Zur Nacht

Bis dass der Tag beginnt,
vom Sonnenlicht erweckt,
geborgen wie ein Kind,
mit Träumen zugedeckt,

an Mutters festen Hand,
durch grüne Wiesen gehn,
im bunten Niemandsland,
bei sanften Engeln stehn.

Im Flügelschlag der Zeit,
zum Geist der Himmelsruh.
Schlaf gut und sei bereit!
Mach deine Augen zu.

Von Welt und Angst befreit,
fühl dich ins Licht gehoben.
Spür frei von Raum und Zeit
Glückseligkeiten oben.

Marschliedchen

von Erich Kästner
Sprecher: Fritz Stavenhagen – https://www.deutschelyrik.de/home.html

Ihr und die Dummheit zieht in Viererreihen
In die Kasernen der Vergangenheit.
Glaubt nicht, dass wir uns wundern, wenn ihr schreit.
Denn was ihr denkt und tut, das ist zum Schreien.

Ihr kommt daher und lasst die Seele kochen.
Die Seele kocht und die Vernunft erfriert.
Ihr liebt das Leben erst, wenn ihr marschiert,
Weil dann gesungen wird und nicht gesprochen.

Ihr liebt die Leute, die beim Töten sterben.
Und Helden nennt ihr sie nach altem Brauch;
denn ihr seid dumm und böse seid ihr auch.
Wer dumm und böse ist, rennt ins Verderben.

Ihr liebt den Hass und wollt die Welt dran messen.
Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin,
Damit es wächst, das Tier tief in euch drin!
Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen.

Ihr möchtet auf den Trümmern Rüben bauen
Und Kirchen und Kasernen wie noch nie.
Ihr sehnt euch heim zur alten Dynastie
Und möchtet Fideikommiss Brot kauen.

Ihr wollt die Uhrenzeiger rückwärts drehen
Und glaubt, das ändere der Zeiten Lauf.
Dreht an der Uhr! Die Zeit hält niemand auf!
Nur eure Uhr wird nicht mehr richtig gehen.

Wie ihr’s euch träumt, wird Deutschland nicht erwachen.
Denn ihr seid dumm und seid nicht auserwählt.
Die Zeit wird kommen, da man sich erzählt:
Mit diesen Leuten war kein Staat zu machen!

Erich Kästner (1899-1974)

Kinder des Lichts

Wie ein See, mit tausend Glitzerwellen,
spiegeln sich die Himmel, sternenfunkelnd,
wo des Lichtes unbekannte Quellen,
strömen zu den Taten, die verdunkelnd,
in den leidgeprüften Unbelehrten,
den von Hass Gequälten, tief Gesunkenen,
die sich falschen Lehren nicht erwehrten,
die an Mächte dunkler Welt Gebundenen.

Schwere Lügen und Gewalt vereint,
Schuld, verband sie und die Lust
liegt auf ihnen, dicht und schwer wie Stein.
Dämonisch schlägt das Herz in ihrer Brust.

Freuden dieser Welt darfst du nicht trauen,
reich dem die Hand, der übers Wasser lief.
Dein Auge sei in Seinen, mit Vertrauen,
hör, wie Er lang schon deinen Namen rief.

Schau nicht zurück! Das schönste Glück auf Erden
ist nichts, nur Last, wie Lust und Geld.
Drum mach dich frei, nur dann kann Liebe werden,
wenn Er die Schatten nimmt, den Kindern dieser Welt.

Trauer dieser Welt

Göttliche Segenswünsche:
William Adolphe Bouguereau 1825-1905

Die Trauer dieser Welt,
ich will sie tragen
und fern in alle Winde streuen,
ich will sie an den dunklen Tagen,
mit hellem Himmelslicht erfreuen,
will ihr ein Lächeln zaubern,
wenn heiße Tränen rinnen
und durch Verzweiflungsmauern
den Zweig der Hoffnung bringen,
will nie den Mensch vergessen,
tief sitzt sein Weltenschmerz,
drum pflanz’ ich statt des Leidens
nur Liebe in sein Herz.

Keramikflies Quelle: Wikipedia

Kosenamen

Als man mir Kosenamen gab,
war ich klein, in Vertrauen gebettet,
doch die Welt ist gemein, das Namensgrab
hat mich nicht vor Schlägen gerettet.

Vater und Mutter erlebte ich staunend,
wie ein Pionier im Niemandsland.
Eine Vielzahl von Leuten, Wörter ‚raunend‘,
trugen Fragen in meinen Kinderverstand.

Der Faktor „Niedlichkeit“ stand fürwahr
meiner Größe ‚ins Gesicht‘ geschrieben.
Ein Pummelchen (mit lockigem Haar),
…ist leider im Alter geblieben.

Ich hatte mir eine Scheinwelt erbaut,
aus Luftschlössern und Träumen,
mein Himmel hat darüber geblaut,
mit Sonnenstrahlen und Bäumen.

Es gab kaum Entbehrung, manch kleines Leid,
es gab Blumen, Tiere und Lieder,
das Leben war Glück und Fröhlichkeit,
die Menschen, ehrlich und bieder.

Meine Welt war komplett ein Zweckverband,
blieb unverstanden im Herzen,
das Leben, in dem ich mich wiederfand,
schien lieblos, voll Seelenschmerzen.

So stürzte es ein, das erträumte Glück,
die vertraute Welt brach zusammen.
Ich begrub unter Trümmern vom Himmel ein Stück,
konnte hier keine Liebe empfangen.

Mein Kind wir waren Kinder

Text: Heinrich Heine, Interpreten: Zupfgeigenhansel

Mein Kind, wir waren Kinder,
Zwei Kinder, klein und froh;
Wir krochen ins Hühnerhäuschen,
Versteckten uns unter das Stroh.

Wir krähten wie die Hähne,
Und kamen Leute vorbei –
„Kikereküh!“ sie glaubten,
Es wäre Hahnengeschrei.

Die Kisten auf unserem Hofe,
Die tapezierten wir aus,
Und wohnten drin beisammen,
Und machten ein vornehmes Haus.

Des Nachbars alte Katze
Kam öfters zum Besuch;
Wir machten ihr Bückling‘ und Knickse
Und Komplimente genug.

Wir haben nach ihrem Befinden
Besorglich und freundlich gefragt;
Wir haben seitdem dasselbe
Mancher alten Katze gesagt.

Wir saßen auch oft und sprachen
Vernünftig, wie alte Leut‘,
Und klagten, wie alles besser
Gewesen zu unserer Zeit;

Wie Lieb‘ und Treu‘ und Glauben
Verschwunden aus der Welt,
Und wie so teuer der Kaffee,
Und wie so rar das Geld! —

Vorbei sind die Kinderspiele,
Und alles rollt vorbei –
Das Geld und die Welt und die Zeiten,
Und Glauben und Lieb‘ und Treu‘.

Herbststimmung

Bild von ELG21 auf Pixabay

Wenn die Sonne nicht mehr scheinen will,
steht der Antrieb unsres Handelns still.

Die Natur zieht auf mit Wolkentürmen,
Regen wird das trockne Land erstürmen.

Wo der forsche Wind durch die Alleen weht,
werden grüne Wipfel wie im Tanz bewegt,

und der Herbst singt seine bunte Melodie,
„Abschied“, klingt im Blätterrauschen, irgendwie,

tragen das vergang‘ne Jahr im Blattgewand,
wenn sich Morgendunst im ersten Nebel band.

Frühlingshaft sind junge Menschenleben,
ganz von ungestümer Lebenslust umgeben,

doch bereits im blumenvollen Lenze,
bindet man des Herbstes letzte Kränze.

Wenn bei wilden Stürmen, nassem Wetter,
lichten sich die Zweige, fallen Blätter;

muss bei jedem müden Niedersenken,
an das Sterben von Natur und Menschen denken.

August

von Erich Kästner
Peder Mørk Mønsted, (1859-1941)

Nun hebt das Jahr die Sense hoch
und mäht die Sommertage wie ein Bauer.
Wer sät, muss mähen.
Und wer mäht, muss säen.
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

Stockrosen stehen hinterm Zaun
in ihren alten, brüchigseidnen Trachten.
Die Sonnenblumen, üppig, blond und braun,
mit Schleiern vorm Gesicht, schaun aus wie Frau’n,
die eine Reise in die Hauptstadt machten.

Wann reisten sie? Bei Tage kaum.
Stets leuchteten sie golden am Stakete.
Wann reisten sie? Vielleicht im Traum?
Nachts, als der Duft vom Lindenbaum
an ihnen abschiedssüß vorüberwehte?

In Büchern liest man groß und breit,
selbst das Unendliche sei nicht unendlich.
Man dreht und wendet Raum und Zeit.
Man ist gescheiter als gescheit, –
das Unverständliche bleibt unverständlich.

Ein Erntewagen schwankt durchs Feld.
Im Garten riecht’s nach Minze und Kamille.
Man sieht die Hitze. Und man hört die Stille.
Wie klein ist heut die ganze Welt!
Wie groß und grenzenlos ist die Idylle …

Nichts bleibt, mein Herz. Bald sagt der Tag Gutnacht.
Sternschnuppen fallen dann, silbern und sacht,
ins Irgendwo, wie Tränen ohne Trauer.
Dann wünsche Deinen Wunsch, doch gib gut acht!
Nichts bleibt, mein Herz. Und alles ist von Dauer.

Erich Kästner (1899-1974)

Neuer Tag

Bild von Quang Nguyen vinh auf Pixabay

Zog aus, das Kleid aus Traumgespinst,
Vergangenheit lag zugedeckt mit Nacht.
Es wich die Dunkelheit, ein Tag beginnt,
der neue, lichte Horizonte schafft.

Der Sonnenglanz entstieg dem Horizont,
zerriss das wolkenschwere Firmament,
so hat der Geist, der in den Himmeln wohnt,
die Schatten dunkler Stunden abgetrennt.

Ein Schein des Glücks fällt durch das Fenster,
erhebt die Brust zu neuem Aufwärtsstreben,
vertreibt Vergangenheitsgespenster,
erweckt in Geist und Körper neues Leben.

Der Regen trübt die Helligkeit der Stunden,
sanft gleiten Tropfen auf die dürre Erde,
die Sommerzeit scheint bald verschwunden,
der Herbst empfing schon ihr: „Es werde!“

Brücken schmieden

Taten der Liebe verschenken, waffenlos siegen,
wirken mit gütigen Händen, lösen von Kriegen.

Der Begrenztheit der Welt im Wandel begegnen,
geistige Dürre vertreiben, mit Wissen beregnen.

Gottes Wirken in allen Handlungen sehen,
das Leid des anderen Menschen verstehen;

Vertrauen aufbauen und Brücken schmieden,
über Unwegsamkeiten den Himmelsfrieden.

Mit offenen Armen zum Flüchtenden eilen,
ihm ein Haus auf Gottes Erdboden teilen.

Schranken heben, um Fremdheit tiefer zu binden,
den gemeinsamen Pfad zur Seligkeit finden.

Tatenvoll mächtig wirken und denken,
anderen Menschen Vertrauen schenken;

Sternenstaub hier auf Erden verbreiten,
in seliger Allheit die Freiheit beschreiten.