Herr der Herrlichkeit

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Wo ist die Lebenszeit geblieben?

Die Stunden schwinden zwischen Tag und Nacht,
und wieder wird des Tages Fracht
vom Rad des Schicksals angetrieben.

Wie ist das Lebensband verbunden?
Verbringt man gute oder wenig gute Stunden
in purem Gottvertrauen und Geleit?

Der Geist des Herrn der Herrlichkeit,
verbindet Lebenslicht und Zeit…
hält unser Lebensband gebunden.

Herbstblätter

Sybille von Olfers (1881-1916) – Windchen

Wenn das Laubwerk fällt,
ist so kühl die Welt.

Wie ein letztes Scheiden,
ist das bunte Treiben,

pendeln sich im Schwingen
hin zum Neubeginnen,

Blatt für Blatt im Wind.

Ewig neues Leben,
ist der Schöpfung Streben.

Geben, wie die Bäume,
tragen Frühlingsträume,

Ruhezeit und Frieden,
sei dem Mensch beschieden,

dem der Herbst beginnt.

Sieger und Besiegte

Verdict of the People – George Caleb Bingham (1811-1879)

Nur einer kann der Sieger sein!
Des Einen „Ja“, des Anderen „Nein“.
Doch wer die Menschenwahl erfüllt,
ist nur des Wunsches Abziehbild;

verwaschen ist es schon nach Stunden,
denn wieder scheint nicht der gefunden,
der führend, mit beherzter Hand,
die Menschen schützt in diesem Land.

Raubritter gibt es lang nicht mehr,
modern ist heut‘ der Geldverkehr.
So manches ‚Huhn ist schon gerupft‘,
wenn es noch auf der Wiese hupft.

Die Hintergründe sind verzerrt,
der Weg zur Wahrheit bleibt versperrt.
Sehr ausdrucksvoll sind ‚große‘ Worte,
„zurückgedreht“, wie die Retorte.

Das Alte, das sich meist bewährt,
wird uns als ‚Zukunft‘ präsentiert.
„Nach mir die Sintflut!“, bitte sehr…
sie wollen weiter, wie bisher.

So ist Atlantis einst verschwunden!
Kann unsre Welt denn so gesunden?
So werden Völker der Nationen,
wohl später an den Polen wohnen.

Neuer Morgen

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag!
Foto: Christian Fischer – http://www.Pixelio.de

Die Welt erstrahlt im Morgenlicht
mit nass verhangenen Schwaden,
und sonnenwarmes Strahlen bricht
durch Wolkenbergkaskaden.

Ein schöner Tag wird uns kredenzt,
im sonntäglichen Glanze,
und selbst der alte Kirchturm glänzt
mit hellem Blätterkranze.

Mein Weg

Bild von Jim Semonik auf Pixabay

Auf meinem Weg,
da ging ich erste, kleine Schritte,
vertrauensvoll und freudig war mein Denken,
doch endlos schienen mir die vielen Tritte;
ich fühlte Menschen, die sich aufmerksam verschenkten.
In aller Munde trug man lächelnd ein Bewundern
in meine kleine Seele, die geblendet von dem Neuen,
doch weinend sank ich in die Kissen voller Trauer
und scheute ihre Blicke in der Jahre Dauer.

War ich verbunden
mit den Kräften, die mich sandten,
so streiften ab die letzten Bilder ins Vergessen.
Ein Tor schloss sich – ich wurde neu bemessen!
Es waren fremd und unvollkommen die Verwandten.
Geöffnet stand die Tür zum neuen Leben.
Hindurch zu gehen, fasste ich den Mut,
nur vorwärts ging es, aufwärts war mein Streben,
wo mich des Lebens Härte trieb und schlug.

War auf der Suche,
nach Geborgenheit und Liebe,
wollte erwachsen werden, suchte Plan und Sinn.
Doch was ich fand, war nur ein Ideal im Buche,
vergänglich war die heile Welt darin.
Irdisch begrenzt war auch das Menschenleben;
ich sah so viele kommen, viele scheiden.
Die Lebenslust war wie ein kurzes Beben,
das mich ins Chaos stürzen ließ und leiden.

Verirrte Welt!
Ich bin des Suchens müde,
mein Gang wird schwerer, matter, jeden Tag.
So, wie das Wetter, unbeständig, trübe,
sind meine Blicke leerer und verzagt.
Die Menschen, die mir Leid zufügten, sind mir Lehrer.
Werd‘ bald schon letzte kleine Schritte gehn.
Mein Seelenreifen war kein leichter Gang, ein schwerer;
Will selig, körperlos im Staub verwehen.

Herbst auf der ganzen Linie

von Erich Kästner

Nun gibt der Herbst dem Wind die Sporen.
Die bunten Laubgardinen wehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

Es ist, als ob die Sonne scheine,
Sie lässt uns kalt. Sie scheint zum Schein.
Man nimmt den Magen an die Leine.
Er knurrt und will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber,
Nimmt Abschied vom Geäst und sinkt.
Die Erde dreht sich um sich selber.
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren,
Um, wie die Jahre, zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Die Stunden machen ihre Runde.
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt
Und gehen langsam vor die Hunde.
Man führt uns hin! Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen.
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint.
Es wehen bunte Laubgardinen.
Nun regnet’s gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben.
Ruth ist verreist, und der Verkehr
Beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben.
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren.
Und dennoch wird es weitergehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn …

Erich Kästner (1899-1974)

Astralwelt

Iwan IV. (1530-84) der Schreckliche von den Geister der Ermordeten besucht. Gemälde von Michail Konstantinowitsch Klodt (1832 – 1902)

Das alte Haus, es lebt!

Hörst du die Wände flüstern?
Verloschen sind die Kerzen in den Lüstern.

Das Knarren der Eichen-Stufen…
die fremden Stimmen, wie sie rufen!

Es tragen leicht die hölzernen Bohlen,
Geister auf unsichtbaren Sohlen,

und über dem Tisch des letzten Essens,
liegt lang schon der Staub des Vergessens.

Ist eindrucksvoll die Prägung der Tapeten,
der Teppich, alt und abgetreten,

der Glanz, der einmal war, Vergangenheit.
„Vorbei!“, zittert die Schwingung, „Seid bereit!“

Wo jeder Schritt ist, wie ein schwebendes Verrinnen,
ein Fliehen vor dem Tod… dem Neubeginnen;

binden an alte Orte ihr astrales Kleid,
verirrte Seelen in der Ewigkeit.

Herbstschwere

Schweigen, Stille, Dunkelheit –
nur das Rauschen müder Blätter,
die sich langsam lösen von den Zweigen.
Schaukelnd fallen sie der Nacht entgegen,
blühen noch einmal auf, in buntem Zauber,
legen eine farbenfrohe Decke auf die Wege;
majestätisch liegt die Welt im Sterben…
und der Tod, er schreitet still darüber,
um den Lebenskreislauf abzuschließen.

Herbstgedanken – Sonntagsstille !
Und die Uhr, sie tickt und tickt,
streut monoton Sekunden in das Grau,
das ruhig dahin fließt, wie ein träger Fluss.
Ich treibe haltlos, sinke in das Nirgends;
bin losgelassen, treibe ohne dich.
Ertrinke in den Fluten der Gedanken,
die mich ziehen, immer tiefer, und ich falle
wie die Blätter von den Bäumen…
und der Tod, er schreitet still darüber.

Gefühlter Herbst

September – Olga Wisinger-Florian (1844-1926)

Nun geht die Wärme langsam fort
und zieht in andere Gefilde.
Der Herbst steht ungestüm vor Ort,
es wird, was grün war, braun im Bilde.

Getrieben bald vom Ungestümen,
treibt er, der Wind, die Äste leer.
Wo späte Rosen sanft verblühen,
bläst er über das Pflanzenmeer.

Treibt vor sich her die Blätterheere,
gefallen für die letzte Schlacht.
Gewachsen ist mit ihm die Leere
auf Bäumen, in bizarrer Pracht.

Frühnebel wallen wie Gespenster,
die Stille saugt den Geist der Zeit.
Beschlagenheit am Autofenster,
einsichtig steht der Herbst bereit.

Die Kartenlegerin

Die Kartenlegerin – Georg Hom ( 1838-1911)

Das Lebensrad dreht sich im Kreise,
mal läuft es langsam, manchmal schnell,
lenkt uns auf unsichtbaren Gleisen,
vorbei an Dunkel oder Hell.

Oft fürchten wir, was vor uns liegt
und suchen Rat bei höherer Kraft,
durch eine Weise, die beschrieb,
was zukünftig uns glücklich macht.

Wir gehen nicht mehr unsre Wege,
das, was wir brauchen, tun wir nicht,
fühlen beim Kartenbilder-Legen
Begeisterung. Der Wille bricht!

Wir denken nur noch an das Ferne,
vergessen ganz die Gegenwart,
befragen Kaffeesatz und Sterne,
sind von den Antworten genarrt.

Vergesst nicht euer tiefes Wissen,
das selber ihr in euch verspürt!
Wegweiser werdet ihr nicht missen,
wenn euer Weg zu MIR euch führt.