist alt und neu das menschliche Verlangen, doch hat es Unbewusstes klar gemacht?
Ist Böses nicht schon immer bös gewesen? „Du sollst nicht töten“, unsere größte Pflicht? Die Welt wird nicht am Leid genesen, egal ob Priester oder Führer spricht!
Mit versteinerter Miene stand der Henker breitbeinig und wie eingepflanzt auf der Mitte des dörflichen Marktplatzes. Das Volk strömte herbei und versammelte sich laut grölend um den Platz direkt hinter der Kirche. Es beschimpfte die Angeklagte mit Hurenweib und Teufelin, die den Strick nicht wert sei, um vom Leben zum Tod gebracht zu werden. Brennen sollte sie! Brennen!
Eva Maria wurde von ihren Peinigern an den hölzernen Pfahl gebunden. Auf einem Karren war sie im grobleinenen Büßergewand zum Richtplatz gefahren worden. Das Haupt hatte man ihr zuvor kahl geschoren. Mit leeren, umschatteten Augen starrte sie zum Himmel hinauf, als würde sie auf ein Wunder warten. Kein Schluchzen, kein Klagen kam über ihre Lippen. Ihr Tränenfluss war längst versiegt. Sie schwieg. Nur das Kind, das sie unter ihrem Herzen trug, konnte die Todesangst spüren, die mehr und mehr von ihr Besitz ergriff. Der Scheiter war längst entzündet, und der harzige Duft von schwelenden Tannenscheiten kroch in ihre Nase und gemahnte an den qualvollen Tod, den sie gleich erleiden sollte. Im Stillen bat sie Gott darum, der Henker möge sich ihrer erbarmen und aus dem langsamen Sterben durch einen Dolchstoß ein kurzes machen.
Unter der langen, grausamen Folter hatte sie schließlich mit gebrochenen Gliedern den Beischlaf mit Satan gestanden und zugegeben, dass er sich ihr mit phosphorischem Leuchten und nach Schwefel riechend genähert habe. Alsdann hätte sie sich mit ihm vereinigt und verbündet. Nun trug sie ein Kind der Hölle von ihm. Der Abt hatte den Stab über sie gebrochen und das Urteil gesprochen: Sie musste brennen, wie auch der teuflische Bastard in ihr brennen musste!
Kein Jammern, keine Reue, keine Erklärung hatte ihr helfen können. Der Teufel ging um in den mittelalterlichen Gemäuern, Kirchen und Dörfern. Allerorts warnte man vor ihm. Selbst in der Kirche, auf den Märkten und Gassen, in den armseligen Küchen und Kammern, bei Tag und in der Nacht versuchte er die Seelen der Menschen. Er fing sie wortgewandt und listig mit seinen teuflischen Netzen und brachte Unheil über Ernte, Vieh und Dorfgemeinschaft.
Ich bin! doch was ich bin, wer kümmert sich darum, oder weiß es? Meine Freunde lassen mich im Stich, wie eine verlorene Erinnerung. Ich bin der Selbstverzehrer meines Leids. Sie steigen auf und verschwinden, eine vergessene Schar, Schatten des Lebens, deren Seele verloren ist. Und doch bin ich – ich lebe – obwohl ich hin und her geworfen werde.
In das Nichts der Verachtung und des Lärms, in das lebendige Meer des wachen Traums, wo es weder Sinn des Lebens noch Freuden gibt, sondern der große Schiffbruch der eigenen Wertschätzung und alles, was mir lieb ist. Selbst die, die ich am meisten liebte sind mir fremd – ja, sie sind mir noch fremder als die andern.
Ich sehne mich nach Szenen, die der Mensch nie betreten hat, wo die Frau noch nie lächelte oder weinte – um dort bei meinem Schöpfer, Gott, zu verweilen, und zu schlafen, wie ich in der Kindheit süß schlief, voller hoher Gedanken, ungeboren. So lasst mich liegen, auf dem Gras, über mir der gewölbte Himmel.
Wieder ein Fall von Dichtung und Wahnsinn wie bei Hölderlin. Auch ihm war die radikale Freiheit zur Selbstbestimmung nicht nur eine Chance, sondern auch eine Last geworden. s. dazu Wikipedia: John Clare
Ich glaube daran, dass der menschliche Geist auf einer anderen Ebene existiert und auf Abruf in diese Welt hineingeboren wird, entweder um zu lernen oder anderen Menschen zu helfen. Wir müssen uns nach der Geburt entwickeln und selbst entscheiden, wer wir sein wollen und welchen Sinn wir unserem Leben geben. Das ist ein langer Prozess.
Zu dem Gedicht „I am“. Es ist schwer englische Ur-Fassungen in deutsche Verse zu übersetzen. Hier ist es zwar gelungen, doch in reimfreier Lyrik gefällt mir das Gedicht besser. Es klingt sanfter, und dann wird es meinem ähnlich im Klang. Den Sinn des Textes kann ich sehr gut nachempfinden.
In John Clare verbarg sich ein gewisses Dunkelsein, wie auch in Rilke. Damit vergleichen mag ich mich nicht. Ich kann nur sagen, dass meine Lyrik teilweise aus genau diesem Zustand entsteht. Die dunklen Erfahrungen der Vergangenheit führen hinaus aus der Oberflächlichkeit in die Freiheit der Worte.
Originaltext:
I am
I am! yet what I am who cares, or knows? My friends forsake me, like a memory lost. I am the self-consumer of my woes, They rise and vanish, an oblivious host, Shadows of life, whose very soul is lost. And yet I am — I live — though I am toss’d.
Into the nothingness of scorn and noise, Into the living sea of waking dream, Where there is neither sense of life, nor joys, But the huge shipwreck of my own esteem And all that’s dear. Even those I loved the best Are strange — nay, they are stranger than the rest.
I long for scenes where man has never trod — For scenes where woman never smiled or wept — There to abide with my Creator, God, And sleep as I in childhood sweetly slept, Full of high thoughts, unborn. So let me lie, The grass below; above, the vaulted sky.
Gereimt ins Deutsche übersetzt: (Prof. Manfred Pfister)
Ich bin
Ich bin! Doch was ich bin - mag's keiner wissen? Im Stich gelassen und gefallen aus der Zeit, verzehr ich mich in meinen Kümmernissen, die nah'n und geh'n in Selbstverlorenheit, Schatten des Daseins, einem seelenlosen, und doch bin ich und leb', wenngleich verstoßen
ins Nichts aus Lärm und Hohn und Bitterkeit ins aufgewühlte Meer des wachen Traums, wo kein Gefühl mehr ist und keine Freud, nur noch das Wrack des alten Selbstvertrau'ns und allem, was mir lieb. Selbst die, die mir am nächsten standen, sind fremd mir - ja - sind fremder als die andern.
Ich sehn' nach Orten mich, wo nie ein Mensch je ging, wo niemals eine Frau geweint, gelacht, um dort zu sein bei Gott, dem Schöpfer aller Ding, zu schlafen wie als Kind ich schlief in sichrer Nacht, voll guten Sinns, in Mutters Schoß. Lasst mir die Ruh, das Gras - mein Bett, der Himmel deckt mich zu.
Wie der Wind sein, der Starres lebendig macht, der den Geist des Lebens atmend über die Erde streift, sie in Ruhe wiegt, wenn er sanft darüberfährt, Wurzelloses entfernt und alles Haltlose mit sich trägt in seiner Wildheit, wirbelnd wie im Tanze, aufbäumend zu einem Strudel beseelender Erneuerung.
Wie das Wasser sein, das durch Felsen bricht, aus Höhen gefallen in die Tiefe stürzt vor steiniger Wand, das auswäscht die Verkrustungen der Welt, ungestüm rüttelt an Blockaden, die vor rechten Wegen stehn, zielbringend Leichtigkeit trägt wie schweres Holz, über die Untiefen des Lebens.
Wie die Sonne sein, die gleich gültig auf alles scheint, gleißend den Himmel malt beim Auf- und Untergang, die die Erde streichelt mit Sonnenhänden, sie verbrennt, um umzuschaffen, zu erneuern, im Sinne des Großen Geistes, der in allem ist.
Das, was vergeht, wird auferstehn, das ist des Lebens Sinn.
Wo Nebelgeister schweben und vergehen, im Reich der Sehnsuchtslosen, wo sie im Grau der Städte untergehen, als würden sie in Gischt und Wellen tosen.
Im Dunkel jener Zeiten suchen, finden, die doch den Blick im Rausch nicht heben; wo ihre Geister sich an Bilder binden, die nicht nach Liebe und Erfüllung streben.
Dann lieber angesichts der Sterne sterben, mit sehnsuchtsvollem Blick nach oben; als Wegbereiter hoffnungsvoll vererben den Fingerzeig des Lichts von droben.
Alltagsgetrieben wirbeln die Worte des Hingesagten wie Staub so schwer; sie sind wie Blei in Ohren zu orten, bis sie ermatten, ausgemerzt und leer.
Stückweise haften sie eine Weile, wie Verbranntes, als Asche in Glut, bis sie erlischt in ruhigem Ereilen der neuen Worte, abkühlend und gut.
Jede Enttäuschung trägt unsere Seele und jedes Wort, das Versprechen brach; es schnürt noch lange uns die Kehle, wenn einst ein geliebter Mund es sprach.
Jugend vergeht, die Schönheit, die, wie frischer Tau, gekrönt auf Blüten ruht, ist nur ein Augenblick des Lebens in der Morgenglut.
Die Zeit verweht – mit Zeichen von Vergänglichkeit und Tod senkt sich die Hülle sanft ins Abendrot, hat Jugend, Schönheit, tief in sich vergraben und ihre Blüten fielen, als sie starben.
Erwacht der Tag im kühlen Hauch des morgens, so irrt er schläfrig noch durch Träume letzter Nacht; sendet das Licht, das scheinbar war verborgen, mit einem Glanz, der bunt und sichtbar macht.
Entfesselt breitet sich Natur und Schönheit im heimatlichen Raum zum Blütenteppich aus. Der Mai tanzt leicht beschwingt im weißen Kleid mit einem Kranz aus Liebe in die Welt hinaus.
Dorfschule – Wilhelm Ludwig Heinrich Claudius (1854–1942)
Wir bitten um das Heil der Welt und schaffen anderen Qualen. Die Erde ist ein Schulungsort - wir müssen Lehrgeld zahlen!
Gott richtet nicht mit Höllenglut, um Sünder zu verbrennen, Mensch schürt’s sich selbst und wird’s im Leid erkennen.
Kein Bußetun hilft Mensch dabei Schwere an Schuld zu tilgen; wäre ein Hohn, könnte er löschend das Leid des Dulders mildern.
Der Große Geist, Er gab gerecht uns Ordnung und Gesetze; im Leid fühlt Mensch was gut, was schlecht, heilt selbst, was ihn verletzte.
Spirituell bestimmen wir, was schicksalhaft uns bildet. Die Welt, die unvollkommen ist, wird uns den Zustand schildern.
Trotzt jedem Sturm in weiser Kraft, erfahrt das geistig Wahre. Ein Funke hat das Licht entfacht, das Gott uns offenbarte.
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