Leere Blätter

Foto: Pixers.de

Du leeres Blatt,
du ziehst mich an…
dein Bild,
mit Zeichen dich zu füllen,
die innere Lust zu stillen,
zu schauen,
wie sich die Fläche langsam füllt,
so wie ein Lebensbild,
wenn die Konturen stärker noch
die Schatten heben.

Wie punktgenau, fast unsichtbar,
die Zeichen rannen
und mittels Geisteskraft
aufs Blatt gelangten!

Buchstabenreihen
tragen Inhalt in schwachen Momenten,
fordern schriftlich Konsequenzen,
weil komplizierte Wirkungsweisen
gedanklich Lücken reißen
und innerlich befreien.

Kann durch Schreiben und Lesen die Welt genesen?

Mein Leben

Bild von jplenio auf Pixabay

Ich habe über vieles geschrieben,
Gott, Glaube, Natur und vergangene Lieben,

ich holte die fernsten, tiefsten Gedanken
zurück, wie’s die Momente verlangten.

Preis gab ich vergangene Situationen,
die vergeben, doch unvergessen, in mir wohnen.

Meine letzten Schritte in Wald und Feld
ließ ich Revue passieren – fern meiner jetzigen Welt.

Krankheiten machten den Riegel davor,
sodass ich den Zugang zum Außen verlor.

Ich habe gelebt, geliebt und gelacht,
doch für vieles wurde das Ende gebracht.

So manches konnte ich nie probieren,
in vier Wänden gefangen, muss mein Körper parieren.

Es schmerzt mancher Schritt; ich bin froh darum,
dass die Lähmung verging, nun leide ich stumm.

Wie alles vergeht, ist mein Leben geschlossen,
so manche Träne hab ich still vergossen.

Mein jüngster Sohn wurde mir genommen,
der ältere?…Ich erinnere mich verschwommen.

Menschen, die ich kannte, erscheinen, im Traum,
schon lange fort, mit ihnen Vertrauen.

Sie nahmen Werte, die ich im Leben schuf,
verletzten meine Seele. Mich machte Schaden klug.

Was blieb, sind meine Tiere, die kleinen Begleiter,
Katzen standen immer ganz oben auf der Leiter.

Sind meine treuen Engel, in Freud und Leid verbunden,
sind allerletzte Tröstung in meinen Lebensstunden.

Abendstimmung

Gemälde: Caspar David Friedrich (1774-1840), Gemälde „Abendengel“: Alexandre Cabanel (1823-1889)

Wenn die Sonne kraftlos in das Meer versinkt
und mit letztem Glanze Abendstimmung bringt,
deckt die Welt sich zu, mit Sehnsuchtsschleiern,
und der junge Abend ringt in stillen Feiern
mit des Tages letztem Atemzug;
abgestreifte Hektik dieser Zeit –
tiefe Ruhe, Frieden, Einsamkeit.
Nur noch Schweigen ringsumher,
und die Schatten huschen durch das Meer
letzter Taggedanken.

Buchstabenperlen

Louis Janmot (1814-1892) – Das Gedicht der Seele

Des reinen Geistes Sinn wird offenbar,
webt aus Gedanken edler Verse Reim,

Vokabular, wie gold‘nes Engelshaar,
verflochten mit der tiefen Liebe Keim,

Buchstaben-Perlen, leerer Seiten Zier,
sie reih’n sich Wort an Wort mit Poesie,

dringen tief in dein Sein, verweilen hier,
wie eine Seelensinfonie.

Gedanken

Foto: Gisela Seidel

Den nahen Sommer freudevoll erwarten,
wo jede Seele ist des Denkens Garten,
man zwingt es nicht, es muss von selbst erblüh‘n,
ein stetes Werden, Kommen und Vergeh’n.

Gedankenfreiheit grenzenlos!
Du darfst die Blumen deiner Seele pflanzen,
setz‘ sie nach göttlichen Gesetzen, erdentief,
und pflück‘, dem Guten dienend, sie im Ganzen.

Der Geist dieses Ortes

Genius loci in Weimar

aus Werthers Leiden von Johann Wolfgang von Goethe,
Zeichnung von Friedrich Bold

Es gibt einen Ort dessen Schwingung
erstrahlt mir so rein wie Kristall.
In seinen Facetten, da spiegelt
sich dein Geist noch ein letztes Mal.

Spür’ noch deinen Arm, deine Blicke,
die heller erstrahlten als Licht.
Warst mir der Schönste zum Glücke,
erhaben, dein Geist, dein Gesicht.

Als leise im Frühlingserwachen
dein Mund mich zärtlich berührt,
da hab ich auf heißen Wangen
den Hauch deiner Liebe gespürt.

In unseren Herzen lag Frieden,
Glückseligkeit gab uns Geleit,
doch blühten die Herbstzeitlosen
uns lange schon vor der Zeit.

Das Schicksal, es streute uns Rosen,
doch der Geist unsrer Liebe trieb fort.
Vorbei ist das Streicheln und Kosen,
die Blüten, zertreten, verdorrt.

Das Leben hat alles genommen;
dein Geist ist so fern mir, so weit.
Nun ist der Winter gekommen –
du hast dich von mir befreit!

Ich mag…

Schneewittchen und die sieben Zwerge – meine Kindergarten-Zeichnung 1957

Ich mag in der Vergangenheit wühlen,
habe so manche Träne vergossen.
Ich dekoriere Eier, spür‘ alte Gefühle;
hab sie tief in meinem Herzen verschlossen.
Ich tue so, als wären ALLE bei mir.
Denn nur, weil IHR gelebt, bin ich hier!

Ich mag Kamine, die rauchen…wie auf meinen Kinderbildern.
Häuser, in denen vertraute Menschen wohnen und Gewohnheit,
die, wie gewachsen an Jahren, Ringe wie in Stämmen tragen.

Ich mag rote Ziegelstein-Dächer, die bei Regen dunkler werden,
dort, die vielen kleinen Schlote, für das Rauchige auf Erden,
Kaminfeuer, das in Haus und Gemüt Behaglichkeit versprüht.

Ich mag, wenn Vögel in den Rinnen Regenwasser trinken,
auf den Dächern landen und zurück in hohe Bäume fliegen,
wo in den Gärten ihre Nester liegen und sie kunstvoll Zweig am Zweig
verbinden.

Ich mag, wie in der Kindheit auf der steinernen Treppe sitzen,
Lakritz-Wasser trinken und Glanzbilder in Opas Zigarrendose betrachten,
die Unbeschwertheit weniger Tage genießen und abends mit Grießbrei den Abend beschließen.

Ich mag die ferne Zeit in unserem Garten,
wo Ostereier noch mancherorts lagen.
Als ich zum jährlichen Osterfest unter den Sträuchern fand so manches Nest.

Ostern 1957 – Foto: Almuth Köhler

Dort, wo die Osterfeuer nicht verboten, sondern der Freude dienen und dem Brauch.
Wo uns niemand am Menschsein hindert, das eigentlich gut war, als wir erschaffen,
das mag ich auch!

Flüchtiges

Foto: Gisela Seidel

Ich schau zum Himmel…
wie das Wolkenband entschwebt,
so, wie die Zeit entgleitet,
und die Gedanken suchen
ihren Weg zu dir,
fern bist du mir, so, wie die Schäfchen
dort am Firmament.

Ich trage dich
in meinem müden Herzen,
wie ein Beben,
das mich erweckt und fühlend macht,
im Schmerz.
Der Tag vergeht,
so, wie das Wolkenband entschwebte,
doch du bliebst fern mir.

Oh, so dunkel wird die Nacht!
Die langen Stunden waren voller Schweigen,
gefüllt mit Sehnsucht bin ich,
wie ein Schwamm, mit Bitterkeit.
Ich resigniere an der Welt, am Leben,
wo ich die Liebe suchte,
fand ich Leid.

Gedanken

William Adolphe Bouguereau 1825 – 1905

Mächtige Unsichtbarkeit,
verborgene Energie
in sechster Dimension,
Verbindung zwischen den Welten.
Übermitteln lautlos
Wünsche und Träume,
manipulieren und führen,
durchbrechen Raum und Zeit,
manifestieren das Unmögliche,
senden Liebe und Zuversicht,
schmälern die Kraft des Bösen.
Mittler zwischen Verstand und Seele;
dringen bis ins Herz,
enden im Unbewussten,
lassen uns weinen und lachen,
zeigen uns Wege aus dem Labyrinth
der Alltäglichkeiten,
schenken uns ein Lächeln,
wenn wir in Gottes Arm sanft eingeschlafen sind.