Den Boden bereiten, die Fruchtbarkeit lösen,
Bedingungen schaffen, die notwendig sind,
damit auf den bloßen Häuptern des öden,
die Schollen erwachen durch Sonne und Wind.
Ist wie ein Mensch, der die Welt nicht versteht,
damit den Geist und das Wachstum hemmt;
sieht, wie auf Erden das Leben vergeht,
wenn er sich gegen die Göttlichkeit stemmt.
Der Ur-Keim ist da, vom Schöpfer gepflanzt -
hat Wachstum nur in fruchtbaren Reihen;
bestellt den Boden, dann wird hier mit Glanz
und wachsender Schönheit das Blühen gedeihen.
Durch fernes Leuchten brechen die Töne,
wie tanzende Feen in die Nacht hinein.
Changierende Kleider umhüllen die Schönen,
in schwingendem Licht, mit den Sternen allein.
Wo wird die Welt heut‘ in Stürmen getrieben,
reinigen Wetter den Tag mit Verdruss?
Wo wird sich Wohlstand verheerend verschieben,
Schwächliche groß sein, im Überfluss?
Wie schwarz der Abgrund, wer Bezwinger der Mächte?
Der Tanz geht voran in den Himmel hinein!
Auch in den dunkelsten Heimweh-Nächten,
in todkranker Zeit wird Gott Retter sein.
Das sind die Stunden, da wachsen die Taten,
in denen edle Gedanken erwachen;
die leidende Zeit wird ins Grübeln geraten,
wird sich befreien und Frieden machen.
Weiß steht der Wald. Du wandelst still
und weltentrückt einsame Pfade.
Der Himmel schüttet lichte Gnade
auf alles, was hier funkeln will.
Die Wipfel glühn, und Ast bei Ast
entlodern in das große Schweigen;
Sprühfunken rieseln von den Zweigen
und ihrer silberschweren Last.
Mit einer Riesenmütze schaut
der Busch aus schneeverklärten Gründen,
und alle Glockensternchen zünden
den Märchenglanz auf Moos und Kraut.
Breit fließt des Tages helle Macht,
ein Meer, dahin in sanften Wellen,
und aus den letzten Winkeln quellen
siehst blitzend du die weiße Pracht.
Es schweigt der Wald. Doch leise schwingt
um dich ein Lied aus fernsten Auen.
Du hörst es nicht. Du kannst nur schauen.
Und hörst es doch: das Licht, es singt.
Früher kannten wir noch Winter,
und die Schneelast, die sich türmte;
waren wild verspielte Kinder,
die selbst draußen, wenn es stürmte,
rannten durch die dichten Flocken -
fuhren Schlitten, viele Stunden,
um in weißer Pracht zu hocken
und die Schneewelt zu erkunden.
Hügel rauf und wieder runter,
hei, die Luft war voll mit Lachen;
rot die Wangen und darunter,
unter unseren dicken Sachen,
die von Mutter fein gestrickten
Fäustlinge – sorgsam verbunden.
Wenn sie uns nach draußen schickte,
wär‘ sonst einer bald verschwunden.
Frierend gingen wir nach Hause,
weinend wärmten wir die Hände
nach durchnässter Schlitten-Sause,
doch der Schmerz schien nicht zu enden.
Doch bereits nach Tagerwachen,
hinter Eis beblümten Scheiben,
ließ das schneebeglückte Lachen
uns erneut ins Freie treiben.
Hell strahlt die Welt! Vom Weiß bedeckt,
glänzt freundlich kalter Himmelssegen.
Der Schnee, der hinterm Haus sich streckt,
liegt unberührt auf allen Wegen.
So zierlich wirkt des Vogels Tritt,
wenn er durchläuft die kalte Stätte;
bald knirschen Füße, Schritt für Schritt,
und reißen auf die weiße Decke.
Bizarr und blattlos stehn die Bäume -
die stets geduldig Schneelast tragen;
die kühle Luft weckt Frühlingsträume,
noch sind sie fern, die warmen Tage.
Der Januar bringt Neujahresfrische,
die Welt hält still den Atem an,
bis alle winterleeren Tische
die Frühlingszeit bedecken kann.
Wertvoll erscheint uns die Zeit,
die wir mit Menschen verbringen;
lieb uns die Gegenwart,
die unser Herz bringt zum Klingen.
Sind uns wie Heimat und Ruhe,
erfüll‘n unsere Seele mit Licht;
verbinden wie Brücken die Ufer,
sehn die Tiefen darunter nicht.
Wenn erste Risse beizeiten
in wankenden Pfeilern entstehen,
kann Achtung und Liebe entgleiten,
die Freundschaft zu Ende gehen.
Gepresst in die Augenblicke,
die in langer Gemeinschaft verhüllt,
wird aus Hoffen um ewige Liebe,
ein verklärtes, vergangenes Bild.
(gekürzt)
Nun hat der Berg sein Schneekleid angetan,
und Schnee liegt lastend auf den Tannenbäumen
und deckt die Felder zu, ein weißer Plan,
darunter still die jungen Saaten träumen.
Fried’ in der Weite! Nicht ein Laut erklingt
ein Zweig nur bebt und stäubt Kristalle nieder,
gestreift vom Vogel, der empor sich schwingt -
und still ist alles rings und reglos wieder.
In Winters Banden liegt der See und ruht,
die Wellen schlafen, die einst lockend riefen.
Nicht spielen mehr die Winde mit der Flut,
kaum regt sich Leben noch in ihren Tiefen.
Welch eine Stille! Kaum im Herzen mag
ein Wunsch sich regen, dass es anders werde.
Und doch, o Herz, du weißt, es kommt der Tag,
der wieder schmückt mit blüh’ndem Kranz die Erde.
Johann Trojan, porträtiert von Hermann Scherenberg (1879)
Steinmetz-Bruderschaftsrelief auf dem Quatuor Coronati- Fries in Florenz. – Quelle: Pinterest
Ein Leben lang bin ich der Bildner,
der meiner Seele Form verleiht;
am Anfang war ich wie ein Wilder,
das Ungestüme brach die Zeit.
Sie glättete die neuen Wege,
machte sie gangbar, sandte Licht;
das hell mir schien auf jene Stege,
die zu mir raunten: „Geh sie nicht!“
Zeigten ein Bild der Menschenbrücke,
die schnell zerbricht, bei jedem Schritt;
ein Trugbild, das mit List und Tücke
verleitet in den Abgrund glitt.
Und plötzlich war ich erdentbunden,
hob ab, ganz körperlos und frei,
ich schwebte durch Jahrhundertrunden,
sah meiner Seele Konterfei.
Der Traum war mir ein milder Schimmer,
in dem mir Gott den Meißel bot.
Ich bilde jeden Tag noch immer
mein Seelenbild – ganz ohne Not.
Schlitten klingeln durch die Gassen,
fußhoch liegt der Schnee geschichtet;
deutschem Winter muss man lassen,
dass er gar entzückend dichtet.
Und wir gehn, ein schneeweiß Pärchen,
Arm in Arm, mit heissen Wangen.
Welch ein süßes Wintermärchen
hält zwei Herzen heut gefangen!
Christian Morgenstern 1910
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