Es beginnt der Tag im Klang der Glocken, der so golden-tönig schwebt durchs Land. Altvertraut will er im Ton frohlocken, von den großen Kirchen zieht sein Band. Seht die Türme, wie sie aufwärts weisen, Kreuz oder Hahn, sie pochen auf ihr Sein, als ein Gipfel, um den Wolken kreisen, zog der Papst als Macht auf Erden ein. Kirchenschiffe, kalte, schwere Steine, Licht geziert durch heil’ge Fensterkunst, sakral das Innere, das absolut Geheime ist das Brimborium des Klerus, dessen Tun. Das Schwere wird ins Grab versinken, es ist zu schwach und sinkt wie Stein hinab. Die Leichtigkeit ist stark, wird nicht ertrinken, weil Gott ihr Flügel über Wellen gab.
Schlagwort: Gedicht
Die Schlafwandlerin
Der Traum ist dein Teil, nicht das Wachen, durch Silbergewässer dein Nachen trägt rosenbekränzt dich zurück. Wenn morgens die Sterne verblassen, dann gehst du durch irdische Gassen und freust dich am irdischen Glück. Wie wenige wissen vom Träumen, wie viele verwundert dein Säumen und dass du es dennoch erreichst, dass Sonne wie Wolken dich segnen, dass Wunder dir lächelnd begegnen. Sie wissen nicht, wie du uns gleichst, uns heiteren Traumlandgefährten, die wir unsern Schutz dir gewährten, dich sandten, mit Rosen bekränzt, im Lande der Wachen zu sagen, wie reich deine Traumgärten tragen, bis Wachen und Traum sich ergänzt. <Ephides>
Seelenbaum
Einsam steht er, wie ein ‚Baum der Seelen‘ leuchten seine weiten Zweige. Drehen sich zur Erde, fortgesetzt und tanzen, schimmernd ist ihr sanftes Strahlen. Heilig ist sein Ort wo Ewigkeiten überdauern, und die Seelen der vergangenen Zeiten wiegen sich im Schutze seiner Krone; hoch gewachsen stößt er an den Himmel, sammelt Kräfte, niemals endend. Erkenntnis-Lichter zünden an ihr Leuchten, immer wieder die Verwandelten empfangend, die körperlos und schwerelos geworden. Lass von der Liebe dich krönen, schau auf die Zeichen der Sterne und ihre Gesetze. In der Welt diene IHM; nimm dein Leben und lerne schwerelos sein schon auf Erden, um verwandelt in Himmeln zu tanzen.
Väterchen Frost
Das Leben war genügsam im Gefilde, so wintermüde lag das alte Land. Sehnsucht nach Wärme, Frühlingsmilde - Väterchen Frost vertrieb’s mit kalter Hand. Hilfeschreiend blieb fortan das Leben, Leiber starr und frosterfüllt im Leid. Es sollte keinen neuen Frühling geben, nur Stürme wiederkehren vor der Zeit! Im Land schreit tausendfaches Sterben, da liegen Frau und Kind und Mann an Mann. Statt Frühling kommen schwarze Schergen und setzen alles gnadenlos in Brand. Über den Städten wogen dunkle Dämpfe aus Häusern, tausendfältig preisgegeben; gar tausendarmig scheinen Tod, und Kämpfe verachten jedes Dasein, jedes Leben. Wie Donnerschläge grollen die Kanonen, die Bäume schwarz, verbrannt im Rauch. Wo sonst die Vögel in den Zweigen wohnen, bizarr die toten Äste, ohne Laub. Des Frostes Fesseln mögen Mächte sprengen, die Werkzeug sind im freiheitlichen Sinn! Da hilft kein Zögern, kein Verdrängen - dann tauen Tränen, folgt ein Neubeginn. Und unsre Erde trinkt die vielen Tränen, die vielen Leiber nimmt sie tröstend auf, verwandelt Welten, Frühlingssehnen, und neue Hoffnung schaut zum Himmel auf.
Schöpfung
Aus Wasser und Geist geborene Form. Vom Gedanken zum Wort; vom Ur-Klang bewegte Schwingung des Seins. Aus dem Nichts geborene Vielfalt. Od von Erde und Wasser. Erschaffenes Leben, beseeltes Wunder. Frucht vom Baum der Erkenntnis. Bewusstes Dasein und Wahl. Mensch sein heißt folgen der göttlichen Ordnung. Vom geistigen Tod zum Leben; aus der Bewusstlosigkeit zur Erleuchtung. Erhöht zur Auferstehung durch göttliche Gnade und Plan.
Gottes Tempel
Ihr nehmt zum Bau des Tempels kalte Steine,
aus Splittern fügt Gedankenmosaik der eine,
Gigantenblöcke türmt der andre auf.
Doch Gottes Tempel ist das warme Leben,
sein Atem der Geschöpfe Jauchzen und Erbeben,
sein Wirken der lebendige Verlauf!
Er ist das Feuer in Myriaden Flammen,
die lodern müssen, weil sie seinem Licht entstammen,
bis sie der Sehnsucht goldne Glut verzehrt. – –
Wer Stein zu Stein fügt, wird IHN nie ergründen.
Die GOTT-Erkenntnis kommt als Blitz –
Und kommt zu zünden!
Gib dich der Flamme! und die bist verklärt.
Ich wünsche allen ein schönes Wochenende. Vielen Dank für Eure Besuche und Kommentare. 💕
Zeit der Rosen
Rosenzeit ist bald gekommen, wachsen blütenschwer und rein, und im Innern duftet’s milde, Blatt für Blatt will innig sein. Dornen reißen manche Wunde, sitzen tief wie Lebensschmerz; sind des groben Leichtsinns Kunde, brachen Rosenpracht und Herz. Alte Narben für die Tränen, deren inn’rer Brand gestillt, waren Ausgleich für das Schöne, das im Augenblick gefühlt. Und es reihen Kletterrosen sich wie Wunden, dicht an dicht. Ranken wie die Schwerelosen, binden Dunkelheit an Licht. Alles Dasein ist ein Streben, auch wenn unsre Blüten fallen und des Strebens Lohn ist Geben, Rosenteppich breitend allen!
Das Mädchen von Orlean
Aus „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich von Schiller
Seht ihr den Regenbogen in der Luft? Der Himmel öffnet seine goldnen Tore, Im Chor der Engel steht sie glänzend da, Sie hält den ewgen Sohn an ihrer Brust, Die Arme streckt sie lächelnd mir entgegen. Wie wird mir – Leichte Wolken heben mich – Der schwere Panzer wird zum Flügelkleide. Hinauf – hinauf – Die Erde flieht zurück – Kurz ist der Schmerz und ewig ist die Freude!
Das edle Bild der Menschheit zu verhöhnen, im tiefsten Staube wälzte dich der Spott, Krieg führt der Witz auf ewig mit dem Schönen, er glaubt nicht an den Engel und den Gott, dem Herzen will er seine Schätze rauben, den Wahn bekriegt er und verletzt den Glauben. Doch, wie du selbst, aus kindlichem Geschlechte, selbst eine fromme Schäferin wie du, reicht dir die Dichtkunst ihre Götterrechte, schwingt sich mit dir den ewgen Sternen zu, mit einer Glorie hat sie dich umgeben, dich schuf das Herz, du wirst unsterblich leben. Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabne in den Staub zu ziehn. Doch fürchte nicht! Es gibt noch schöne Herzen, die für das Hohe, Herrliche entglühn. Den lauten Markt mag Momus* unterhalten, ein edler Sinn liebt edlere Gestalten.
*griechischer Gott der Satire und Spott Schiller setzte sich auseinander mit der gotteslästerlichen und verhöhnenden Satire „Voltaire - La Pucelle d`Orléans“
Frühlingsregen
Aufs Neue breitet sich der Tag, gefächert sind die Stunden. Wie er uns auch erscheinen mag, er füllt manch Glückssekunden, auch die des Leids gereicht er uns, um höheren Sinn zu spüren, er zeigt uns manche Lebenskunst und schließt uns auf die Türen. Vereint in Gottes großem Licht durchschreiten wir die Zeiten. Sein Segen aus dem Dunkel bricht, um unsren Weg zu leiten - so ‚richtet‘ er; kennt Not und Pein, den Grund für unser Flehen, legt seinen Geist um unser Sein, wie milder Frühlingsregen.
Es war ein Land…
von Agnes Miegel (1879-1964) – Erinnerungen an Ostpreußen
Es war ein Land... O kalt weht der Wind über leeres Land, O leichter weht Asche als Staub und Sand! Und die Nessel wächst hoch an geborstner Wand, Aber höher die Distel am Ackerrand! Es war ein Land, - wo bliebst du, Zeit? Da wogte der Roggen wie See so weit, Da klang aus den Erlen der Sprosser Singen Wenn Herde und Fohlen zur Tränke gingen, Hof auf, Hof ab, wie ein Herz so sacht, Klang das Klopfen der Sensen in heller Nacht, Und Heukahn an Heukahn lag still auf dem Strom Und geborgen schlief Stadt und Ordensdom, - In der hellen Nacht, - der Johannisnacht! Es war ein Land, - im Abendbrand Garbe an Garbe im Felde stand. Hügel auf, Hügel ab, bis zum Hünengrab Standen die Hocken, brotduftend und hoch, Und drüber der Storch seine Kreise zog. So blau war die See, so weiß der Strand Und mohnrot der Mond am Waldesrand In der warmen Nacht, - der Erntenacht! Es war ein Land, - der Nebel zog wie Spinnweb, das um den Wacholder flog, Die Birken leuchteten weiß und golden, und korallen die schweren Quitschendolden, Die Eicheln knirschten bei deinem Gehn In den harten Furchen der Alleen. Ein Stern mir blinkte, fern und allein, Und Du hörtest im Forst die Hirsche schrein In der kalten Nacht, - der Septembernacht! Es war ein Land, - der Ostwind pfiff, Da lag es still wie im Eis das Schiff, Wie Daunen deckte der Schnee die Saat Und deckte des Elchs verschwiegenen Pfad. Grau fror die See an vereister Buhne Und im Haff kam Fischer und Fisch zur Wuhne. Unter warmem Dach aus Stroh und Ried Klappte der Webstuhl zu altem Lied: „Wi beid’, wi sönn noch jong on stark, wie nähr'n ons möt eigne Hände.-“ Es war ein Land, - wir liebten dies Land, - Aber Grauen sank drüber wie Dünensand. Verweht wie im Bruch des Elches Spur Ist die Fährte von Mensch und Kreatur, - Sie erstarrten im Schnee, sie verglühten im Brand, Sie verdarben elend im Feindesland, Sie liegen tief auf der Ostsee Grund, Flut wäscht ihr Gebein in Bucht und Sund, Sie schlafen in Jütlands sandigem Schoß, - Und wir Letzten treiben heimatlos, Tang nach dem Sturm, Herbstlaub im Wind, - Vater, Du weißt, wie einsam wir sind! Nie zu klagen war unsre Art, Du gabst und Du nahmst, - doch Dein Joch drückt hart! Vergib, wenn das Herz, das sich Dir ergibt, Nicht vergisst, was zu sehr es geliebt. Was Gleichnis uns war – und bleibt im Leid, - Von Deines Reiches Herrlichkeit. O kalt weht der Wind über leeres Land, O leichter weht Asche als Staub und Sand! Und die Nessel wächst hoch an geborstner Wand, Aber höher die Distel am Ackerrand!