Ostpreußen

zur Erinnerung an meine Oma

Land der dunklen Wälder
und kristallnen Seen;
über weite Felder
lichte Wunder gehn.

Starke Bauern schreiten
hinter Pferd und Pflug;
über Ackerbreiten
streicht der Vogelzug.

Tag hat angefangen
über Haff und Moor;
Licht ist aufgegangen,
steigt im Ost empor.

Und die Meere rauschen
den Choral der Zeit;
Elche steh`n und Lauschen
in die Ewigkeit.

Heimat wohlgeborgen
zwischen Strand und Strom,
blühe heut‘ und morgen
unterm Friedensdom.

Herbert Brust (1900-1968)

Helene Berta Nicolay, geb. Buskies (1895-1988)

Verhängnisvolle Worte

Quelle: Seniorenportal

Ersonnen sind der Worte viele,
besinnliche Gedankenspiele,

die ganze Blätter-Wälder füllen,
erdacht, geschrieben, ganz im Stillen,

Anziehungskraft des fremden Flairs,
Unendlichkeit des Schriftenmeeres,

lässt uns in ferne Welten tauchen,
kann Märchen Wirklichkeit einhauchen;

das, was sonst niemand anders schafft,
vollbringt des Wortes Zauberkraft.

Schenkt uns ein Wort der Liebe Glück,
so nimmt ein andres dies zurück.

Mit ein paar hingesagten Sätzen,
kann man die Seele tief verletzen,

und oft noch leidet man alsdann
darunter gar ein Leben lang.

Wählt eure Worte mit Bedacht
und sprecht nicht aus, was Leiden schafft,

man kann in wunden Augen lesen,
dass Schweigen besser wär’ gewesen.

Abstand

Johann Heinrich Vogeler 1872-1942

Wie ein Dolchstoß traf mich dieses Wort,
wie ein Pfeil durchdrang er Mark und Bein.
Aus, vorbei! – Ein kurzer Schlussakkord,
klang mir warnend tief ins Herz hinein.

Wo vor nicht allzu langer Zeit
Nähe und Verbundenheit bestand,
löst nun dieses messerscharfe Wort
für ewig unser ‚untrennbares‘ Band.

Nichts blieb mir, nur Leere, Illusion.
Abstand halten, wird zur Zukunftspflicht.
Trifft mich doch dein harter Liebeslohn
wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht.

Deiner Liebe hab‘ ich blind vertraut,
doch sie war ein langes Trauerspiel.
Wo normal sie Zukunftsschlösser baut,
hattest du nicht einen Stein, – kein Ziel.

Alles nahmst du mir, nichts bleibt zurück.
Scherben kann man kleben, Herzen nie!
Kreuzt sich dennoch unser Weg ein Stück,
werd‘ ich Abstand halten…irgendwie.

Windgötter

Sandro Botticelli (1445-1510) – Die Geburt der Venus

In Windeseile hingerafft,
was Menschenhand mit Müh gemacht,
dem Dasein abgerungen;
er bläst mit wilden Zungen.

Die physikalisch dichten Kräfte,
entblößen wirbelnd ihre Mächte,
zerstören Weltengärten –
Äolus und Gefährten.

Was Energie zu Boden drückt,
macht aus dem sommergrünen Glück
verwelkte Endlichkeiten,
wie bald die Sommerzeiten.

Begrenztheit ist das Los der Welt,
der Wind, er weht, wie’s ihm gefällt,
wird niemals eingeengter,
ist ein von Gott Gelenkter.

Die maskierte Menschheit

Ausschnitt des Gemäldes von H. G. Leiendecker

Früh üben wir das Maskentragen,
bereits schon in den Kindertagen;
auch als Erwachs‘ne sehn wir nicht
das Wesentliche im Gesicht,

denn hinter wechselnder Fassade
sehn wir nur Maske, nicht die wahre.
Die echte Miene bleibt verborgen,
zeigt uns ein Lächeln ohne Sorgen.

Die Echtheit stempelt kein Gesicht,
nichts weist auf den, der unwahr spricht.
Von Andern in den Bann gezogen,
hat man für viele sich verbogen,

ist fasziniert vom fremden Tun,
dem gut zu sein, lässt uns nicht ruh‘n.
Erst bröckeln ihre Maskeraden,
wenn Böses wir durch sie erfahren.

Als Knechte eines falschen Herrn,
hatten wir ihre Masken gern.
Ist erst ihr Lächeln eingefroren,
geht was wir lieben schnell verloren.

Die Larve wird ihr Bild verdecken
und auch auf ihren Sterbebetten,
wo sie durch Lebensnot geschwächt,
sind erst die Totenmasken echt.

Arm und Reich

Jean-Léon Gérôme 1824-1904
CONDE, LOUIS III. DE BOURBON + LUDWIG XIV. VON FRANKREICH 1674

Den Glanz von einst, voll Sinneslust und prächtig,
trägt die Erinnerung mit Weh und tiefem Groll.
Wie gestern, sind auch heut’ die Reichen mächtig,
und blutend zahlt das Volk den bitt’ren Zoll.

Die Armut klafft aus offnen Weltenwunden,
die Qual des Hungers gräbt sich ein, voll Schmerz.
Auch heute liegt in trauertiefen Stunden,
manch’ sterbend Kind am stillen Mutterherz.

Man tanzt mit viel Glamour in Taft und Seide,
Champagner fließt und Kaviar wird serviert.
Da draußen, gar nicht weit im tristen Kleide,
wird eine trockne Scheibe Brot zum Mund geführt.

Verschwendung hier und anderswo das Darben,
wo Fülle doch für alle birgt die Welt.
Die Zeit legt auf die Wunden Wohlstandsnarben,
der Teufel dient alleine Macht und Geld.

Und was satanisch grinst aus den Gazetten,
ist, was Profitgier und die Politik serviert.
Die Armut wälzt sich angstvoll in den Betten
und Reichtum glänzt daneben, ungeniert.

Bettelnde Frau mit Tochter im 19. Jahrhundert

Die Schaukel

An einer alten Wäschestange,
baute sie Vater, gar nicht lange,
so, gut vertäut an großen Haken,
konnte ich’s schließlich kaum erwarten,
das Sitzbrett unter’n Po zu schieben,
nach kurzem Zögern wollt ich fliegen.

Die Schatten huschten an den Giebeln,
es spukten Bilder an den Ziegeln
der Nachbarhäuser, auf und nieder,
mit jedem Wiegen sah ich’s wieder,
spürte in meinem Kindersinn,
dass ich ganz nah dem Himmel bin.

Ich schwang dem Schattenbild entgegen,
genoss das Fliegen und das Schweben,
mal vorwärts und mal hintenüber,
war ganz verträumt und schloss die Lider,
um eins zu sein mit Zeit und Wind,
war glücklich, wie‘s nur Kinder sind.

In unsrer kurzen Lebenszeit
gibt Freude schwebend Leichtigkeit
im Fallen und im Steigen,
wenn sich die Schatten neigen,
durchfliegen wir das Sein im Wind,
hinauf, hernieder wie ein Kind.

Still sein soll mein Herz

Ludwig von Hofmann (1861-1945) – Gretchen im Kerker

Still sein soll mein Herz –
kann im tiefen Schmerz
keine schwere Last mehr tragen,
will verzagen an der Welt,
an den vielen bangen Fragen,
die uns unsre Liebe stellt.

Oft trifft die Erkenntnis bitter
in den weichen Seelenkern,
und der letzte Hoffnungsstern
glänzt mir trübe durch die Gitter.
„Einzelhaft – ein Leben lang!“,
hör ich meine Seele klagen.

Werde niemals mehr befreit.
Will und kann es nicht ertragen!
Wenn der Kerkertüre Schluss,
sich vollzieht durch deine Hände,
fällt des Schattenbildes Guss
hier an die Gefängniswände,

und dein Bildnis schwebt im Raum,
um schnell wieder zu verblassen.
„Irgendwann muss ich dich lassen!“,
flüstert es mir leis‘ im Traum.
Kann das Schicksal nicht verstehen –
es erscheint mir wie ein Hohn!

Bleibt mein Wunschbild – Illusion?
Und beim traurigen Erwachen,
höre ich das Schicksal lachen:
Es trägt Deiner Stimme Ton!

Der Segen des Himmels

Bild von jplenio auf Pixabay

Das Frühjahrsblühen ging vorüber,
nur dürftig sind die Bäume tragend,
und in den Gärten schwebt ein trüber
Rauch vom Grill bis in den Abend.

Man röstet Fleisch in rauen Mengen
und sieht nicht, was der Erde blüht.
Wo Tierwohl schweigt bei Partygängen,
berührt der Tod nicht das Gemüt.

Der Erde Wohl sind reife Früchte,
sie wachsen nicht in den Regalen.
Der Supermarkt deckt viele Süchte,
dort schreit kein armes Tier in Qualen.

Die halbe Welt trägt ihr Verderben
auf kargen Böden, elendstief.
Wo viele Kinder hungers sterben,
kein Wasser eine Pflanze trieb.

Sie stehen da, sehn unser Plündern
mit leeren Mägen, und wir nehmen
das letzte noch aus ihren Mündern;
kein totes Kind wird uns beschämen.

Das Menschenleben ist begrenzt,
auch unser Wohlstand stirbt beizeiten,
es bebt in uns der letzte Lenz,
bringt scheinbar ew’ge Nacht des Schweigens.

Die Armut treibt im Himmel Blüte,
die Sehnsucht wird ins Licht gehoben,
himmlischer Segen wird zur Güte,
voll Harmonie, wie Frucht verwoben.

Was wir mit sehnsuchtsleerer Hand
entbehrten und was unerfüllt,
wird uns ein Blüh’n im lichten Land,
zum Segen, nicht von dieser Welt.