Gefallen und erhoben

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Ich hab gerufen und geschrien, 
ängstlich am Tor gerüttelt,
in meinen Fantasien 
mein Schicksal abgeschüttelt.

Doch hat es mich hineingezogen, 
ins ungewisse, nackte Leben, 
so unerbittlich, wie betrogen,
schloss sich das Eisentor mit Beben.

Ich wollt‘ nicht hier sein, einsam
und der Kälte ausgesetzt. 
Gefallen bin ich – es war peinsam,
das ganze Leben, hier und jetzt.

Mein Weg, er wand sich aufwärts,
sturzbereit mein Schritt.
Vertrauen wuchs im Schmerz.
Nur noch ein kurzes Stück! 

Der lange Weg zurück – nie mehr;
verschlossen bleibt das Tor.
Ein Dasein ohne Wiederkehr,
doch treibt mein Geist empor.

Er ist die Quelle meines Seins
in einer Lichtwelt, klar und rein.
Die Flut der Kräfte, jetzt und einst,
werden Führer alle Wesen sein. 

Grenzenlose Liebe

Unsterblichkeit – Henri Fantin-Latour (1836-1904)
So, wie der Wind die Vögel trägt,
so trag ich dich auf Händen,

wenn dich ein Seelensturm erregt,
ich will ihn von dir wenden;

will streicheln dich mit Sommerbrisen
und warm dich sanft umströmen,

will dich auf bunt gefärbten Wiesen
mit Sonnenlicht verwöhnen;

ich geb‘ dir Halt und Lebensmut,
solang‘ du bei mir bist,

das Böse um dich mach‘ ich gut,
die Dunkelheit zum Licht.

Ich führ‘ dich in ein Märchenland
der goldbekränzten Feen,

die, wie mit unsichtbarer Hand,
dir Himmelsblumen säen.

Ich bin mit dir und halt dich warm,
wenn du zu frieren drohst,

schläfst du erst sanft in meinem Arm,
wird Liebe grenzenlos.

Sehnsucht

Quelle: Pinterest
Schattenhaft und unklar ist der Weg vor mir,
doch Vertrauen lenkt die Schritte, die ich gehe.
Auch, wenn ich so vieles nicht verstehe,
treibt die Sehnsucht weiter hin zu Dir.

Bist das Höchste, ein inständig Wollen,
das mich täglich ein Stück vorwärts treibt,
bist Erkenntnis, angebor’ne Rolle,
bleibst stets Ziel des Weges, der mir bleibt.

Altersweise und geprüft vom Leben,
mit dem Licht Verbindung suchend, wart‘ ich hier.
Lief doch lang auf festgefahrenen Wegen,
weil ich schwach war, nahm‘s das Schicksal mir.

Will die Sehnsucht in mir weitergeben
und den Funken weiterreichen aller Welt.
Wärmend wird umschlungen sein das Leben,
das durch diese Sehnsucht Sinn erhält. 

Im Vorübergehen

Die Eilenden, ich seh sie ziehn, 
vorbei mit regungslosen Mienen,
auf grauer Straße gehn sie hin,
um sich mit Tatkraft anzudienen.

So gehn sie ihre Wege, schwer,
zum Brot-Job, der doch nur gebracht
vielleicht ein paar Geldscheine mehr
und finstren Sinn, der selten lacht. 

Sie schwärmen aus und kehren heim,
so müd, wie sie gegangen sind.
Auf ihren Seelen liegt ein Stein,
macht sie für Alltagsträume blind.

Und breiten sich die Blätter aus,
wie bunter Teppich unter Bäumen,
dann schimpfen sie über den Graus
und lassen totes Blattwerk räumen.

Für jene, die vorübergehen:
Hebt doch den smartphone-leeren Blick.
Der Herbst ist majestätisch schön!
Schön sein kann auch das Glück der Pflicht!

Verklärte Jahre

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Die Wege hinter mir – verklärte Dunkelheiten,
mir fremd geword’ne, ferne Zeiten,
wie aufgewühlt im Schaum der Wogen,
als sich mir Wolken vor die Sonne schoben.

So gab das Leben magere, wie fette Jahre,
die fetten waren mir, wie Mangelware.
Doch auch mit ausgeglichener Bilanz,
blieb ich mit Menschen auf Distanz. 

Wer war ich, wo bin ich zuvor gewesen?
Wer bin ich, wer kann meine Herkunft lesen?
Bleibt in mir die unruhig verharrende Seele,
auch, wenn ich den Weg zum Höheren wähle?

Um meine Lebensklippen spielt der Wind,
wo prallende Brandung rückführend rinnt,
erkenn‘ ich, im Rhythmus des Meeres am Strand -
bin ein Körnchen auf Erden im Meeressand. 

Werkzeug sein

Fraktale: Karin M.
Bereit sein zur Nächstenliebe,
ihr dienen im Denken und Handeln,
das soll unser Dienst sein.

Es liegt nicht in unserer Macht,
jedem zu helfen.

Den Bedarf einer jeden Seele 
kennen wir nicht.

Von höherer Weisheit durchdrungen,
von Naturgesetzen getrieben,
sind wir Ausführer der höheren Ordnung.

Werkzeug sein, 
in der Hand höherer Mächte,
das ist unser Los auf Erden.

Eingetaucht – der Mensch

Quelle: Pinterest
Hinabgestiegen und verloren,
was an Bewegungsfreiheit ihm gewahr.
Reinkarniert und leibbezogen,
schwer ist der Leib, Belastung gar. 

Die Fähigkeiten, die ihn schmückten,
die seinen Wesensteil im Licht verband,
sind ungenützt und wenig stützten
ihn Elemente, die er fand. 

Die Leichtigkeit ist ihm genommen,
schwerfällig wächst sein Wahrheitsdrang.
Fühlt, wie ein Taucher, tief ins Meer geschwommen,
dass ihm die Kräfte schwinden, irgendwann. 

Latent geblieben, schlummert zur Entfaltung
so manche ungenutzte Kraft in ihm,
so eingeschränkt wird er den Platz verwalten,
der ihm zur Lebenstätigkeit geliehen.

Verstand gesteuert weiß er nicht:
„Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Das Unsichtbare bringt zurück ans Licht,
was hier zum Wiederaufstieg in ihm ruht. 

Erlösungsworte sind zu finden,
erwecken die, die noch versteinert schlafen.
Nur Liebe wird als Zauberwort ergründen,
was hinter Wut und Härte sie verbargen.

Zerbrochen werden sein, die harten Schalen,
selbst Körper, die als Stern am Himmel stehen,
entzaubert werden sie im Licht erstrahlen,
erlöst vom Missklang, frei die Liebe sehen.

Im Gaslicht

Den Jahren (1975-1976) gewidmet, in denen ich die Erfahrungen einer vorher für mich unbekannten Welt machen durfte. Eine Welt voller Männer, die Frauen mit Respekt und in Freundschaft behandelt haben. Ich denke gerne daran zurück.

Abseits liegt das Lokal im fahlen Licht,
wo Schein der Gaslaterne sich in Pfützen bricht.
Nur abends wird es hell hinter der Scheibe;
Kneipengeruch entweicht der dunklen Bleibe.

Ein Ort, der Stammkundschaft belassen,
für Kenner nur, auf abgeleg’ner Straße.
Es strömt herbei, was sich im Zwielicht band,
betritt die fremde Welt, die man hier fand.

An stets verschloss’ner Türe lässt man ein,
die passend sind zur Nacht im Lampenschein.
Plüschig, in Rot-Gold das Ambiente,
und die Musik spielt alte Elemente. 

Da tönt ein „Nur nicht aus Liebe weinen…“
Und „Waldemar“, dem wirklich Einen.
Wo man „Leander“ imitiert auf kleiner Bühne,
gastiert die Playback-Show der schwulen Szene.

Umhüllt von funkelnden Gewändern,
in greller Schminke und mit Federbändern,
bewegen sich die Männer wie die Frauen,
sind weiblich und in Pose anzuschauen.

Im Spiel das andere Geschlecht zu präsentieren
und trotzdem nicht den Wesenskern verlieren.
Nur nach der Show, hinter geschloss‘nen Türen,
die Tränen weinen, die zum Alltag führen. 
Ich wohn′ alleine mit Mama,
in einem alten Haus ganz nah
bei dem Theater,
und da ich immer einsam war,
hab' ich noch ein Kanari-Paar
und einen Kater.

Mama strengt alle Arbeit an.
Ich geh′ zum Markt und koche dann
mit viel Routine,
ich wasche ab und mache rein
und näh', sollt' es nötig sein,
auf der Maschine.

Mir macht fast jede Arbeit Spaß,
weil ich Gefühl für Form und Maß
und Stil besitze,
doch nachts erwacht erst mein Genie,
denn in der Kunst der Travestie,
da bin ich Spitze.
Bewundert ist mein Striptease-Akt,
am Ende steh′ ich völlig nackt,
ich kann das wagen.

Und alle Gäste rings im Raum,
die trauen ihren Augen kaum -
ich bin ein Homo, wie sie sagen.

Mit Freunden wird die Nacht gezecht,
da wird nach Neigung und Geschlecht
nicht unterschieden.
In irgendeiner Bar am Eck,
da spült man die Komplexe weg
und ist zufrieden.

Wir reden von den Leuten dann,
die unsereins nicht riechen kann,
die wir entsetzen.
Wir spotten mit Humor und Geist,
mit scharfem Witz, der lachend beißt,
statt zu verletzen.

Mitunter finden Kerle sich,
die suchen laut und lächerlich,
uns nachzumachen.
Sie haben Freude wie ein Kind,
uns arme Teufel, die wir sind,
noch auszulachen.

Sie sind im Ton und Gang bemüht,
so, wie man uns von außen sieht,
sich zu betragen,
wenn es auch mancher übelnimmt,
mich lässt es kalt, weil es ja stimmt:
Ich bin ein Homo, wie sie sagen.

Wenn dann der neue Tag erwacht,
Kehr′ ich zurück in meine Nacht,
der Einsamkeiten.
Das Kleid und die Perücke fällt,
ich bin ein Clown vor aller Welt,
nur da zu leiden.

Ich schlafe nicht, ich liege wach,
ich träume Liebesstunden nach,
die freudlos blieben,
und von dem Jungen, der, verdammt, 
mich immer wieder neu entflammt,
ihn heiß zu lieben.

Doch keinem werd' ich dieses Leid,
den süßen Schmerz der Zärtlichkeit,
je anvertrauen.
Er, der zum Wahnsinn mich gebracht,
liegt nämlich leider jede Nacht
im Bett bei Frauen.

Nein, keiner hat von euch das Recht,
hier, als entartet oder schlecht,
mich anzuklagen!
Der Grund, dass ich so anders bin,
liegt von Natur aus in mir drin,
ich bin ein Homo, wie sie sagen.

Regenschauer

Wie’s prasselt, hämmert, schüttet
und an den Scheiben rüttelt;
die Tropfen fallen nieder,
schlagen ans Glas und wieder
steht lang ersehnter Regen,
auf Dächern und auf Wegen.

Der Marktplatz ist verlassen,
und über nassen Straßen
gehn Blitz und Donner nieder,
flüchtig, doch immer wieder,
versickern Regenmassen, 
wo‘s die Kanäle fassen.

Ich stehe an den Scheiben,
beschau das nasse Treiben.
Verkürzt sind unsere Tage,
die Kälte wird bald Plage.
Wärme wird fortgeschwemmt,
nichts, was das Frieren dämmt.

Reifezeit

John Atkinson Grimshaw (1836 -1893)
Graue Welt, nach langersehntem Regen
sind die Farben dir im Nass verwaschen,
und der sehnsuchtsvoll erbet‘ne Segen
legt sich über Land und Menschenmassen.

In den Pfützen springen Regentropfen;
gegen gelbe Wipfel stößt der Wind,
hinter Wolken liegt der Himmel offen,
Fensterscheiben sind beschlagen, blind. 

Nuancenreich und gelblich überhaucht
scheinen herbstlich alle Pfade hier,
wo der Weg im Nebel untertaucht,
zeigt das Tor zur großen Rast sich mir.

Abgeerntet geht die Welt in Ruhezeit, 
beendet aller Früchte Reifefrist.
Trägt ein Bild von Makellosigkeit,
die Geist der ewig jungen Zukunft ist.