Wie vergessene Tempel, weite Hallen, wild bedeckt von blütelosen Ranken, die einander schlingend, aufwärts wallen, dann zum Boden wiederkehrend sanken, die sich wegbegrünend mit dem Moose, fern vom Weltentrubel ausgebreitet, über Pfade, sonnenfernem Schoße, vom Gesang der Vogelwelt begleitet. Alte Steine in verfallenen Ruinen, wo die Stimmen geisterhaft im Winde flüstern, doch es führt kein Weg zurück zu ihnen, den Vergessenen, die hier gelebt im Düstern, die gebetet, dass das Böse heller werde, waren sie doch selbst wie Schatten auf der Erde. Wallen immer noch um die Altäre, sitzen auf den unsichtbaren Bänken, fühlen noch des Büßerhemdes Schwere, geißeln sich im blutvollen Versenken. Die Gebeine ruhen auf dem Grunde, Kreuz an Kreuz, in namenlosen Reihen; von dem Katafalk des Höchsten dieser Runde, tönt sein Schrei hinaus durch die Abteien.
Schlagwort: Verse
Grauer Tag
Grau verhangen sind die Tage und der Sommer geht dahin. Regen lässt die Blüten fallen, öde ist des Tags Beginn. Traurig sinnend folgt der Wache jedem Tropfen, der da fällt, hört das Trommeln auf dem Dache - es versinkt die Regenwelt. Durch die Stunden geht ein Rauschen, ein Gewitter zieht weit droben, Blitz und Donner – neue Güsse taumeln aus dem Nichts dort oben. Andere Sommer, andere Zeiten, andere Menschen, andere Götter. Einer bleibt: der Ewigliche - unbeirrt vom Regenwetter.
Staub der Erde
Der Ur-Grund unbegreiflich sich verschließt, obwohl des All-Bewusstseins Wissen in uns fließt; die Wissenschaft, im Grunde weiß sie nichts, weil täglich Neues im Bewusstseinslicht, weil die Erforschung, die ein ständig‘ Streben, nur tote Dinge schaffen kann, kein Leben. Der Mensch kreiert sein eigenes Gesetz, das sich dem Ursprungswillen widersetzt. Verbirgt sich nur die trügerische Welt des Scheins im Bild des materiellen Seins? Göttlich, erhaben, war der Sinn; der Mensch – erschaffener Geist, Beginn; in zweigeteilter* Gier nach Neuem, das „Es werde!“ „Adam“, der Mensch, gebildet aus der Ackererde. Die körperliche Welt ist endlich, wird zu Staub, ihr Geist ist ewig, wie der Lebensbaum, stets neu belaubt. Er steht in Ruhe, friedlich, kahl und winterstill, er weiß ums Auferstehen, wenn‘s der Frühling will.
Hebräisch: „Adam“ (אָדָם ʼādām) = Mensch, „Adama“ (אֲדָמָה ʼǎdāmāh) = Ackererde
*Adam und Eva = zweigeteilt
Bilder im Kopf
Was ich noch sagen wollte, halten Lippen noch verschlossen; unaussprechlich ist der Sinn, bis in Letter er gegossen. Meine Zunge hütet ihn und der Ausdruck schweigt im Hirn; viele Weichen muss er nehmen, um Synapsen zu entwirren. Innere Bilder nur, sie gleichen dem Gedankenfluss im Kopf; fließen durch die Nervenbahnen in die Hände wie ein Tropf. Um ein leeres Blatt zu füllen, strömen Worte aufs Papier und der Kopf wird frei für Neues – so reift ein Gedicht in mir.
Urlaub
Eine Weile fortzureisen, Urlaub nehmen von Daheim, neue Wege, die da weisen, die vom alten Trott befreien. Wo sich tummeln die Besucher, sind sie voll, die Liegestühle, viele Menschen schauen den Ort, und am Meer sucht man die Kühle. Voll die Nacht mit Kichern, Grölen, alkoholisierten Massen, jeder will am Ort „Zuhause“ Ruhe haben auf den Straßen, doch der Ort ist eingenommen von Touristik und vom Geld; Freiheit ist im Suff verkommen. „Hey, was kostet uns die Welt?!“
Wie doch die Finanzen fließen, aus den übersatten Reihen! Alltagsmasken abgesetzt, wollen sie die Gier befreien. Am Büffet und an den Tischen, abends an den Bars am Strand, lassen sie es ‚richtig krachen‘, losgelöst vom Anstandsband. Nach dem Alkohol die Leere, und die Sünden letzter Nacht werden nach der Tagesschwere erst verdrängt, dann neu gemacht. Schließlich fahren sie nach Hause und sie sehn sich als ‚die Coolen‘, feierten in fremden Betten, drängten sich an Swimmingpoolen.
Dem „Ich muss“ bestimmten Handeln, folgte man im Gruppenzwang. Sittlich stark, sich selbst zu dienen, damit man anderen dienen kann, ein „Ich will“ bestimmtes Leben zeugt den freiheitlichen Geist, der im ehrenhaften Streben in die fernen Länder reist.
Vom Strom getragen
Lautlos vom Strom getragen,
im Leuchten erster Sterne, wie an den Schöpfungstagen.
Irisierend – ein Zauber zarter Farben, im abgedämpften Licht;
wie schwerelos im Strome der Gezeiten gleiten,
berauscht und endlos durch die Weiten;
in unsagbaren Tiefen, leuchtendes Leben sehn,
sich und die Vielfalt dieser Welt verstehen –
auch in der Dunkelheit ist Licht.
Verbrannt
Die Luft ist feucht – aus den Kalendertagen fließt der Schweiß, und durch die Hitze trocknet das Gemüt, wie manches Blatt, das sich dem Ast entreißt und still zu Boden geht; braun, wie die Haut der Sonnentrunkenen, liegt es dort, verbrennt, ein kleines Teil, das sich von grün nach grau gefärbt, „vergangen“ nennt. Ein Zeichen dieser Zeit, die schneller scheint als sonst, eilig, ihr Schritt; die mit sich reißt, was brüchig ist. Nichts bleibt! Auch das Erinnern an sie geht. Wir gehen mit.
Lust am Sein
Aus den Wurzeln neues Leben, neue Triebe, Licht beseelt, will sich hin zum Himmel heben, wie von ferner Kraft gestählt. In des Baumes hohem Schweigen, fließt die Kraft aus Lust am Sein; von Natur getränkte Ströme heben ihn im Sonnenschein. Trotzig, wie zerbrochene Türme, stehn im Zeichen wilder Zeit, von Gewittern und den Stürmen, Kronen im zerteilten Kleid. Eine segnende Gebärde ist sein stiller Dienst allein, dient dem Himmel wie der Erde, will ein Lächeln Gottes sein.
Spiegel der Seele
Der Klang der Zeit ist hart; der ‚Großen‘ Resonanz, von Ruhm erfüllte Macht, die durch die Feuer tanzt. Verbrannt sind Empathie, zu fühlen anderer Leid. Zu Asche und zu Staub verweht das Demutskleid. Wer einen Namen hat, dem teuer war sein Ruhm, bezahlt mit seinem Blut. Gierig des Molochs Tun! Er selber zog die Kraft, wie ein Vampir aus Leben, die Geister, die er rief, beherrschen all sein Streben. Persönlichkeiten schwinden, das Heil siegt sanft und mild. Ein edler Seelenspiegel, zeigt nicht des Ruhmes Bild.
Der Juli
von Erich Kästner
Still ruht die Stadt. Es wogt die Flur. Die Menschheit geht auf Reisen oder wandert sehr oder wandelt nur. Und die Bauern vermieten die Natur zu sehenswerten Preisen. Sie vermieten den Himmel, den Sand am Meer, die Platzmusik der Ortsfeuerwehr und den Blick auf die Kuh auf der Wiese. Limousinen rasen hin und her und finden und finden den Weg nicht mehr zum Verlorenen Paradiese. Im Feld wächst Brot. Und es wachsen dort auch die zukünftigen Brötchen und Brezeln. Eidechsen zucken von Ort zu Ort. Und die Wolken führen Regen an Bord und den spitzen Blitz und das Donnerwort. Der Mensch treibt Berg- und Wassersport und hält nicht viel von Rätseln. Er hält die Welt für ein Bilderbuch mit Ansichtskartenserien. Die Landschaft belächelt den lauten Besuch. Sie weiß Bescheid. Sie weiß, die Zeit überdauert sogar die Ferien. Sie weiß auch: Einen Steinwurf schon von hier beginnt das Märchen. Verborgen im Korn, auf zerdrücktem Mohn, ruht ein zerzaustes Pärchen. Hier steigt kein Preis, hier sinkt kein Lohn. Hier steigen und sinken die Lerchen. Das Mädchen schläft entzückten Gesichts. Die Bienen summen zufrieden. Der Jüngling heißt, immer noch, Taugenichts. Er tritt durch das Gitter des Schattens und Lichts in den Wald und zieht, durch den Schluß des Gedichts, wie in alten Zeiten gen Süden.