Traurige Seele

Bildausschnitt „Das große Erwachen“ – Herbert Gustave Schmalz , bekannt als Herbert Carmichael nach 1918 (1856-1935)

Traurige Seele, wie bist du erwacht?
Scheint doch der Tag noch so trübe.
Gedanken haben zum Schlafen gebracht,
was doch des Lebens längst müde.

Der Morgen ist kühl, der Kaffee schmeckt lau.
Der Blick auf die Uhr bringt ein Schaudern.
Draußen ist Kälte, so nebelgrau.
Höre im Traum noch mein Plaudern.

Kein Mensch ist hier; bin immer allein.
Im Albtraum sind viele Gestalten.
Für das, was mir alltags fehlt, daheim,
muss ich wohl dunkle Träume erhalten.

Wurde erschossen, mit zwei Kugeln gar;
lag auf dem Bett…Hirngespinste.
Ein Mann mit Pistole war noch da.
Ich starrte ihn an, er grinste.

Dann lief ich auf unserer Straße umher,
still, die Vergangenheit suchend.
Da war nichts, nur Fremdheit und Verkehr.
Ich wachte auf, leise fluchend.

Wie gerne wäre ich dort geblieben,
mit Fetzen aus Taggedanken!
Meine Zeit hier ist doch nur geliehen,
meine Seele im längst Vergang’nen.

Die Katzen haben mir Püppchen gebracht,
sie möchten Frühstück bekommen.
Ich fülle die Schalen – es ist noch Nacht.
Wandle still in den Tag, wie benommen.

Dunkle Jahre

Edmund Blair Leighton 1853-1922 – The Unknown Land

Der Tränen hab’ ich viel vergossen,
in stetem Leid ertrank mein Herz
und war’n die Augen fest geschlossen,
empfand ich tiefen Seelenschmerz.
 
Ich irrte lange durch die Zeiten,
fand keinen Menschen, der mich trug,
ließ mich von Traurigkeit begleiten,
nur Ablehnung fand ich genug.
 
So gingen hin die alten Tage,
mir folgte nur die Einsamkeit,
nichts änderte die Lebenslage,
die Liebe blieb so fern, so weit.
 
Mein Herz, das suchte stets den Wandel,
doch Menschen brachten nicht das Glück
und durch das oftmals falsche Handeln,
blieb nur die Bitterkeit zurück.
 
Nach langen dunkeltrüben Jahren
sind’s neue Wege die ich gehe,
ich darf mit Dankbarkeit erfahren,
die liebevolle Gottesnähe.

Mein Weg

Vier Wände um dich,
Mauern, meterdick,
sie lassen mir kein Licht,
nichts dringt zu mir,
das Dunkel weicht
mir nicht ein kleines Stück,
verschlossen bleibt zum
Herzen deine Tür.
 
Wo sonst Gefühl,
klafft unverhüllt ein Nichts,
ein Schweigen, das sich
an den Mauern bricht.
Wo sonst die Leidenschaft
fast nie erlischt,
treibt nun ein kühler
Wind mir ins Gesicht.
 
Wie sehn ich mich
nach deinem lieben Wort,
nur sachlich schreibst
du mir aus deiner Welt,
als ob die Frau an deiner
Seite ahnt,
den fremden Ton,
der auf die Tasten fällt.
 
Versteckt, verborgen
in der Illusion, im Labyrinth
des ewigen Verzichts,
als ob die Liebe hier
der Schlüssel ist,
doch oft passt er zu deinem
Herzen nicht.
 
Verschließt du dich vor mir
geh ich zurück
in mein verlass’nes Tal der
Einsamkeit.
Begleitet hast du mich
ein kleines Stück,
auf meinem Weg
durch meine Dunkelheit.

Selbstmord

www.mondlicht08.de

Selbstmord und Seelenqual

Was lehnst du, Mensch, dich auf?
Meinst du, du kannst entfliehn dem Gott in dir?
Glaubst du, dich zu entziehn dem ehernen Gesetz,
wenn du dich von ihm wendest,
wenn du mit eigner Hand dein Leben endest?

Was deinen Körper trifft, trifft nur dein Kleid.
Das Leben endet wohl, doch endet nicht das Leid,
dem du nur wehrloser anheim gegeben
und ausgeliefert bist im neuen Leben,
weil ungerufen du betratst das neue Land!

Wer Gottes Ruf nur folgt, dem sind zum Trost gesandt
erbarmungsvolle Engel, die ihn leiten,
die seinem schwachen Fuß den Weg bereiten.
Doch wer den eignen Willen nur gekannt auf Erden,
wie kann der Wille Gottes ihm zur Hilfe werden?
Die Hilfe ist ihm nah – allein er sieht sie nicht,
des Eigenwillens Trotz beraubt ihn nun der Sicht.
Sein Denken, nur auf sich gestellt, schließt ihn nun ein,
Gefangner seiner selbst, empfindet er allein
die eigne Not, die eigne Seelenqual;
zu enden sie, versucht er tausendmal die gleiche Tat
und wird sich tausendmal bewusst,
dass er nicht töten kann das Fühlen in der Brust! –

Erst wenn die Qual die Mauern seines Kerkers sprengt,
wenn tiefste Not ihm des Gebetes Gnade schenkt,
wenn er aus grenzenloser Einsamkeit
nach Gott, nach Hilfe, nach Erlösung schreit –
ist er befreit!

Er sieht die lichte Schar,
die helfend ihm schon lange nahe war.
Sein aufgeschlossnes Herz ahnt nun, was Liebe schafft,
und mit dem Ahnen wächst die eigne Liebeskraft.
Das Ahnen wird ein Schaun, das Schaun Erkennen,
den ew’gen Schöpfer lernt er Vater nennen.

So schreitet strebend er in seiner Brüder Mitte
dem Lichte zu, und jeder seiner Schritte
bringt näher ihn dem heiß ersehnten Ziel.
Wie oft er es erstrebt, wie oft er fiel,
schaut er erkennend nun im Spiegel seiner Leben.
Sein letztes Erdenlos, das ihm nur Qual gegeben,
wie klein es ist, – ach, eine Perle nur,
den andern angereiht auf goldner Schnur,
die ausging einst von Gott und kehrt zu Gott zurück.

Der Mensch sieht von dem goldnen Faden nur ein Stück,
und seine Prüfung ist, ihn dennoch rein zu spinnen
und eine klare Lebensperle zu gewinnen.
Des Daseins Kreis zu schließen, ist er ausgesendet
von Gott – und erst in Gott ist er vollendet.


<Ephides>
Adyar-Verlag, Graz (1978)

Einsamkeit

Caspar David Friedrich 1774-1840 – Frau am Fenster

Keine Stimme, die ruft,
kein Herz, dem ich fehle,
nur Einsamkeit, Stille,
durch die ich mich quäle –
aus der Ferne, der Klang der Motoren
und manchmal will sich die Ruhe
in meine Seele bohren.
 
Suche Beschäftigung,
die diesen Bann durchbricht,
doch wirklich finde ich sie nicht.
Kann mich nicht fügen,
nicht konzentrieren,
möcht‘ manchmal den Verstand verlieren.
 
Ich schau die Wände an –
es sind dieselben, die ich vor einer Stunde sah;
verwandeln möchte ich die gelben
in bunte, mit Punkten,
die ich dann zählen könnte,
um mich abzulenken,
vom Denken.