Es ist der Wind, der durch die Bäume fegt,
der peitschend mein Gesicht zerschneidet,
der sich hoch zu den weißen Wolken hebt
und tief sich mit dem Boden dann vereinet;
der die Natur mit fester Hand stets voran treibt
und nächtelang um meine Hauswand heult,
der Räder drehend in den Sphären bleibt,
als Weltengärtner Samen um sich streut.
Er ist der rastlose Motor der Welt,
denn ohne ihn versiegt das Leben;
ob stürmisch oder milde eingestellt,
vereint er sich mit Sonne, Mond und Regen.
Schlagwort: Lyrik
Sonne
Sonne, du ewige,
wirfst letzten Glanz
in das Abenddämmern.
Bringst Stille und Frieden
in die Schattenmeere.
Glättest bei gedämpftem Licht
des Tages Sorgenfalten
und bettest ihn schweigend ein,
in deine graue Stunde.
Hölle
Satans lieblose Sphäre der Frevel.
Dem Guten abgewandte
finstere Welt der Schatten.
Dimension der Bewusstlosigkeit.
Ohne Gott sein ist Qual.
Unterwelt der Dämonen und Ängste.
Erlösung der geistig Toten
durch Jesus am Kreuz,
Reinkarnation als Bewährung.
Heimkehr der verlorenen Söhne und Töchter.
Aus der Verdammnis
zurück in die himmlische Reinheit.
Zerbrochen
So viele Tränen hab ich geweint,
zu Hause in dunkelster Stunde.
So viele Verse hab ich gereimt,
sie tragen des Leids bittre Kunde.
Vergeblichkeit spür’ ich, in all meinem Tun,
bei Tag und bei Nacht in den Gliedern.
Meine zerbrochene Seele muss ruhn.
Gabst meinem Gefühl kein Erwidern.
Mit vollen Händen stand ich vor dir,
gab dir mein Herz, unverwunden.
Du hast’s genommen, doch was gabst du mir:
Nur ein paar gestohlene Stunden!?
Brachte der Wahn nach vermeintlichem Glück,
nur Illusionen und Träume zum Blühen,
lass’ ich mit bittrer Enttäuschung zurück,
all’ meine Hoffnung, mein Mühen.
Alles im Wandel! Die Gegenwart rinnt
wie feiner Sand durch die Hände,
auch, wenn das Sehnen tief in mir brennt,
so fühl ich doch: Es ist zu Ende.
Wieder hat meines Schicksals Geschick
ein bittres Kapitel geschrieben.
Die Zeit begräbt mein scheinbares Glück,
ich werd’ von ihr weiter getrieben.
Lange noch sucht die Sonne vergebens,
einen Weg, durch die Wolken zu scheinen.
Solang’ der gänzliche Sinn meines Lebens,
ist, deinen Verlust zu beweinen.
Strudel
Edler Schein,
silbriges Fließen.
Licht formt verhärteten Geist,
löst seine Gestalt,
elementar.
Stetig und kreisend
dreht sich der Lauf aller Dinge.
Niemals im Stillstand;
wechselt Formen und Farben.
Strudelt in haltlose Tiefen,
wird aufs Neue geboren,
veredelt zum Aufstieg.
Erlöste Glückseligkeit!
Dämon
Versteckst dein magisches Auge.
Versuchst zu beherrschen, verführen.
Dein Auftrag Zerstörung,
Dein Urgrund Verzweiflung.
Ich sah dich im Spiegel,
ließ dich ins Bewusstsein.
Begeisterst die Menschen.
Gut oder Böse?
Sekunde der Wahl.
Durch Liebe erlösen,
positiv wandeln
in Christus Namen,
zum inneren Frieden.
Dunkle Jahre
Der Tränen hab’ ich viel vergossen,
in stetem Leid ertrank mein Herz
und war’n die Augen fest geschlossen,
empfand ich tiefen Seelenschmerz.
Ich irrte lange durch die Zeiten,
fand keinen Menschen, der mich trug,
ließ mich von Traurigkeit begleiten,
nur Ablehnung fand ich genug.
So gingen hin die alten Tage,
mir folgte nur die Einsamkeit,
nichts änderte die Lebenslage,
die Liebe blieb so fern, so weit.
Mein Herz, das suchte stets den Wandel,
doch Menschen brachten nicht das Glück
und durch das oftmals falsche Handeln,
blieb nur die Bitterkeit zurück.
Nach langen dunkeltrüben Jahren
sind’s neue Wege die ich gehe,
ich darf mit Dankbarkeit erfahren,
die liebevolle Gottesnähe.
Hölle auf Erden
Mit großen Lebensfehlern,
die wir einst gemacht,
pflastern wir uns die eigne Erdenhölle,
die uns umgibt,
wie rabenschwarze Nacht,
wo dunkle Mächte fordern ihre hohen Zölle.
So, wie ein Strudel,
der uns aus der Mitte reißt,
und dann erbarmungslos in seine Tiefen zieht,
wie uns ein Sturz den Aufprall wohl verheißt,
wenn man mit großen Augen in den Abgrund sieht,
so quält allgegenwärtig unser Missgeschick,
versperrt den Blick zu neuen, guten Dingen,
und standen wir schon auf dem ob’ren Leiterstück,
muss dann ein neuer Aufstieg erst gelingen.
So werden wir die Meister unsres Lebens,
gelernt sein muss ein jeder unsrer Schritte,
und mühen wir uns manchmal auch vergebens,
die Umkehr führt uns heim in unsre Mitte.
Freundschaft
Freundschaften wachsen tief ins Herz,
so ganz und gar verbunden,
fühlt man gemeinsam Freud’ und Schmerz,
gute und schlechte Stunden.
So edel manches Freundschaftsband
schien tief und fest verwoben,
ist es auf einmal kurzer Hand,
uns plötzlich fort geflogen.
Frühherbst
Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.
Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.
Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt —
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.
Agnes Miegel (1879 – 1964)