Stille des Himmels

Hans Andersen Brendekilde (1857-1942)
Motorengeräusche und Lärm auf den Straßen
durchdringen doppelte Fensterscheiben;
nie gewöhnt an die Laute - nach außen, gelassen,
Beschaulichkeit muss auf der Strecke bleiben.

Man schiebt Jalousien als Sonnenblende,
vor den Lauten des Alltags schirmt man sich ab;
hinzu eine Prise TV-Elemente
mit lauter Beschallung - der Muße Grab.

Momente der Ruhe – zu Kränzen binden,
in Träumen nur wandeln durch Wiesen und Wald;
abgeschieden vom Leben Genüge finden,
wo die Stille des Himmels widerhallt.

Verbindung

In spiritueller Verbundenheit mit der geistigen Heimat. intuitiv empfangen 2003, als ich zu schreiben begann.
Théodore Chassériau (1819 –1856) – Ein Engel betet im Garten

Beseelt von neuem Glück will ich dir schreiben,
in manchen Reim versteckter Weisheit Sinn,
vieles wird wie die Sphinx zwar groß und schön,
doch umso rätselhafter bleiben,
das Wort wird lenken deinen Weg zu Anbeginn;
und während ich gedanklich mich im Vers verbinde,
verrinnen die Sekunden visionär;
ersehnend fühl’ ich lang vergangene Erdengründe –
die Zeit, sie flog dahin, als ob‘s ein Lidschlag wär‘.

Bist Führer meiner Seele fehlend’ Hand,
bin nur im Geiste das verborg‘ne Glied,
hinter des Schleiers Anderwelten, unerkannt,
bin ich Vermittler, spinne dir mein Lied.

Ich bleibe stumm, habe nur diese Zeilen,
um dir zu sagen: Sinnend wart’ ich hier!

So sehr ein Wort verletzt, so sehr kann es auch heilen;
bin nur gedankenweit entfernt von dir.

Du wirst es spüren: Wenn ich bei dir weile,
vergessen wir gemeinsam Zeit und Raum,
wenn ich vom Licht des Universums schreibe,
verschmelzen Endlichkeit und Ewigkeit im Traum.

So, wie ein Wolkenband den Himmel ziert,
so sollen die geschrieb‘nen Worte sein,
Gedanken, wie von Engeln inspiriert,
sie gehen tief ins menschlich‘ Herz hinein.

Mit letzter Kraft

Quelle: Pinterest
Gang runter und mit letzter Kraft
den Berg erklimmen, der in Sicht.
Die Sonne sinkt. Bald wird es Nacht.
Sie taucht die Welt in rötlich Licht.

Bald ruht das Schweigen auf dem Hügel,
der mich umschließt in dunkler Welt.
Der Seele wachsen Himmelsflügel,
die Silberschnur, sie reißt – nichts fehlt.

Die Zeit hat sich ins Nichts verkrochen,
der Geist, die Energie, sie schweigt;
Gedanken reisen durch Epochen,
ätherisch sich das Dasein zeigt.

Ich bin zurück! Im Geist verbunden -
kein Wort beschreibt das ew’ge Licht;
der Sprache Klang, er ist verschwunden,
weil‘s einfach unbeschreiblich ist.

Bruchstücke

Foto: privat – Rheinaue Duisburg-Friemersheim
Der Ort, geleert von Augenblicken,
die frühlingshaft das Jahr bescherte,
als hinter rosa Wolkenstücken
ein grauer Himmel aufbegehrte.

Der Abgang, Trauma bitterer Note,
geschmacklich heute noch im Mund.
Verwandelt ist der Liebesbote,
verschwundner Geist im Nebelgrund.

Es kühlte Regen heiß Geliebtes
und wusch es fort, als Unbekannten.
Erloschen ist sein Strahlen, trieb es
in die mentalen Alltagsschranken.

Versiegt ist längst die alte Quelle,
gespeist von einst geträumten Dingen;
verflossen sind die Sehnsuchtswellen.
Nur im Alleinsein liegt Gelingen!

Der Totentanz

von Johann Wolfgang von Goethe (1813)
    Der Türmer, der schaut zu Mitten der Nacht
hinab auf die Gräber in Lage;
der Mond, der hat alles ins Helle gebracht;
der Kirchhof, er liegt wie am Tage.
Da regt sich ein Grab und ein anderes dann:
Sie kommen hervor, ein Weib da, ein Mann,
in weißen und schleppenden Hemden.

Das reckt nun, es will sich ergetzen sogleich,
die Knöchel zur Runde, zum Kranze,
so arm und so jung, und so alt und so reich;
doch hindern die Schleppen am Tanze.
Und weil hier die Scham nun nicht weiter gebeut,
sie schütteln sich alle, da liegen zerstreut
die Hemdelein über den Hügeln.

Nun hebt sich der Schenkel, nun wackelt das Bein,
Gebärden da gibt es vertrackte;
da klippert’s und klappert’s mitunter hinein,
als schlüg‘ man die Hölzlein zum Takte.
Das kommt nun dem Türmer so lächerlich vor;
da raunt ihm der Schalk, der Versucher, ins Ohr:
Geh! hole dir einen der Laken.

Getan wie gedacht! und er flüchtet sich schnell
nun hinter geheiligte Türen.
Der Mond, und noch immer er scheinet so hell
zum Tanz, den sie schauderlich führen.
Doch endlich verlieret sich dieser und der,
schleicht eins nach dem andern gekleidet einher,
und, husch, ist es unter dem Rasen.

Nur einer, der trippelt und stolpert zuletzt
und tappet und grapst an den Grüften;
doch hat kein Geselle so schwer ihn verletzt,
er wittert das Tuch in den Lüften.
Er rüttelt die Turmtür, sie schlägt ihn zurück,
geziert und gesegnet, dem Türmer zum Glück,
sie blinkt von metallenen Kreuzen.

Das Hemd muß er haben, da rastet er nicht,
da gilt auch kein langes Besinnen,
den gotischen Zierat ergreift nun der Wicht
und klettert von Zinne zu Zinnen.
Nun ist’s um den armen, den Türmer getan!
Es ruckt sich von Schnörkel zu Schnörkel hinan,
langbeinigen Spinnen vergleichbar.

Der Türmer erbleichet, der Türmer erbebt,
gern gäb er ihn wieder, den Laken.
Da häkelt – jetzt hat er am längsten gelebt –
den Zipfel ein eiserner Zacken.
Schon trübet der Mond sich verschwindenden Scheins,
die Glocke, sie donnert ein mächtiges Eins,
und unten zerschellt das Gerippe.
J. W. von Goethe (1749-1832)

Osterglocken

Foto: privat
Regenschleier, Nebel wallen –
Welt, wie kühl ist dein Erwachen!
Werden warme Sonnenstrahlen
Tagesstunden lichtvoll machen?

Wenn die Osterglocken läuten,
will des Klanges Ruf uns dienen,
und die frohe Botschaft deutet
jeder Ton, der schwingt in ihnen.

Noch verhüllt von dichten Zweifeln,
wie der Dunst die Sonne deckt,
wird der Glaube siegend reifen,
der erst klärt, dann siegt und weckt.

Schein-bar

Quelle: Pinterest
Wenn Gott den Schleier hebt und wir erkennen,
sie stimmt, die längst verspürte Ahnung,
die Zu-fall, Ein-sicht oder Geistesblitz wir nennen,
dann öffnet sich die Tür zur Offenbarung.

Sind wir nur Körper? Erdverlass’ne Kreaturen?
Ist unser irdisch Reich nur Schein, nicht Wirklichkeit?
Nur Spiegelbild, sich ändernd seit Äonen,
die leere Form - des Lebens abgestreiftes Kleid?

Was wir für wesentlich und wichtig halten,
dient der Materie - freier Geist wird Knecht.
Er dient im Kerker der Naturgewalten,
gefang’nes Ego, wird sich selbst gerecht.

Die Erden-Geister sind zu Eis erstarrtes Wasser;
in tiefster Unbewusstheit schwingt das Leben.
Ein auf Erlösung festgelegtes Raster,
den Geist in sich, zum Ursprung strebend.

Nur bei gefühltem Glück, da bricht die Hülle,
wenn das Bewusstsein durch die Mauern schaut
und Freiheit sieht, den reinen Geist der Fülle,
der fruchtbar wird, wie Eis, wenn Licht es taut.

Der Mond ist aufgegangen

Zwei Männer beim Betrachten des Mondes – Caspar David Friedrich

Im Jahre 1790 von Matthias Claudius als religiöses Abendlied geschrieben. Vertont wurde es noch im selben Jahr vom Hofkapellmeister Johann A. P. Schulz.


Der Mond ist aufgegangen,
Die goldnen Sternlein prangen
Am Himmel hell und klar;

Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar.

Wie ist die Welt so stille,
Und in der Dämmrung Hülle
So traulich und so hold!

Als eine stille Kammer,
Wo ihr des Tages Jammer
Verschlafen und vergessen sollt.

Seht ihr den Mond dort stehen?
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!

So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder
Und wissen gar nicht viel;

Wir spinnen Luftgespinste
Und suchen viele Künste
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts Vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!

Laß uns einfältig werden
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod!

Und, wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du unser Herr und unser Gott!

So legt euch denn, ihr Brüder,
In Gottes Namen nieder;
Kalt ist der Abendhauch.

Verschon uns, Gott! mit Strafen,
Und laß uns ruhig schlafen!
Und unsern kranken Nachbar auch!

Matthias Claudius (1740-1815)

Des Lebens Kür

Ostern 1957 – Foto: Almuth Köhler

Ich mag in der Vergangenheit wühlen,
der alten Bilderkiste;
je mehr ich die Kindheit von damals fühle,
reis ich auf holpriger Piste.

Nichts ist mehr so, wie es einmal war,
die Gesichter der Kindheit sind fort.
Ich bilde mir ein, alle wären noch da
und sehe mein Leben dort.

Es gibt so vieles, das sie mich gelehrt,
viel Bitteres trenn ich vom Guten;
bin wieder Kind, denke: Ist es verkehrt,
Stunden von damals zu suchen?

Die Suche nach Gott ist des Schicksals Sinn,
das Leben ist eine Kür;
der Familie dank ich, für das, was ich bin. –
Nur, weil sie gelebt, bin ich hier!

Mahl des Herrn

Letztes Abendmahl – Vladimir Kush *1965
Sein goldenes Blühen strahlte über allen,
die sich versammelten, zu dieser Stunde.
Des Meisters Nähe suchend, ihm gefallen,
ein jeder Jünger folgte seiner weisen Kunde.

Man lauschte seiner wortgewandten Stimme;
Er brach das Brot selbst mit dem längst Verführten.
„Nehmt’s hin, es sei mein Fleisch im hohen Sinne,
und seht, mein Geist ist der von Gott berührte.“

„Im süßen Wein liegt Wahrheit und das Leben.
Bald wird er bitter werden wie mein Sterben.
Soll zum Gedächtnis an mich Zeugnis werden,
den Geist der Wandlung bringen im Verderben.“

Das ‚Brot des Lebens‘ ist der Geist des Einen,
gebrochen mit den Menschen dieser Welt.
Verführt und ohne Glauben, wie sie scheinen,
hat Er als „Licht der Welt“ den Sinn erhellt.