Welke Tage

Copyright: olegdudko

Tage, welche welk geworden,
fallen in den Schoß der Zeit,
sind wie Staub,
gehn geistverloren
in die Schicht der Fruchtbarkeit.

Alter Weg vergang’ner Fährten,
Schichten, die wie Jahresringe
alter Bäume Auskunft geben,
sind der Boden aller Dinge.

Schoß, aus dem die Leben kamen,
werden, wachsen und vergehen.
Wiederkehren ist ein „Amen“,
lässt das Ur-Bild auferstehen.

Aprilwetter

Winde stürmen heut ums Haus,
winden sich mit Saus und Braus
durch die alten Bäume,
löschen frühe Träume.

Regentropfen, monoton,
treffen stets denselben Ton,
wenn sie niederfallen,
prasseln und verhallen.

Hingeplätschert klingt ihr Takt
niederschmetternd abgehackt,
Tropfen-Partituren,
ticken wie die Uhren.

Winter schickt April ins Land,
naht sich ihm mit nasser Hand,
treibt die rohen Bläser,
über Fenstergläser.

Dunkelheit will heut’ nicht gehn,
lässt die Welt im Regen stehn,
Wetter bringt uns wieder
keine Sonntagslieder.

Februarmorgen

Zwei Tauben und Katze – Jacob Samuel Beck (1715-1778)

Die frühen Vögel singen schon,
ich kann ihr Zwitschern hören,
der Tauben frisch verliebter Ton,
will Jahreszeit beschwören.

Sie turteln in den kahlen Ästen.
Missmutig klingt’s Miauen,
wenn Katzen ungeliebte Gäste
aus der Entfernung schauen.

Ich seh und lausche freudevoll,
das Leben füllt sich wieder,
mit Hoffnung auf den neuen Tag,
schütteln sie ihr Gefieder.

Sie werfen ab ihr Winterkleid,
darunter liegt das neue.
Es blüht die neue Frühlingszeit,
die Mensch und Tier erfreue.

Frühlingskränze

Wie Wolken ziehen,
gehen hin die Tage,
nur geliehen
ist die Lebensgabe,
will vollzogen sein in hohem Sinn.

Trag dein Lebenslicht und scheine,
geb der Welt die Klarheit
und das Reine,
bring die Mattigkeit zum Glänzen,
bind den Sonnenschein
zu Frühlingskränzen.

Liebe im Herzen

Echo der Liebe in Herzen erwecken,
Seelenverwandte in Fremden entdecken.

Glockengeläute im Gedächtnis tragen,
wie Klänge an hohen Feiertagen.

Des Lebens Wunder staunend enthüllen,
und sehen die Einmaligkeit im Stillen.

Unter Alltagsmüll Poesie entdecken,
die Schönheit nicht alltäglicher Ecken.

Das Wort ‚von oben‘ offen empfangen,
emphatisch dafür die ‚Schirme‘ aufspannen,

Lügen hinter der Wahrheit erkennen,
schützend, von List und Falschheit trennen.

Wenn störende Kräfte Spiel mit uns treiben,
ihren Geist vertreibend, gelassen bleiben.

Liebe – der Welt Erkenntnis und Licht!
Erleuchtetes Wort, aus dem Weisheit spricht.

Wahre Freundschaft

Briton Rivière (1840-1920)

Du bist mein treuer Kamerad,
mein Sinn zum wieder Werden,
der Spielgefährte, der, wenn Leid mich plagt,
stets bei mir ist. Ein wahrer Freund auf Erden.

Du bist es, der mir zuhört, wenn ich ängstlich
nach dem Grund der Schmerzen frage.
Dein Blick erfreut mich herzlich,
mitfühlend bei manchem Weh der Tage.

Du bleibst bei mir, weichst keinen
Augenblick von meiner Seite,
und jeder Ton aus meinem Mund
ist dir ein Wunschlaut, den ich vor dir breite.

Ich schau dich an: mich treffen fragend Blicke.
Auch ohne Worte fühl’ ich das Bedauern.
Mein Hündchen, du folgst meinen Schritten,
gehn sie von dieser Welt: Du darfst nicht trauern!

Gottesfrieden

Foto: Gisela Seidel

Tausend Zweige eines Baumes,
der sich hoch zum Himmel streckt,
um das Licht des Lebens einzufangen,
gleichen Blutgefäßen, Nervenbahnen,
die vom Geist verkörpert, Energie empfangen.

Seelen, die im Lichte reifen,
werden wie die Bäume blühen wollen.

Stürme überleben, Ungewittern trotzen
unter dunklen Wolken,
ist des Lebens Los auf Erden,

sich zu wandeln in die Energie des Ursprungs,
mitzufühlen Gottesfrieden unter Bäumen.

Kein Winter mehr

Elternhaus: Blick in Hof und Garten

Hier gibt es keinen Winter mehr,
nur graue Wolken, Regengüsse.
Es wird nicht hell, der Tag ist schwer,
die Nächte wach gelegen, düster.

Als es noch weiß war, hier am Ort,
von Flocken, die den Boden hoben,
gab’s Kinderlachen immerfort,
es machte Spaß im Schnee zu toben.

Ich, drei Jahre alt

Auf Straßen bauten wir uns Bahnen
aus Eis und schlitterten ein Stück,
und haben uns trotz Lehrers Mahnen,
vor manchem Schneeball weg gebückt.

Ein kleiner Schlitten wurd’ gezogen;
noch plan der Ort und unbebaut,
den Hügel runter dann ‚geflogen‘,
mutig und schnell, bis dass es taut.

Da war noch Platz für Kind und Spiel,
denn Autos waren Seltenheit.
Schneemänner bauen, war ein Ziel,
das Kinder und Erwachsene freut.

Nasen und Hände rot gefroren,
tauten wir auf mit Weh, in Tränen.
Die Kleidung nass, bis an die Ohren,
den nächsten Tag trotz Leid ersehnen.

Hier gibt es keine weißen Träume,
kein Spielen mehr auf vollen Straßen.
Vom Kinderglück befreite Räume,
künstlich erschaff’ner Kindergarten.

Tanz und Taumel

Rhythmisch, wie die Hüften kreisen,
wiegen tanzend jeden Ton,
wie ein Kätzchen, das geschmeidig
macht in Sprüngen sich davon.

Federt ab die harten Klänge,
dreht und wendet sich im Kreis.
Das Gesicht, verzückt, als dränge
in den Tanz ein reger Geist.

In den Augen spiegeln Träume,
und die Sehnsucht singt ein Lied,
wenn der körperliche Taumel
Geist und Seele einbezieht.

Im Rausch

Traum vom 26.01.22

William Hogarth (1697-1764)

Die Räume waren voller Leben,
gesellig, Ausschank, Sang und Wein.
Sie tranken, hängten sich an jeden,
begrapschten Frauen, die allein.

Im Rausch der fortgeschritt’nen Stunde –
von „wohl erzogen“ weit entfernt,
nahm keiner Rücksicht in der Runde.
Als hätten sie es nur gelernt,

mit ‚platten‘ Witzen anzubandeln.
„Noch mal `ne Runde!“, schrie ein Schlauer.
Vom Alkohol befreites Handeln,
verkürzt die hohe Anstandsmauer.

Ich saß allein, als Träumerin,
beschaute eine lange Weile,
wohl des Geschehens Widersinn,
und nahm reiß aus alsdann in Eile.

Mein Geist verließ die üble Stätte
und suchte nach des Ausgangs Pforte.
Inmitten einer Menschenkette,
erreichte ich sie fern vom Orte.

„Ja, wissen sie denn nichts vom Mord,
der sich einst hier ereignet hat?“
Ich sah, wie blutig dieser Ort,
das Glas verschmiert von frischer Tat.

Der Boden, Blut durchtränkter Stein.
Die Meute schrie: „Lauf nicht hindurch!“,
mir war’s egal, ich wollte heim.
Mit großem Schritt trieb mich die Furcht.

Voll Ekel drückte ich die Klinke,
die Finger waren Blut befleckt –
so trat ich aus dem Bild, versinke
in meinem Bett, vom Alb erweckt.