Hölle auf Erden

Gustave Doré 1832-1883 – Dante, Hölle

Mit großen Lebensfehlern,
die wir einst gemacht,
pflastern wir uns die eigne Erdenhölle,
 
die uns umgibt,
wie rabenschwarze Nacht,
wo dunkle Mächte fordern ihre hohen Zölle.
 
So, wie ein Strudel,
der uns aus der Mitte reißt,
und dann erbarmungslos in seine Tiefen zieht,
 
wie uns ein Sturz den Aufprall wohl verheißt,
wenn man mit großen Augen in den Abgrund sieht,
 
so quält allgegenwärtig unser Missgeschick,
versperrt den Blick zu neuen, guten Dingen,
 
und standen wir schon auf dem ob’ren Leiterstück,
muss dann ein neuer Aufstieg erst gelingen.
 
So werden wir die Meister unsres Lebens,
gelernt sein muss ein jeder unsrer Schritte,
 
und mühen wir uns manchmal auch vergebens,
die Umkehr führt uns heim in unsre Mitte.

Freundschaft

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Freundschaften wachsen tief ins Herz,
so ganz und gar verbunden,
fühlt man gemeinsam Freud’ und Schmerz,
gute und schlechte Stunden.

So edel manches Freundschaftsband
schien tief und fest verwoben,
ist es auf einmal kurzer Hand,
uns plötzlich fort geflogen.

Mond

Bild: Karin M.

Streifst ab die Sonnen-Tageshülle,
 behältst nur ihren Schein.
 
Dein Licht ist kalt, bizarr.
 
Beseelst mit kühlem Glanz
die dunkle Schattenstille.
 
Traumhüter,
Wandler der Gezeiten.
 
Kreist ruhelos,
 vertraut,
bis dass die Welt vergeht.
 
Allabendlich
ist jeder Blick zu dir
wie ein Gebet.

Schutzengel

Sulamith Wülfing 1901-1989

So fremd sind uns historische Epochen,
so grausam das Geschehen mancher Zeit.
Ein Lidschlag war’s und 100 Jahre krochen,
so wie ein Windhauch durch die Ewigkeit.
 
So manche Seele hat die Zeit verschlungen,
doch auch so viele neu der Welt geboren,
und immer hat der Mensch danach gerungen,
den Gott zu finden, den er glaubt verloren.
 
So viele Hilfeschreie in der Not durchdrangen
den Schleier dieser andren Dimension,
wo Gottes Helfer menschlich wehes Bangen
in Freude wandeln, nur für Glaubenslohn.
 
So geht der Engel, der dich freundlich leitet,
von Ewigkeit zu Ewigkeit mit dir;
schützt deine alte Seele Flügel breitend,
und bist du einsam, steht er vor der Tür.
 
So trägt er für dich manche Daseins-Bürde,
und oft trägt er auch dich auf seinem Rücken;
als wenn die Liebe niemals enden würde,
baut er dir ständig neue Himmelsbrücken.

Neues Leben

Aquarell von Sulamith Wülfing 1901-1989

Auf einmal bist du da,
so fremd auf dieser Welt.
Gefangen – körpernah,
vom Daseinsschmerz gequält.

Dein Blick ins Weltenreich
trifft unbekanntes Land.
Die Heimat, unerreicht,
dein Geist in Gotteshand.

Ein Ruf erging an dich,
mit Schmerz bist du erwacht.
So unabänderlich
folgst du, bis es vollbracht.

Die Jahre gehn dahin,
du lernst und übst Verzicht.
Fühlst manchen leeren Blick,
den Schlag in dein Gesicht.

Das Böse in dir selbst,
lehrt andere verstehen.
So kannst du unbetrübt
in die Vergebung gehen.

Und jeder Augenblick
bringt dich an eine Wende,
verwandelt dein Geschick;
stets ist dein Weg zu Ende.

Erkenne und erwähle
der Gottheit reiches Geben.
Bild‘, wanderfrohe Seele,
das Kunstwerk deines Lebens.

Tagträume

Fotograf unbekannt


Lau weht der Wind.
Das Blattwerk flüstert leis’
und flatterhaft
dreht sich’s im Kreis,
mal hin, mal her.

Ich schau hinaus.

Der Himmel blaut.
…Mein Schreibtisch wird nicht leer.
Die Welt schaut fröhlich,
wie aus Veilchenaugen.
…Gleich der Berufsverkehr!

Ein Bild!

Es steigt die Lerche hoch
vom Wiesengrund,
und aus dem dunklen Mund
des Waldes atmet’s Kühle.

Büro-Gedankenspiele!

Träum mich weit fort
von tristen Formularen,
hinauf zum Wald.
Ich laufe still den Weg
bis an den Ort,
dort, wo die Weiden waren.

Das Telefon!

…Ich leg den Bleistift nieder.
Verklärt schau ich die schönen Bilder wieder,
ganz weltverloren
und treibe fort,
im Sonnenschein geborgen,
allein.

…Gleich fahr ich heim.

Zur Ruhe

Die weite Welt ist nun zur Ruh’
Das Mondlicht kommt verstohlen
und küsst die müden Augen zu.
Schatten kommen, so kommst auch Du
schwebend auf leichten Sohlen.

Noch fühl ich das Beben in deiner Hand,
als wir im Sommer schieden.
Der Winter kam und der Winter schwand;
ich wand’re im fernen, fremden Land
und finde nimmer den Frieden.

Wie seh’ ich dein Auge leuchtend klar
und Tränen darin stehen!
Ich weiß nicht, wie es geschehen war,
das aber weiß ich immerdar,
dass Leides uns geschehen.

Die ganze Seele füllt’ ich dir aus,
Wärest du jetzt mein eigen;
Doch du schlummerst fern im grünen Haus,
Nachtfalter flattern herein, heraus,
Und im Garten wandelt das Schweigen.

Versteinerte Herzen

Faithful unto death
Herbert Gustave Schmalz 1856-1935

So hart wie Stein wird mancher Menschen Herz,
kennt weder Mitgefühl noch Gnade,
gönnt anderen nur Spott und Seelenschmerz,
lockt erst die Gier nach Macht,
wie süßes Apfelfleisch die Made.
 
Das Leiden anderer – zur Schau gestelltes Quälen,
war früher Freude der Cäsaren Tribunal,
als Schauplatz wird man heute andre Orte wählen,
wenn schreiend erst das Volk die Daumen senkt,
dann rollen Köpfe, so wie damals, ohne Zahl.
 

Das letzte Gebet – Jean-Léon Gérôme  – 1824–1904)

Geistesblitze

Aus „Werthers Leiden“ von Johann Wolfgang von Goethe

Was soll ich schreiben,
frag’ ich mich so oft,
wenn ich das leere, weiße Blatt betrachte,
und kommen die Gedanken wie erhofft,
dann sind sie Ursprung dessen,
der sie brachte.

Sind wie ein Blitz in meinem Kopf,
spontan und voller Willkür –
fremde Worte,
als packte mich Vergangenes
beim Schopf,
vermittelt vom geheimen Musen-Orte.

Es füllen sich die Seiten, wie die Stunden,
mit Sätzen;
formen sich zu Reimen aufs Papier,
und in zig Tausenden von flüchtigen Sekunden,
verbinde ich mich still im Vers mit Dir.

Ikonen Malerin

William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Sendest deine Bilder zum Himmel
wie ein Gebet;
tiefe Gottverbundenheit
färbt die Seele golden
und lässt ihre Schönheit nach außen strahlen.
Heilende Inspirationen,
himmlischer Malerei,
reflektieren ihre Liebe tausendfach in dir.
 
Gemaltes Vaterunser;
auf Lindenholz fixierte
meditative Pigmentierung.
Jeder Pinselstrich gemalt
mit dem Blattgold deines Herzens,
gegeben an den Geist der Liebe und des Lichts;
Balsam für deine in Klausur gelebten Leben,
schenkt deiner wunden Seele
den Frieden der Ewigkeit.