So fremd sind uns historische Epochen, so grausam das Geschehen mancher Zeit. Ein Lidschlag war’s und 100 Jahre krochen, so wie ein Windhauch durch die Ewigkeit.
So manche Seele hat die Zeit verschlungen, doch auch so viele neu der Welt geboren, und immer hat der Mensch danach gerungen, den Gott zu finden, den er glaubt verloren.
So viele Hilfeschreie in der Not durchdrangen den Schleier dieser andren Dimension, wo Gottes Helfer menschlich wehes Bangen in Freude wandeln, nur für Glaubenslohn.
So geht der Engel, der dich freundlich leitet, von Ewigkeit zu Ewigkeit mit dir; schützt deine alte Seele Flügel breitend, und bist du einsam, steht er vor der Tür.
So trägt er für dich manche Daseins-Bürde, und oft trägt er auch dich auf seinem Rücken; als wenn die Liebe niemals enden würde, baut er dir ständig neue Himmelsbrücken.
Alle hier von mir beschriebenen Personen sind inzwischen verstorben.
1955
Meine Mutter zeigte sich stets freundlich und gutmütig gegenüber Fremden. So erinnere ich mich jedenfalls an sie. Sie schien immer zufrieden und heiter zu sein. Hinter geschlossenen Türen änderte sie häufig das Gesicht. Dann entsprach sie ihrem Sternzeichen „Skorpion“, wenn sie mir Worte wie Pfeile entgegenfeuerte. Besonders gern hat sie das getan, wenn Bekannte von mir anwesend waren. Mich zu kompromittieren, hat ihr Spaß gemacht. Es schaudert mich, wenn ich mich an die letzten Worte meiner Mutter erinnere.
Ihr „Mach’ bloß, dass du wegkommst!“ werde ich wahrscheinlich niemals vergessen können. 1997, als sie mir diese Worte entgegenschrie, war sie schwer an Alzheimer erkrankt. Mein Vater stand dabei und war wohl froh darüber, dass sie mich des Elternhauses verwies.
Die Diagnose des Arztes wurde von ihnen ignoriert. Alzheimer! Mein Vater konnte mit dieser Krankheit nicht umgehen. Er meinte, die könne man erst nachweisen, wenn man das Gehirn in Scheiben schneiden würde. Meine Absicht, mit zum Arzt gehen zu wollen, war der Grund des damaligen Rausschmisses, da meine Mutter sich weigerte, ihre Medikamente zu nehmen, weil sie sich gesund fühlte. Sie hatte für ihre Krankheit kein Bewusstsein. Drei Monate danach starb sie. Das war im Oktober 1997.
In jungen Jahren hatte sie den Beruf der Verkäuferin in einem Textilgeschäft in Alt-Homberg gelernt. Nach ihrer Heirat 1951 führte sie als Hausfrau ein weniger abwechslungsreiches Leben, obwohl die Hausarbeit damals noch ein anderes Volumen als heute hatte.
In der Mitte der 50er Jahre hatte „Schmalhans“ die deutschen Küchen verlassen. Wir hatten immer genügend zu essen, wenn auch weniger mannigfaltig als heutzutage. Es wurde vieles selbst angepflanzt oder hergestellt. Damals war man sparsamer als heute. Es gab wenig Müll und keine Wegwerfmentalität. Die Menschen schätzten die Handarbeit. Es wurde selbst gekocht, genäht und gestrickt. Fast alle Tätigkeiten und Reparaturen im Haus erledigte man eigenhändig, so gut es ging. Bis auf die Grundnahrungsmittel gab es nur wenig zu kaufen, und wenn doch, dann war es teuer. Geld war damals knapp und die Löhne niedrig.
Die Läden in der Stadt führten wieder ein vielfältiges Sortiment. Es gab Drogerien, Buch- und Schreibwarenläden, Kohlehändler, Schuhgeschäfte und Apotheken, ein Tabaklädchen, eine Leihbücherei und mehrere Bäcker, Metzger und Krämerlädchen. Zweimal wöchentlich war Markt.
Als Vierjährige war ich fröhlich hüpfend an der Hand meiner Mutter gelaufen, wenn sie mittwochs und samstags zum Wochenmarkt ging. Dort hatte ich mich über ein Stückchen Wurst gefreut, das ich jedes Mal von der freundlichen Marktfrau am Fleischerstand gereicht bekam. Wenn die Einkäufe erledigt waren, hopste ich genauso fröhlich wieder neben meiner „Mami“ nach Hause zurück, allerdings durstig und erschöpft.
„Hast du Durst, dann geh nach Frau Wurst, die hat ein klein Hündchen, das pinkelt dir ins Mündchen“, sagte meine Mutter dann oft lachend auf dem Nachhauseweg. Immer war es dasselbe Ritual, eine der guten Erinnerungen, an kurze, glückliche Momente meiner Kindheit.
Stolz trug ich die frisch gefüllte Milchkanne aus Blech am Holzgriff in meinen kleinen Händen und fühlte mich neben meiner Mami geborgen und furchtlos.
Ich wuchs im Hause meiner Großeltern auf. Meine Eltern bewohnten dort seit 1951 die obere Etage. Bei einem Tanzvergnügen hatten sie sich kennengelernt, nachdem Friedrich, mein Vater, aus französischer Gefangenschaft nach Hause zurückgekehrt war. Anschließend hatte er eine Laborantenlehre bei dem hiesigen Chemieunternehmen absolviert und seine Arbeit so gut gemacht, dass man aus oberen Reihen bestimmte, er solle die Stelle eines Chemiemeisters in einem der Betriebe übernehmen. Wieder musste er intensiv lernen, in fast jeder Minute seiner Freizeit, bis er auch diese Prüfung erfolgreich absolviert hatte.
Mein Vater in der Kriegsgefangenschaft
Mit Bitterkeit dachte mein Vater manchmal an die schwere Nachkriegszeit in Südfrankreich zurück, wo er in Bergerac bei einem Bauern Dienst tun musste, bis man ihn nach sechs langen Jahren „Kohldampfschieben“ und Schinderei endlich freigelassen hatte. Der Krieg hatte seine Seele auf dem Gewissen, und er trauerte seiner verlorenen Jugend hinterher.
Mit fünfzehn Jahren war er von den Nationalsozialisten zum Militärdienst herangezogen und zunächst auf eine Schule nach Skandinavien gebracht worden. Das war nichts für ihn. Ihm lag das Dienen nicht. Nach der Grundausbildung ging er zurück ins Ruhrgebiet, von wo aus man ihn anderweitig im Militärdienst einsetzte. Ganz im Gegensatz zu ihm, war sein Vater Ernst mit Leib und Seele Soldat gewesen. Schon im Ersten Weltkrieg war er für Deutschland in den Kampf fürs Vaterland gezogen. Doch der Krieg hatte erbarmungslos seine Opfer gefordert. Vaters einstige Kameraden von der Militärschule waren in blutjungem Alter allesamt nach Stalingrad abkommandiert worden und dort elendig umgekommen. Nicht einer von ihnen war zurückgekehrt.
Mein Großvater, väterlicherseits – erste Reihe, links
Auch der Vater meines Vaters fand 1944 als Feldwebel der Waffen-SS in Frankreich bei Auray/Morbihan sein Grab und wurde in Pornichet beigesetzt.
Vater hatte Glück im Unglück, dass er nach Kriegsende aus einem Lager bei Rheinberg von den Alliierten nach Frankreich gebracht worden war. Sein Äußeres war wegen seiner schwarzen Haare dem Deutschen ganz und gar untypisch.
In den letzten Jahren seiner Gefangenschaft war der Feindeshass langsam gewichen. Zwangsläufig hatte er die französische Sprache erlernen müssen und engere Kontakte zum Eigner des Gutshofes geknüpft. Fast zwei Jahrzehnte nach seiner Entlassung flatterte ihm von diesem eine Einladung nach Bergerac ins Haus. Es berührte ihn sehr, als er den parfümierten Brief aus Frankreich in Händen hielt. Das Wiedersehen seiner Leidensstätte lehnte er jedoch ab. Zu viele bittere Erinnerungen hingen daran, die er nicht vergessen konnte. Von Frankreich wollte er zeitlebens nichts mehr wissen.
Er war 23 Jahre alt gewesen, als er nach der Gefangenschaft seine Heimat wiedersehen durfte. Dort lernte er meine zwei Jahre ältere Mutter Almuth beim Tanzen kennen. „Zur Lindenwirtin“ hieß das Lokal, das sich ganz in der Nähe des Chemiewerkes befand und unweit seines Elternhauses auf derselben Straße lag. Als das Unternehmen das Firmengelände erweiterte, wurden die kleinen Häuser und Gärten dem Erdboden gleichgemacht. Danach lebte seine Mutter ganz in der Nähe ihres alten Zuhauses, in einer engen Zweizimmerwohnung ohne Küche.
Die Angehörigen ihrer Familie waren allesamt rothaarig. Mein Vater glich dem schwarzhaarigen Vater. Der „Schwatte“ war immer der Böse. Das Verhältnis zwischen ihm und seiner Mutter hatte man nicht gerade als liebevoll bezeichnen können. Es schien eher oberflächlicher Natur zu sein, der Kontakt zur Mutter ein familiäres Muss.
Er hatte sich als Kind stets von ihr vernachlässigt gefühlt. Als er als kleiner Junge mit eitrig verstopftem Tränenkanal und bereits zugeschwollenem Auge nicht von seiner Mutter zum Arzt gebracht worden war, schritt der Lehrer ein. Geprägt und hart gemacht hatte ihn das, und er konnte es nicht vergessen. Er war in puncto Nichtvergessenkönnen zeitlebens ein Elefant.
Mein Vater als „Pimpf“ ein Dienstgrad für 10- bis 14-jährige Mitglieder des Deutschen Jungvolks.
Sein Bruder Günter, im Gegensatz zu ihm blond und blauäugig, war als Frühgeburt nach ihm zur Welt gekommen und hatte wegen seiner Kränklichkeit immer mehr Zuwendung erhalten als er. Zwischen erhitzten Backsteinen, die die Funktion eines Brutkastens übernehmen mussten, war Günter nach seiner Geburt mühsam am Leben erhalten worden. Im ersten Jahr kam eine Rippenfellentzündung hinzu, und der Vater musste täglich den Eiter mittels einer Spritze aus dem Rücken des armen Säuglings ziehen. Das hatte die Bindung zur Mutter vertieft.
Deutschland befand sich im Wiederaufbau; Wohnungen waren knapp, viele Häuser ausgebombt. Also zog das junge Paar zum Leidwesen meines Vaters in das Haus der Schwiegereltern in Hochheide. Hier bewohnten sie eine kleine Wohnung mit Schlafraum und Wohnküche, die mit Gasheizung, spartanisch, aber modern eingerichtet war.
Mit seiner Schwiegermutter stand mein Vater von jeher auf Kriegsfuß, denn sie war eine dominante Frau. Da er selbst seine patriarchalische Einstellung nicht ablegen konnte, rasselten beide nur allzu oft aneinander. Dann ging man sich eine Zeit lang aus dem Weg.
Meine Oma Helene in unserem Garten
Meine Oma Helene stammte aus Kantarischken im Kreis Heydekrug in Ostpreußen. Sie dachte stets sachlich, praktisch und fromm, ohne jemals sentimental zu sein, war dunkelblond, eher breithüftig als schlank, und vom Wesen her ruhig, aber resolut, mit unverkennbar ostpreußischem Dialekt. Sie war sehr sparsam und drehte jeden Pfennig dreimal herum, bevor sie ihn ausgab. Oma war in unserer Familie die einzige Person, die immer Geld hatte.
Krankheiten wurden selbst therapiert, weil ein Arzt zu teuer und obendrein in ihren Augen überflüssig war. Einer dieser „Quacksalber“, wie sie die Ärzte nannte, hatte sie in den 40er-Jahren für unheilbar krank erklärt und ihr den baldigen Tod prophezeit. Damals war sie an schwerem Rheuma erkrankt, was ihr aufs Herz geschlagen war. Der üblen Diagnose zum Trotz behandelte sie sich selbst und wurde wieder gesund. Aufgrund dessen ließ sie bis an ihr Lebensende im 93. Jahr keinen Arzt mehr ins Haus. Sie kurierte sich mit „Haarlemer Öl“, einem widerlich riechenden Allheilmittel aus Schwefel und Terpentin, das neben Franzbranntwein und Pferdesalbe ein Muss in der häuslichen Apotheke war.
Faithful unto death Herbert Gustave Schmalz 1856-1935
So hart wie Stein wird mancher Menschen Herz, kennt weder Mitgefühl noch Gnade, gönnt anderen nur Spott und Seelenschmerz, lockt erst die Gier nach Macht, wie süßes Apfelfleisch die Made.
Das Leiden anderer – zur Schau gestelltes Quälen, war früher Freude der Cäsaren Tribunal, als Schauplatz wird man heute andre Orte wählen, wenn schreiend erst das Volk die Daumen senkt, dann rollen Köpfe, so wie damals, ohne Zahl.
Sendest deine Bilder zum Himmel wie ein Gebet; tiefe Gottverbundenheit färbt die Seele golden und lässt ihre Schönheit nach außen strahlen. Heilende Inspirationen, himmlischer Malerei, reflektieren ihre Liebe tausendfach in dir.
Gemaltes Vaterunser; auf Lindenholz fixierte meditative Pigmentierung. Jeder Pinselstrich gemalt mit dem Blattgold deines Herzens, gegeben an den Geist der Liebe und des Lichts; Balsam für deine in Klausur gelebten Leben, schenkt deiner wunden Seele den Frieden der Ewigkeit.
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