Schein der Mode

Foto: privat 1975
Vom Schein der Mode sollt‘ ich mich entwöhnen;
ein Hauch von Nichts, der sich um Leiber schmiegt,
ein bisschen krumm Gewachs’nes gerade biegt,
die Blicke auf sich zieht, um zu verschönen.

Liegt doch ein Trug, der augenscheinlich da,
in Kleidern, die den Trägern schmeicheln,
kaschiert die Linie in einigen Bereichen
und man verbirgt, was sonst erkennbar war.

Ganz unentbehrlich schienen einst die Blicke,
die beim Flanieren meinem Körper galten;
es war mir ein Genuss, sie an mir festzuhalten,
es gab mir Selbstvertrauen, Leichtigkeit der Schritte.

Die Moden ändern sich im Lauf der langen Zeit,
Gepflogenheiten sind nur temporär - das Alter kam,
und jede Falte zeigt mir, was es mit sich nahm:
die Schönheit und die Oberflächlichkeit.

Lindenblüten

Postkartenmotiv: Maler Paul Hey (1867-1952)

Sieh, die Linden in der Sommernacht,
deren grüne Kronen über Wege reichen,
wie im Lüftespiel die Blätter gleichen,
wenn sie rauschen, wild und sacht.

Lauscht dem Vogel in der Stille, träume,
heb dich fort im Fluge deines Denkens,
such den Schutz im Schatten grüner Bäume,
ihre Art des milden Kühle Spendens.

Blühe, wie die Blüten einer Linde,
webe einen Blütenteppich in Gedanken.
Kränze deines Lebensbaumes binde,
lasse Blütensterne um dich ranken.

Gebe jenen, die vorübergehen, einen Strauß,
schenke, was dich selber glücklich macht.
Breite deinen Blütenteppich aus,
sei wie Linden in der Sommernacht.

Graue Vorzeit

Schlacht bei Rocroi am 19. Mai 1643 – Augusto Ferrer-Dalmau Nieto *1964
Aus der Vorzeit dunkler Tage
steigen sie empor, wie Schwaden,
flüstern mir mit leisen Stimmen,
hör‘ sie lachen, hör‘ sie klagen.

Nur der Wind kennt ihre Namen,
Ihre Leiber nahm die Erde;
denn die Vielen, die da kamen,
starben auf dem ‚Feld der Ehre‘.

„Gott gesegnet sei ihr Handeln
und der Krieg von Gott befohlen.“ -
Seh‘ in Priesterkleidern wandeln,
die zum Lohn der Welt gelogen.

Gott, den sie mit Namen nannten,
aus den heiligen Legenden,
dessen Nennung Priester brannten,
in die Herzen der Bedrängten.

Menschen, die vor tausend Jahren
durch den Zeitkanal geschritten,
mussten einst zu Grabe tragen,
sich und unerfüllte Bitten.

Wispern hör‘ ich ihre Stimmen -
rufen Gott mit fremden Namen;
Trug und Wahn zu überwinden,
ist nicht Zeugnis dieser Armen.

Frömmigkeit mit Augenbinden -
löst sie sanft in Lieb‘ und Lehre,
lass sie Lügen überwinden -
Leben ist das Feld der Ehre.

Im Grase

von Adolf Friedrich Graf von Schack
John William Waterhouse 1849-1917

Um mich schwärmender Bienen Gesumm;
fernher Singen von Schnittern;
Sommerlüfte, die heiß ringsum
über der Wiese zittern!

Hoch aus dem dunkelnden Himmelsblau,
drin die Wolken verschwimmen,
quillt es und rinnt hernieder wie Tau,
säuselt wie liebe Stimmen.

Gaukelt und lacht mir hinweg das Leid,
hebt die Erdengewichte,
bis die Seele, gelöst, befreit,
schwärmt in dem himmlischen Lichte.

Adolf Friedrich Graf von Schack 1815-1894 – gemalt von Franz von Lenbach

Belebte Wüste der Einsamkeit

Quelle: Pinterest

Mit gesenkten Lidern durchwandern Menschen schlaftrunken die Welt.
Gehen Seite an Seite und wissen nichts vom anderen; dabei suchen sie einander – vergeblich. Alle sind einsam, aber niemand ist alleine. Eine belebte Wüste der Einsamkeit.

Mit verschleiertem Blick gehen sie umher und vertreiben die Zeit mit Erwartungen. Ihre Augen sind offen, doch keine Wahrheit erreicht ihre Seele.

Sie sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den versteckten Weltschmerz anderer nicht sehen. Sie sehen auch nicht die Lüge hinter dem Lächeln eines Mutlosen; sehen nicht den Ursprung eines Geschehens.

Menschen sind auf der Suche nach Liebe. Liebe ist kein Besitz. Liebe ist Freiheit. Wenn sie einen schwachen Hauch davon gefunden haben, versuchen sie sie zu halten. Ihre Hände greifen danach, doch werden sie den geliebten Menschen nicht daran hindern können, durch die Türe des Todes zu gehen. Bindende Schwüre werden genommen, doch die wiedergewonnene Freiheit macht Angst, denn das Läuten der Totenglocken bringt die Einsamkeit zurück. Nur Liebe bleibt bestehen!

Der aufmerksame Seher sieht den herrlichen Sternenhimmel über der Wüste, obwohl er weiß, dass ihm seine Stunde gesetzt ist. Er schaut zu den Sternen und weiß, dass er nicht alleine ist.

Rückschauend wird ihm bewusst, dass er nicht die belebte Wüste des Lebens durchwanderte, sondern mit verschleiertem Blick über eine Blumenwiese schritt.

Fluidum

Bild von Mier Chen auf Pixabay
Das Meer, es fließt, als gäb es keine Grenzen;
mit weißer Krone steigt es, sinkt herab,
es schwingt und schäumt durch irdische Frequenzen,
in ewiger Routine zieht’s hinab.

In grauem Blau und gleißend lichtem Funkeln
gleitet’s dahin am Erdenstrand der Zeit,
bis es von Sturm gepeitscht, sich bäumt und dunkel
als Fluidum das feste Land durchstreift.

In unbegrenzten Tiefen seiner Wonnen,
mit Kraft des Schöpfers, die in Allem ist,
wird es gespeist durch Mond und Sonne,
bis das, was anfangs war, am Ende IST.

Gespinste der Nacht

Quelle: Pinterest
Der Tag vergeht ganz leise
und bringt die Nacht zurück;
Minuten, die ermatten,
im kurzen Stundenglück.

Der Sonne Glanz verschwindet,
Mondlicht durchstreift das Land,
wo es die Wachen findet
und müde Augen band.

Vollmond beglänzt die Fenster;
gar mitternächtlich tief,
holt er die Nachtgespenster,
mit Namen, die er rief.

Sie rauben dir im Plaudern
den lang ersehnten Schlummer;
sie bringen dir ein Schaudern
im längst vergessenen Kummer.

Kalt scheinend ist das Leuchten,
auf Teichen, Schilf und Moosen,
treibt aus den dunklen Feuchten,
Nénuphar - weiße Rosen.

Bringt Schönheit in die Welten
durch geheimnisvolles Walten -
wenn es dämmert in der Ferne,
lichte Wunder sich entfalten.

Liebe in den Herzen

Durch die Gehäuse wandern,
des Großen Geistes Hüllen,
in allen Fehl- Gedanken,
das Nicht-Vollkommene füllen.

Vom Falschen, das uns bindet,
in Lebenszeiten trennen,
dass sich das Wahre findet,
in Dunkelheit und Engen.

Nicht Unglücksträger sein,
der Schuld an Leid und Schmerzen,
verhindern Not und Pein,
mit Liebe in den Herzen.

Des Sommers Härte

Bild von Tom auf Pixabay
Frühe ist noch in grau getaucht,
der Sonnenschein verhüllt;
die Nacht ist fort, kein Himmel blaut,
gar wolkig ist sein Bild.

Die Amsel schweigt, ihr Platz ist leer,
kein Vogel balzt am Morgen;
die Luft voll Wärme, atmet schwer,
der Wind hält sich verborgen.

Das Hoch des Sommers Härte naht,
schleicht langsam in die Räume;
mit Sonnenglut auf großer Fahrt
brennt es das Laub der Bäume.

Dann stöhnt der Mensch im Hitzebrand,
das Harz der Kiefer duftet,
wenn sie im Garten, ab und an,
die alten Nadeln lüftet.

Es werden Wolkenflöckchen ziehen,
in rosaroten Farben,
am Himmel werden Rosen blühn,
des Großen Geistes Gaben.

Die Spinne

Bild von Sven Lachmann auf Pixabay

Als ich Kind war, liebte ich den Garten,
spielte stets im Hof und bei den Bäumen,
war erfüllt von kleinen Mädchenträumen,
konnte kaum mein Reich des Glücks erwarten.

Lehnte oft am Anbau alter Mauern,
die den Hühnerstall zum Hof begrenzten,
schaute, was die Rosen, rot, bekränzten,
sah sie meine Kindheit überdauern.

Spielte mit den Spinnen an den Netzen,
die mit Kreuzen auf dem Rücken hingen;
pflückte sie und forschte, wie mit Dingen,
es fiel schwer, sie dann zurückzusetzen.

Einmal fühlte ich zwei Augen schauen,
als ich an der groben Stalltür stand,
Blicke fühlend, habe ich mich umgewandt.
Was ich sah, erfüllte mich mit Grauen.

An der weiß getünchten Mauer hing‘s,
ganz bedrohlich über meinem Kopfe,
sah wie‘s Herz der Spinne pochte,
merkte, wie ihr schmaler Atem ging.

„Heute kommst du noch davon!“,
fühlte ich gedanklich, lief und weinte.
Sie war schwarz und hatte lange Beine,
groß und haarig…war wie ein Spion.

Nie mehr wieder sammelte ich Spinnen,
unsichtbar befohlen, waren sie tabu
und es war, als schaute ‚sie‘ mir zu,
als wenn ihre Blicke nie vergingen.