Zufall

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Zur Gewährung zwingend ist die Kraft,
die vom Großen Geist durchdrungen Wege schafft.
Bitte, die so ungeheuer flehend im Gebet,
dass sie flügelgleich zum Himmel schwebt. 

Reine Wünsche, die der Gegenwart entfliehen,
weil sie sehnsuchtsvoll im hohen Geist gediehen;
schicksalshaft bestimmt, vom Menschen zu erfüllen,
auf so vielen Wegen zugeführt, um Gottes Willen. 

Genannt „Zu-fall“, der sich naht in menschlicher Gebärde,
‚fällt‘ von oben her – dient der Mission der Erde. 
Um den eignen Seelenkern mit Licht zu füllen,
wird er plötzlich Bild, entsteht im Stillen. 

Anzusehen, in der Hand zu halten, das Geschick,
ist des Schaffens und des Handelns Glück,
dabei nie die Herzen anderer zertreten,
um emporzusteigen, über alle, die da flehten.   

Die Leute

People – Soraya Hamzavi-Luyeh
„Was die Leute sagen werden?“ -
Mitbestimmer mancher Mächte.
Wer denn wohl die „Leute“ sind,
sind es Feinde, sind’s Gerechte?

Überzeugungsstarke Kämpfer,
sind sie aufrecht, Führer, Ringer,
oder gar die Übermächte
herdeninstinktiver Bringer?

Sind’s die lärmend, lauten Vielen,
wirren Moden unterlegen,
die zuwider den Gesetzen,
herrschen in Gesellschaftsspielen?

Sogenannte „Feine“ spotten
hinter Oberflächlichkeit und Häme;
oder sind es die Kollegen,
die vor Vorgesetzen ‚krochen‘?

Diese Münder, lass sie reden,
weich nicht ab von deinen Wegen.
Weh, der Rückgratlosigkeit!
Trete falschem Tun entgegen.

Hohe Mauern

Wie vergessene Tempel, weite Hallen,
wild bedeckt von blütelosen Ranken,
die einander schlingend, aufwärts wallen,
dann zum Boden wiederkehrend sanken,
die sich wegbegrünend mit dem Moose, 
fern vom Weltentrubel ausgebreitet,
über Pfade, sonnenfernem Schoße,
vom Gesang der Vogelwelt begleitet.

Alte Steine in verfallenen Ruinen,
wo die Stimmen geisterhaft im Winde flüstern,
doch es führt kein Weg zurück zu ihnen,
den Vergessenen, die hier gelebt im Düstern,
die gebetet, dass das Böse heller werde,
waren sie doch selbst wie Schatten auf der Erde.

Wallen immer noch um die Altäre, 
sitzen auf den unsichtbaren Bänken,
fühlen noch des Büßerhemdes Schwere,
geißeln sich im blutvollen Versenken.
Die Gebeine ruhen auf dem Grunde,
Kreuz an Kreuz, in namenlosen Reihen;
von dem Katafalk des Höchsten dieser Runde,
tönt sein Schrei hinaus durch die Abteien. 

Grauer Tag

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Grau verhangen sind die Tage
und der Sommer geht dahin.
Regen lässt die Blüten fallen,
öde ist des Tags Beginn.

Traurig sinnend folgt der Wache
jedem Tropfen, der da fällt,
hört das Trommeln auf dem Dache -
es versinkt die Regenwelt.

Durch die Stunden geht ein Rauschen,
ein Gewitter zieht weit droben,
Blitz und Donner – neue Güsse
taumeln aus dem Nichts dort oben. 

Andere Sommer, andere Zeiten,
andere Menschen, andere Götter.
Einer bleibt: der Ewigliche -
unbeirrt vom Regenwetter. 

Staub der Erde

Flammarions Holzstich – erstmals erschienen in L’atmosphère, Paris 1888, als Illustration zu La forme du ciel im Kapitel Le jour
Der Ur-Grund unbegreiflich sich verschließt,
obwohl des All-Bewusstseins Wissen in uns fließt;
die Wissenschaft, im Grunde weiß sie nichts,
weil täglich Neues im Bewusstseinslicht,
weil die Erforschung, die ein ständig‘ Streben,
nur tote Dinge schaffen kann, kein Leben.
Der Mensch kreiert sein eigenes Gesetz,
das sich dem Ursprungswillen widersetzt.

Verbirgt sich nur die trügerische Welt des Scheins
im Bild des materiellen Seins? 
Göttlich, erhaben, war der Sinn; 
der Mensch – erschaffener Geist, Beginn;
in zweigeteilter* Gier nach Neuem, das „Es werde!“
„Adam“, der Mensch, gebildet aus der Ackererde.  
Die körperliche Welt ist endlich, wird zu Staub,
ihr Geist ist ewig, wie der Lebensbaum, stets neu belaubt.
Er steht in Ruhe, friedlich, kahl und winterstill,
er weiß ums Auferstehen, wenn‘s der Frühling will.

Hebräisch: „Adam“ (אָדָם ʼādām) = Mensch, „Adama“ (אֲדָמָה ʼǎdāmāh) = Ackererde
*Adam und Eva = zweigeteilt

Bilder im Kopf

Fritz Zuber-Bühler (1822-1896)
Was ich noch sagen wollte,
halten Lippen noch verschlossen;
unaussprechlich ist der Sinn,
bis in Letter er gegossen. 

Meine Zunge hütet ihn
und der Ausdruck schweigt im Hirn;
viele Weichen muss er nehmen,
um Synapsen zu entwirren.

Innere Bilder nur, sie gleichen
dem Gedankenfluss im Kopf;
fließen durch die Nervenbahnen
in die Hände wie ein Tropf.

Um ein leeres Blatt zu füllen,
strömen Worte aufs Papier
und der Kopf wird frei für Neues –
so reift ein Gedicht in mir. 

Urlaub

Edward Henry Potthast (1857-1927)
Eine Weile fortzureisen,
Urlaub nehmen von Daheim,
neue Wege, die da weisen,
die vom alten Trott befreien.

Wo sich tummeln die Besucher,
sind sie voll, die Liegestühle,
viele Menschen schauen den Ort,
und am Meer sucht man die Kühle.

Voll die Nacht mit Kichern, Grölen,
alkoholisierten Massen,
jeder will am Ort „Zuhause“
Ruhe haben auf den Straßen,

doch der Ort ist eingenommen
von Touristik und vom Geld;
Freiheit ist im Suff verkommen.
„Hey, was kostet uns die Welt?!“
Edward Henry Potthast (1857-1927)
Wie doch die Finanzen fließen,
aus den übersatten Reihen!
Alltagsmasken abgesetzt,
wollen sie die Gier befreien. 

Am Büffet und an den Tischen,
abends an den Bars am Strand,
lassen sie es ‚richtig krachen‘,
losgelöst vom Anstandsband.

Nach dem Alkohol die Leere,
und die Sünden letzter Nacht
werden nach der Tagesschwere
erst verdrängt, dann neu gemacht. 

Schließlich fahren sie nach Hause
und sie sehn sich als ‚die Coolen‘,
feierten in fremden Betten,
drängten sich an Swimmingpoolen. 
Edward Henry Potthast (1857-1927)
Dem „Ich muss“ bestimmten Handeln,
folgte man im Gruppenzwang.
Sittlich stark, sich selbst zu dienen, 
damit man anderen dienen kann,

ein „Ich will“ bestimmtes Leben
zeugt den freiheitlichen Geist,
der im ehrenhaften Streben
in die fernen Länder reist.

Vom Strom getragen

Lautlos vom Strom getragen,
im Leuchten erster Sterne, wie an den Schöpfungstagen.

Irisierend – ein Zauber zarter Farben, im abgedämpften Licht;
wie schwerelos im Strome der Gezeiten gleiten,
berauscht und endlos durch die Weiten;

in unsagbaren Tiefen, leuchtendes Leben sehn,
sich und die Vielfalt dieser Welt verstehen –
auch in der Dunkelheit ist Licht.

Verbrannt

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Die Luft ist feucht –
aus den Kalendertagen fließt der Schweiß,
und durch die Hitze trocknet das Gemüt,
wie manches Blatt, 
das sich dem Ast entreißt
und still zu Boden geht; 
braun, 
wie die Haut der Sonnentrunkenen, 
liegt es dort, 
verbrennt,
ein kleines Teil, 
das sich von grün nach grau gefärbt,
„vergangen“ nennt. 

Ein Zeichen dieser Zeit,
die schneller scheint als sonst,
eilig, ihr Schritt;
die mit sich reißt, was brüchig ist. 
Nichts bleibt!
Auch das Erinnern an sie geht. 
Wir gehen mit. 

Lust am Sein

Foto: Anna Lakisova / Quelle: Pinterest
Aus den Wurzeln neues Leben,
neue Triebe, Licht beseelt,
will sich hin zum Himmel heben,
wie von ferner Kraft gestählt.

In des Baumes hohem Schweigen,
fließt die Kraft aus Lust am Sein;
von Natur getränkte Ströme
heben ihn im Sonnenschein.

Trotzig, wie zerbrochene Türme,
stehn im Zeichen wilder Zeit,
von Gewittern und den Stürmen,
Kronen im zerteilten Kleid. 

Eine segnende Gebärde
ist sein stiller Dienst allein,
dient dem Himmel wie der Erde,
will ein Lächeln Gottes sein.