Es fließt die Zeit, und in Sekunden ist ein Bild, ein Bild, das fesselte und um Beachtung rang, ganz aufgelöst im Nichts. Das ist sein Gang. Doch schon ein neues Bild, in neuem Kleid, folgt ihm, dem Werdegang der Zeit. Löst sich das eine, nimmt sie mit sich fort, den letzten Augenblick an einen andren Ort. Dort träumt die Zeit mit uns, am Tag und nächtens, wie Filme aufgereihte Bilder, dass sie brächten, nur Fortgang und Erneuerung im Leben. Die Zeit wird Bilder in die Seele weben, in hell und dunkel, wo Momentaufnahmen, bedrückend finster und in Strahlen kamen. Wo immer sich der Hoffnungsschimmer breitet, die Zeit in schnellem Schritt darüberschreitet. Zeitlos, wie Einer, der einst über Wasser ging, wie er nicht untergeht, so trägt er uns darin.
Schlagwort: Verse
Unvergessen
an eine Freundin
Du, edle Perle, hast den Glanz verloren; die Jahre legten bloß, den trüben Kern. Mit hohem Haupt glichst du, wie auserkoren, dem Burgfräulein vom andern Stern. Die stolze Rose ist schon lang verblüht. Verblasst die Farbe - rosig war dein Leben. Darnieder liegt dein Leib. Man ist bemüht, dir Kraft für deinen letzten Weg zu geben. In Krämpfen liefst du letzte, kurze Wege, immer dieselben, kilometerlang im Kreis. Das Sitzen war dir Qual; warst im Gehege, das blickerlahmte Tier, das sich zerreißt. Die letzten Worte waren unverständlich, die du in deinem Krankheitswahn gesprochen. Du warst noch jung, es wurde unumgänglich, der Stab des Schicksals über dir gebrochen. Dein Heimatort, die Menschen waren fort, mit denen du dein gutes Leben teiltest. Man gab dich hin, an einen anderen Ort, an dem nur Alte waren, wo du weiltest. Dein Geist ist dir verhängnisvoll genommen, du hast geweint, als er vor Jahren ging. Mit ihm ist jedes Bild in dir verschwommen, an denen tränenreich Erinnerung hing. Vor vielen Jahren hab ich dich verloren, an eine Krankheit, die den Lauf der Dinge so anders machte und geschworen, dass in Gedanken ich dir Rosen bringe.
Allmacht
In noch dunkelster Nacht, von der Allmacht erdacht, Welt veredelnd im Geist, der die Zukunft uns weist. Universelles Erleben, dem Kleinsten gegeben. So groß ist der Sinn, in allem zu sein, der ICH BIN.
Aschermittwoch
Die Maske fiel. Alles vorbei! Entblößt das wahre ICH im Spiegelbild. Das Ende einer bloßen Gaukelei. Es zeigt ein trauriges Gesicht, ganz unverhüllt. Du spielst die Rolle deines Lebens, mit oder ohne Kreuz auf deiner Stirn. Nur ein paar Tage suchtest du vergebens in einem andern ICH dich zu verlier’n. Doch du erwachst, nach Alkoholgenuss erkennst zu spät das Übel deines Tuns. Gefangener im Kerker deines Frusts, wünscht du dir Asche auf dein Haupt und kannst nicht ruhn.
Frühlingserwachen
Dichtung von Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772-1801), genannt „Novalis“
Rezitation: Fritz Stavenhagen
Anmerkung: Die Synthese von Seele und Leib heißt Person. Die Person verhält sich zum Geist wie der Körper zur Seele. Sie zerfällt auch einst und geht in veredelter Gestalt wieder hervor. (Novalis)
Es färbte sich die Wiese grün Und um die Hecken sah ich blühn, Tagtäglich sah ich neue Kräuter, Mild war die Luft, der Himmel heiter. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Und immer dunkler ward der Wald Auch bunter Sänger Aufenthalt, Es drang mir bald auf allen Wegen Ihr Klang in süßem Duft entgegen. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Es quoll und trieb nun überall Mit Leben, Farben, Duft und Schall, Sie schienen gern sich zu vereinen, Dass alles möchte lieblich scheinen. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. So dacht ich: ist ein Geist erwacht, Der alles so lebendig macht Und der mit tausend schönen Waren Und Blüten sich will offenbaren? Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Vielleicht beginnt ein neues Reich Der lockre Staub wird zum Gesträuch Der Baum nimmt tierische Gebärden Das Tier soll gar zum Menschen werden. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Wie ich so stand und bei mir sann, Ein mächtger Trieb in mir begann. Ein freundlich Mädchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Sie ging vorbei, ich grüßte sie, Sie dankte, das vergess ich nie. Ich musste ihre Hand erfassen Und Sie schien gern sie mir zu lassen. Ich wusste nicht, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah. Uns barg der Wald vor Sonnenschein Das ist der Frühling fiel mir ein. Kurzum, ich sah, daß jetzt auf Erden Die Menschen sollten Götter werden. Nun wußt ich wohl, wie mir geschah, Und wie das wurde, was ich sah.
Unausweichlich
Sind dir geraubt des Lebens flücht’ge Gaben, nachdem du Haus und Garten wohl bestellt, und alle hohen Bäume, die Jahrzehnte waren, der Axt gewichen, schonungslos gefällt? Ist das genommen, was du tief empfunden, ging Liebe fort aus deinem Lebensbild, sind mit ihr deine Ziele hin, verschwunden und letzte Spuren aus dem Herz gespült? Hast du dich aufgegeben, fest entschlossen, dein Dasein zu beenden, das dich plagt? So schicksalshadernd, hat sich Frust ergossen, dass du am Leben und am Leid verzagst. Und allem Beileid tröstend Menschenwort, das fiel von dir herab, als Unverstand. Du wünschtest dich an einen anderen Ort, an dem Verschwundenes nicht mehr verband. Der stolze Baum steht auch mit kahler Krone, erträgt im Lebenskampf des Sturmes Biegen, damit er manches Vogelnest verschone, wird sie mit letzter Kraft am Boden liegen. Der Mensch allein hebt gegen sich die Hand, will nichts aus Lebenskraft den anderen reichen; sieht nicht der Bäume zugedachten Stand, bereit, viel Frucht zu tragen statt zu weichen.
Vorfreude
Musik: Frederick Theodore Albert Delius (1862-1934)
Bald öffnen sich die Tore… will ihn willkommen heißen, ihm ohne viel Furore im Geist entgegenreisen. Bin längst des Frierens müde, reiß alle Fenster auf, damit ein Strahl sich grübe vom hohen Sonnenhaus. In warmen Sommerhänden wiegt mich mein Traum sodann; er kommt mir sehr gelegen, damit ich hoffen kann. Dann streicheln mich die Schatten, das Dunkel schwindet schnell, Das Licht auf den Rabatten macht Taggedanken hell.
Sehnsuchtsfluss
Der Sehnsuchtsfluss – gesäumt von grünen Staden, er fließt vorbei an ausgetret’nen Pfaden, gefestigt, hart, am Boden Stein für Stein, als sie vom Herzen fielen, es erkalten ließen, um schließlich selber Stein zu sein. Es war ein junger Tanz an wilden Ufern, schier unbefestigt, wie ein urig‘ Ding, ein Folgen und ein Eilen zu den Rufern, wie Sehnen, welches hungrig nach Erfüllung ringt. Doch was ich fand, waren nur Traumgestalten, die mir das Dickicht meiner Sehnsucht banden, und fern des Flusses, sah ich, sie verschwanden. Nur schleppend lass‘ ich los, die Bilder ferner Jahre, der falschen Liebe und der tödlichen Gefahren, um sehnsuchtsleer den trüben Glanz zu wahren. Doch manchmal lausche ich dem fernen Fließen, schau zu, wie Wellen kräuselnd sich ergießen, hör‘, wie es rauscht. - ER half mir zu verstehen, wo jeder Stein befestigt tiefen Grund, kann Wasser treiben an des Ufers Rund. So wandelt Wehmut sich zum Fundament, so wird zum Segen, was man Leiden nennt.
Phönixgleich
Wie du dich plagst im körperlichen Leid, wie du sie liebst, die ungestüme Freud, wie du den Tag in Schweigen hüllst, und deine heißen Tränen stillst. Seh im Gesicht, die Blicke, stumm, in der die Frage furcht: „Warum?“ Verstehst nichts von der Erde Not, nur deine. - Was das Leben bot, war dir willkommener Genuss; verzichten ist der letzte Schluss. In körperliche Starre geht die arme Seele, die versteht: belebt wird sie vom Lebensgeist, bis er sie in die Schranken weist. Er flieht aus ihr, allein die Hülle bleibt in der Erde dunklen Fülle. Das Lied der Todgeweihten kennen, die hier im Lebenslicht verbrennen, sich phönixgleich vom Grab erheben, in neuem Klang, zu neuem Leben.
Über Nacht
Auf der Wiese, über Nacht, sind die Krokusse erwacht, und aus dunklen Erdenritzen, kriechen frische Tulpenspitzen. Blühen in vermehrter Pracht, sind vom Winter aufgewacht. Frühaufsteher singen schon, ihren wohlbekannten Ton. Auf der Erde baut sich wieder neue Nester das Gefieder, und die Sonne scheint dazu - friedlich ist die Mittagsruh. Dort im Beet die weißen Glöckchen, wiegen winterlich die Röckchen. Die Natur ist still erwacht – über Nacht.