Frühling ohne Wiederkehr

Edmond Aman-Jean (1858-1936)

Lieblich ist des Lenzes erstes Lächeln,
wenn in Blütenbäumen laue Luft sich wieget,
und des Baches eisbefreite Welle
nicht mehr stockend, durch die Fluren rinnt.

Dann ermuntern sich zu neuem Leben
die verblich‘nen Wiesen aus dem Winterschlafe,
und das Gras wacht auf, und decket träumend
wiederum den Schoß der Mutter Erde.

Und die Blumen öffnen ihre Kelche –
alle die im späten Herbste starben
richten sich aus ihrem dunklen Grabe
neu empor im Glanz der Auferstehung.

O Natur – wie milde gibst du wieder
was dein feierlicher Gang zerstöret.
Fest im stillen, ewig gleichen Kreislauf,
folgt auf deinen Ernst ein mildes Lächeln.

Nicht Vernichtung, nur ein leiser Schlummer
hält des Frühlings holde Lust gefangen;
bald, bekränzt mit Veilchen, kehrt er wieder
süß umhallt von Nachtigallentönen.

Doch wann kehrt der Liebe Frühling wieder?
Ach, verscheucht hat ihn die Nacht der Trennung
und der Winterschauer einer ew’gen Ferne
tötet rauh das zarte Grün der Hoffnung.

Des beisammen Lebens Stundenblumen
starben hin im Seufzerhauch des Abschieds.
kummervoll benetzt von heißen Tränen,
sind der Freude Rosen längst verblichen.

Keine Sonne wird sie neu erwecken –
keines Wiedersehens gold‘ner Schimmer
winkt des Glückes lichterfüllte Tage
aus dem Grabe der Vergangenheit hervor.

Traurig zieht der Jahreszeiten Wechsel
meinem still umwölkten Blick vorüber.
Ach, es folgt der Frühling auf den Winter,
aber nimmer kehrt der Liebe Frühling wieder!

Charlotte Elisabeth Sophie Louise Wilhelmine von Ahlefeld
(1777 – 1849)

Zauberschleier

Der Morgen – Caspar David Friedrich (1774-1840)

Verhüllt liegt unsre Zukunft, weltverborgen,
und um uns webt der lichte, helle Morgen,
die weißen Zauberschleier in den Tag.

Am Abend wirft die Nacht die langen Schatten
und legt sich auf des Tages Lasten nieder;
leise raunt die Natur die alten Lieder,
auf den Rabatten.

Die Weise, die erklingt, so fern der Nöte,
sie schwebt zum Wohle aller durch die Nächte,
als ob sie allem Übel Tröstung böte
und Freunde brächte.

Wer hoffend lauscht, den wird der Segen finden,
er eilt von Herz zu Herz, wie ein Gebet.
Den rechten Weg, wirst du ergründen,
wenn deine Seele es erfleht.

Wenn du die Liebe fühlst, so ganz durchdrungen,
dann öffnest du dich deinem Gott in dir.
Folge der Stimme, voll Vertrauen, unumwunden,
öffne die Tür.

Getrennte Wege

Der lange Weg, er teilt sich in der Mitte
Und jeder Abzweig strebt ins Nirgendwo.
Du wähltest deinen Weg, mit festem Schritte,
längst bist du weit von mir, im Irgendwo.
 
Hast ein Kleinwenig noch am Horizont gestanden.
Hast deinen Kopf nach mir gewandt ein letztes Mal.
Als meine Hoffnungen mit dir im Nichts verschwanden,
hab ich geweint in langer, stiller Qual.
 
Du ließest mich zurück. Im Alltagstreiben
war mir dein Leben völlig abgewandt.
Wenn tausend Dichter ‚schön’ von Liebe schreiben,
dann haben sie die unsre nicht gekannt!
 
Was mir ein Glück zu sein schien, war kein Segen,
es war nur Illusion, ein Tränenhort.
Die spülten wie ein sintflutart’ger Regen
all unsre Herzverbundenheit hinfort.
 
Die ‚kalten’ Augen wähltest du! Die warmen
sind doch längst trüb geweint, vom Gram ganz alt. 
Du lässt dich von Erinnerung umarmen
und willst nicht sehn: Die Gegenwart bleibt kalt.
 
Noch fühlen wir Gedanken. – Sie vergehen!
Erinnerung verblasst – der Weg ist weit!
Und unsre Liebe blieb am Wegkreuz stehen,
bald liegt sie tief unter dem Schnee der Zeit.

Alte Liebe

Aquarell von Sulamith Wülfing 1901-1989

Nur unsre Seele weiß,
dass wir zusammen waren,
in den von Gott erschaffnen Jahren,
als uns in fernem Land
die tiefe Liebe band,
und wir uns sehnten
nach der Einheit des Anderen.

So manches Leben, das wir durchwanderten.
Hier warst du fern,
doch tief im Herzen
blieben wir verbunden,
und funkelt in der Einsamkeit
des Alls ein Stern,
so seh‘ ich dich in
flücht’gen Traumsekunden.

Wenn du nicht wärst,
der mir mit Geisteskräften spendet,
bis dass des Aufstiegs Mühe endet.
Oh, Seliger in andrer Dimension,
so ist dein Leuchten Gott zum Lohn,
damit ich dich am Ende wiederfinde,
und ich mit dir die Ewigkeit ergründe.

Verlorenes Paradies

Es geht ein Hoffen um die Welt,
 ein altes Sehnen,
 
ein Streben, frei vom Drang nach Geld,
befreit von Tränen,
 
es ist die Suche nach dem Glück,
für ewig gar,
 
bringt uns das Paradies zurück,
wie’s damals war,
 
in dem nur dornenlose Rosen stehen
und alle Lebensräder rückwärts drehen;
 
in dem es keine Sünde gibt,
nur einen Gott, der uns unendlich liebt;

befreit von Priestern und Gelehrten,
die Gottes Wort ins Weltliche verkehrten.

Nur Liebe ist dann unsre Religion;
vorbei die Konkurrenz vor Gottes Thron.

Ur-ewige Liebe

Quelle: Wikipedia

Urew’ge Liebe, Anfang und Vollendung,
Ursprung und Ziel! An jeder Wegeswendung
rückschauend halt ich Rast, um mich zu laben,
und auf den Spuren, die mein Fuß gegraben,
geht das Erinnern meinen Weg zurück…

Und aus den Stapfen, die entgegenkommen,
steigt Bild um Bild. – Du hat sie mir genommen,
weil sich mein Herz, das allzu leicht verschenkte,
ans Bild verlor. Doch immer wieder drängte
mein hoffend Herz zu nie erfülltem Glück. –

Wie ein Verbannter zog ich einst die Straßen,
als ein Verkannter litt ich ohne Maßen.
Nur Halbheit war mir, wo ich Ew’ges meinte,
bis sich mir Bild um Bild in Dir vereinte.
Von Deinem Glanz ist jedes nur ein Stück!

Urew’ge Liebe, Vater aller Wesen,
Dein Siegel steht auf jeder Stirn zu lesen,
Dein Glanz strahlt mir aus allen Augen wider,
Dein Segen strömt als Licht zur Erde nieder.

Eh ich Dich suchte, bist Du mir begegnet,
eh ich mich sehnte, hast Du mich gesegnet!

<Ephides>

Fern von dir

Maximilian Pirner 1854-1924

Du bleibst die größte Liebe meines Lebens,
verblasst ist nur der öde, äußre Schein;
er trug den Glanz des Wollens, nicht des Gebens;
die falschen Hoffnungsschimmer trübten ein.
 
Du warst die Andacht, ich der Wahrheitsfinder,
der sich im Nebel stets im Kreise dreht.
Um dich der Hauch der Reinheit; Seelenbinder
warst du, den ich mir einst von Gott erfleht.
 
Die Trauer ist der dunkle Dieb des Lichtes,
sie nahm mein Innen – ich versink in ihr.
Tief auf dem Todesgrund in mir gebricht es.
Was wärmend dich und mich einst band, gefriert.
 
Ich schüttle ab die schweren Kälteschauer,
doch greift die kalte Hand erneut nach mir.
Sie reißt mich mit, ich treib in hoffnungsloser, grauer
Vergessenheit. Nichts führt zurück zu dir.
 
Wie soll ich deine Augen je vergessen?
Wenn ich hineinsah, fühlte ich das Glück!
Die Sehnsucht hat mein krankes Herz zerfressen.
Kein weher Wunschgedanke bringt dich je zurück.
 
Auch, wenn ich des Vermissens stille Qualen
noch immer leide…mehr, mit jedem Tag,
muss ich auf schwarzer Leinwand fremde Bilder malen,
weil ich das Bild von dir nie wieder denken mag.
 
Wenn ich es denke, bricht mir dein „nicht Wollen“
mein Herz in stiller Seelenqual. Du fehlst!
Das neue Jahr begann mit Donnergrollen.
Wird es mir Tage bringen, die du nicht beseelst?!
 
Mein Alles warst du – ich war nur die Schwere,
die Last, die auf dir lag und die dich bitter machte.
Du wolltest Ruhe, tauschtest Liebe ein, in Leere.
Wortlos gingst du! Ob es dir Frieden brachte?
 
Ich gab die Hoffnung auf – sie starb und doch…
sitz’ manchmal ich am Fenster, schau hinaus.
Gleich kommt er um die Ecke, denk‘ ich noch,
dann seh‘ ich dich im Geiste: meine Maus.
 
Kurz streichle in Gedanken ich dein Haar,
fühl dein Gesicht für einen Augenblick.
Doch schon beim nächsten Wimpernschlag ist klar:
Es war nur Illusion…und doch mein ganzes Glück.

Wertlos

Caspar David Friedrich 1774-1840

Wertlos sind heut manche Sachen,
die mir einmal wichtig waren.
Und nach vielen, langen Jahren
kann ich nun darüber lachen.

Menschen, Werte, Liebe, Leiden,
sie vergeh’n im Strom der Zeit.
Hat sie uns vom Trug befreit,
bringt sie lächelnd späte Freuden.

Gerade noch gestreichelt, später
ist’s die Andre. Wie verlogen
wird so manches Herz betrogen!
Der Geliebte wird zum Täter.

Was uns glänzend blendet, stumpft,
Liebe ist ein Wort – nicht mehr!
Hier auf Erden fehlt uns sehr,
was in höchsten Himmeln trumpft.

Es ist gut, dass manches endet!
Liebe trübt so oft die Sicht,
und bei hellem Tageslicht
wird der schöne Schein gewendet.

Wir verlieren unsre Träume,
deren Wahrheit wir erwarten,
denn im großen Liebesgarten
wachsen viel zu hohe Bäume.

Licht sein

Jesus heilt eine blutflüssige Frau – 4. Jahrhundert Katakombe Petrus Marcellinus Rom

Was wir ersehnt, erstrebt, erhofft,
es treibt wie altes Holz im Strom des Lebens,
wir träumen manchen Lebenstraum vergebens
und widmen unser Herz dem Falschen oft.
Zurück bleibt nur die lichte Liebe, die wir schenkten.
Oft ist sie nur ein Funke, mal ein helles Denken,
das in uns Sonne wird, die durch uns scheint,
und wenn sie Irdisches mit Himmlischem vereint,
dann geht ein stilles Leuchten durch den Raum
und flüchtig küssen wir den Saum
Seines Gewandes.

Ewige Liebe

Tristan und Isolde – John William Waterhouse 1849-1917

Die Liebe möcht’ ich fühlen
in allen meinen Zellen,
 
möcht’ meinen Blick, den kühlen
ins Licht erwärmend stellen;
 
ganz in Gedanken sinken,
die sehnsuchtsvoll entbrennen;
 
ein freundschaftliches Winken
am Horizont erkennen.
 
Vertraute Hände fühlen,
auf meinen, liebevoll,
 
in der Erinn’rung wühlen,
voll Glück und ohne Groll;
 
vertraulich mich ergänzen
mit der geliebten Seele,
 
im hellen Sonnenglänzen
genießen traute Nähe.
 
Möcht’ Seligkeit erleben,
die es auf Erden gibt,
 
mich ganz und gar ergeben,
dem, der mich ewig liebt.