Die Vertriebenen

Die Vertriebenen – Erik Ludvig Henningsen (1855-1930)
Aus dem Haus getrieben,
wo sie lange wohnten,
zwangsgeräumt und arm, in heller Not;
alle Lebenswege, die gewohnten,
abgeschnitten, wie ein Stückchen Brot.

Was geblieben, sind die Sachen,
die erbärmlichen Habseligkeiten;
ihre Kinder weinen - Fremde lachen,
die am Straßenrand den Rauswurf feiern.  

Ihre Hoffnung treibt sie durch die Straßen,
fest verzurrt mit einem kleinen Strick,
ist das wenige, das sie besaßen
und vom Nötigen doch nur ein Stück.

Freunde, die sie kannten, sind vertrieben,
und allein im Paragraphenwald
werden sie aus ihrer Stadt getrieben,
und der Abend dämmert doch schon bald. 

Frierend ziehn sie ihren Karren,
mit der letzten Kraft, die ihnen blieb,
und schon lange drückt ihr leerer Magen,
doch es treibt der Selbsterhaltungstrieb.  

Schritt für Schritt ziehn sie des Weges,
und der Horizont verliert ihr Bild. -
Sind wir alle nicht wie sie vertrieben,
auf dem dunklen Weg zum Zukunftsbild?

Frühlingsahnung

Schon macht der Lenz die Flügel weit
und jagt davon in starkem Sturmwind Reigen,
in kühler Luft vergeht die Winterzeit,
und erste Wärme lässt die Knospen treiben. 

Noch sitzt die Sonne fern im Haus der Schatten
und Himmelsbläue ist im Grau verhangen;
bald wird im Festtagskleid sie die Natur begatten
und jedes Samens Geist ans Licht gelangen. 

Die alten Bäume beugen sich im Winde,
wie im Spalier bereiten sie den Weg,
und die Natur, sie singt dem neuen Kinde
ein Lied, das nur der Ewige Geist versteht.

Freiheit, die ich meine

von Max von Schenkendorf
Quelle: Pinterest
Freiheit, die ich meine,
die mein Herz erfüllt,
komm' mit deinem Scheine,
süßes Engelbild!

Magst du nie dich zeigen
der bedrängten Welt?
Führest deinen Reigen
nur am Sternenzelt?

Auch bei grünen Bäumen
in dem lust'gen Wald
unter Blütenträumen,
ist dein Aufenthalt.

Politisches Lied, gesamter Text

Stahlstich – Max von Schenkendorf (1783-1817)

Manchmal

Manchmal, wenn die Nacht noch schläft,
hör ich leise schwebend durch die Zimmer gleiten,
was in diesem Haus gelebt,
dann gestorben ist beizeiten.

Manchmal sind mir Träume blass und stumm,
sind gefüllt mit starren Blicken Fremder,
Lippen öffnen sich und wiederum,
wenn ich durch Traumstraßen schlendre,
hör‘ ich Fragen durch geschlossene Münder.
Sehe dann, wie viele ‚Wahrheitsfinder‘
fehlgeleitet falsche Wege gehen,
dann bewusst im Gang verharren,
oder schuldbeladen in den Abgrund sehen,
weil sie sich im Geist der Welt vernarren. 

Manchmal, wenn der Vollmond näher rückt,
der die Stunden lang und schlaflos macht,
spür‘ ich, wie der Mann im Mond sich bückt,
mir ein Schlaflied singt und mich bewacht. 

Wunderland

Quelle: Pinterest
Wunderland ist diese Welt,
magisch, wie Märchenfeen,
in der ein Zauber uns erhellt,
mit stetem Vorwärtsgehen. 

Unendlich sucht die Ewigkeit
in Träume einzuweben,
sie trägt uns bis zum Rand der Zeit,
in der wir sterbend leben. 

Das Morgenrot besiegt die Nacht -
ich hör‘ sie singend schwinden;
mit neuer Lebenszauber-Macht
wird uns die Zukunft finden. 

Durch einen Zauberstab erweckt,
wo Wünsche Sterne sprühen,
wird Geisteskraft, die in uns steckt,
mit neuem Leben blühen. 

Lichter Morgen

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Welt liegt im Dunkeln,
ruht in schwarzen Schatten;
nirgends ein Sternenfunkeln,
und über den Rabatten
lasten die alten Flüche,
im Niemandsland, da weint die Psyche
ängstliche Tränen.

Wie man sich ohne Mutterseele ganz alleine fühlt,
so wie ein Sandkorn, das vom großen Meer umspült,
bleibt einsam man im Innern,
nur Liebe kann im Außen dann verringern,
wonach wir lebenslang uns sehnen.

Alleine wir uns oftmals wähnen
in unsrer Lebensschlacht,
wenn sie uns unerwartet Leiden schafft
und Herzen kalt zu Stein erstarren lässt,
stehn wir trotz aller Seelenqualen felsenfest,
empfangen selbst die ärgsten Hiebe
für etwas Liebe,
die oftmals, eh‘ sie überhaupt begonnen,
schon bald zerronnen.

Doch ist die Nacht auch dunkel, voller Sorgen,
vertraun wir auf den fernen, lichten Morgen,
den wir mit Glauben, Hoffnung, Liebe füllen werden,
so schaffen wir Verschmelzung schon auf Erden,
mit dem wir geistig uns verbinden können.

So, von der unsichtbaren Welt begleitet,
dem eignen Willen folgend, werden wir geleitet;
gehn zwar alleine durch des Lebens Wüstenschwüle,
am Ende dann, gelangen wir zum Höchsten der Gefühle.

So flüchtig, wie die Liebe hier auf Erden war,
so währt in Ewigkeit sie gottesnah!

Duftig

Bild von Micha auf Pixabay
Schneeglöckchen läuten den Frühling ein,
weiß blühend stehn sie in dichten Reihen,
durchdringen die kalte Erde mit Kraft,
zierlich und rein – gar zauberhaft. 

Die Wiesen werden lila geschmückt,
das alte Laub wird zur Seite gerückt,
damit duftige Krokos Blüten zuhauf,
das noch schlafende Grün beleben darauf.

Zirpende Meisen durchqueren die Luft,
genießen den milden Vorfrühlingsduft;
hüpfen und springen auf grünenden Zweigen,
verharren kurz in den knospenden Reihen, 

grüßen den Tag und die Sonnenstrahlen,
die die dunkle Welt bunt und heller malen.
Die ersten Gänseblümchen erwachen,
zaubern den Menschen, die sehen, ein Lachen. 

Noch verschlossen, wie der Duft der Pflanzen,
ist das Leben bereit in den Frühling zu tanzen,
vom abgestorbenen Alten befreit,
macht sich Totgeglaubtes zum Leben bereit. 

Heimatgefühl

Quelle: Pinterest
Da gibt es keine Heimat mehr, Geborgenheit und Liebe,
die liebe Gegenwart, die ewig bei uns bliebe. 

Wir fühlen ein Verlassensein auf Erden,
von Menschen, die uns wert, geliebt zu werden. 

Vertrautheit, die wir einst vernahmen, schwindet,
und jede Brücke, die im Glück verband, verschwindet.

Auf diesem Lebensfeld der großen Energie,
zieht man sich an, verliert die Harmonie;

man stößt sich ab, sucht anderswo zu stranden,
um von der Heimatruh erfüllt und reich zu landen.

Kaum spürbar ist der Riss, der unversehens
zu einem Abgrund wird, des Nichtverstehens. 

Doch wissen wir erst, wenn ein Mensch gegangen,
dass er die Heimat war und nur das Bild verhangen. 

Die Energie des Lebens ändert sich im Fluss,
verbindet, trennt – ist des Alleinseins Schluss. 

Gegen den Strom

Foto: Max Steinwald – Quelle: Pinterest

Wie ein Fels in starker Brandung,
gegen den die Flut zerschellt,
steht allein in schwerem Ringen
mancher Gang der Menschenwelt.

Decken zu die Not in Schweigen,
blutend, in der Schlacht allein;
müssen Tag und Nacht erkämpfen,
um des Lebens Herr zu sein.

Oft ganz jammervoll ergeben
sind sie von Verzweiflung blind,
sehen nicht, dass sie, nach Regen,
sonnenwarm beschienen sind.

Fühlen nicht die Kraft des Willens,
die sie trägt, mit ihr die Last,
die sie mit Gelassenheit
und beruhigt im Lauf erfasst.

Gott wägt nicht die irdischen Dinge,
die uns mit Erfolg gekrönt,
wertet nur das schwere Ringen,
das die Lebenskraft verschönt.

Stark wird des Bewusstseins ‚Tugend‘,
die in dunkler Zeit erwacht;
sieht die vollen Segensschalen,
die Gott bringt uns in der Nacht.

Kern-Energie

Quelle: Pinterest
Es rinnt die Zeit, wie der Sand in den Uhren -
so gehn kalendarisch die Tage dahin,
es verblassen der Menschheit uralte Spuren,
die suchten mit früherem Wissen den Sinn.

Das Wissen, das größer wuchs mit den Jahren,
geschliffen in Zeit diamantenem Strahl,
trotzt wie ein Zeichen von Geist den Gefahren,
ergänzt und erneuert in endloser Zahl.

Umgang zu üben – der Mensch muss es lernen
und den der Medaille beidseitigen Sinn;
Gefahren erkennen, Energien entkernen,
ist im Leben ein ständiger Neubeginn.