Blaue Seide

Quelle: Pixelio.de

Die grau verhangenen Tage,
liegen auf einer Bahre
aus dunkler Wolkenlast.

Sie tragen unsere Tränen
in unsichtbaren Kähnen,
bis sie vom Licht erfasst.

Die Wolken ziehn am Himmel,
sind dort wie weiße Schimmel,
und haben niemals Ruh.

Eilen zu fernen Gluten,
wie stolz geschmückte Stuten,
vergehen dort im Nu.

Ein Lächeln kann verklären,
die Erdenlast nicht mehren,
das Leid verglüht im Glast.

Dann wird zu blauer Seide
dein Himmel, dir zur Freude,
die Erde eine Rast.

Bis uns das Licht der Ferne,
im Glanz der trauten Sterne,
zum letzten Mal verblasst.

An den, der leis mich rief

Schweben im Meer der
Lautlosigkeit.
Der Lärm der Welt verklingt,
und um mich her versinkt,
wie schwerelos, die Zeit.

Sie trägt mich himmelan
und wirbelt mich im Tanz,
umhüllt und schließt mich ein
mit lichtem Strahlenglanz.

Erfüllt mich liebevoll
mit engelgleichem Traum;
glänzt wie ein kleines Licht
am großen Lichterbaum.

So frei, voll Harmonie,
in Quintenklangmusik,
geb’ ich mein Innen hin,
an DEN der leis’ mich rief.

Erinnerungen aus der Waschküche

Bild von Prawny auf Pixabay

Ich war noch klein, die Neugier groß,
die Welt lag vor mir, wie ein Garten.
Alles schien bunt und sorgenlos,
als würd‘ das Leben auf mich warten.

Und manchmal gab’s gewisse Tage,
die waren anders, voller Staunen.
Für Frauenhände eine Plage,
sehr arbeitsam und voller Launen.

Der Ofen war Brikett gefeuert,
vorbei die Nacht, es graut der Tag,
als Mutters Waschbrett schon bescheuert,
mit rauer Hand, nach alter Art.

Geschrubbt, gewrungen und geschlagen,
mit blauen Fingern ohne „Ach“,
zog trübe an so manchen Tagen,
der Laugenbrühe Schwaden ab.

In kalten Stunden deckten Stellen
aus Wasserdampf die Kübel zu.
Im Laugen-Sud schwenkte die Welle
im Bottich hin und her im Nu.

Die Dämpfe in des Tages Frühe
rochen nach Soda und nach Seife.
Gespült, gewrungen voller Mühe,
bekamen Kragen ihre Steife.

Mutter und Oma schleppten Körbe
mit frischer Wäsche in den Garten.
Damit was nass, schnell trocken werde,
wo draußen Wind und Sonne warten.

Im Wartezimmer

Wladimir Jegorowitsch Makowski (1846-1920) – Im Wartezimmer

Im Wartezimmer herrschte Stille,
acht Stühle noch, wo sonst die Fülle.
Abstand statt Enge, mundgeschützt,
zeitungsbefreit, wo‘s Viren nützt.

Grabesgesichter machen Runde,
kein Lächeln flieht bedecktem Munde.
Fast Jeder nestelt in den Taschen,
um dort sein Handy zu erhaschen.

Geduldig pikst die Langeweile,
man blickt herum, scheint nicht in Eile,
hat Hektik und das rasche Leben
behandlungswillig abgegeben.

Von Zeit zu Zeit ertönen Namen,
der Smartphone-Blick entflieht dem Rahmen,
die Warteschleife neu formiert,
bald ist’s vorbei, wenn das passiert.

Es laufen weiße Helferlein
im Hin und Her zum Arzt hinein.
Da sitzt man nun, gespannt und stumm
und wartet aufs Martyrium.

Herbstgefühle

John Atkinson Grimshaw (1836-1893)

Man kann nur schlafen oder müde schauen,
den großen Wolkenschäfchen folgen,
vor des Himmels Grauen,
die schnell zerpflückt in Wirbel ziehen,
abends zum roten Horizont entfliehen.

Nur kühle Luft streift durch die
asphaltgrauen Straßen,
die nebeltrüb, vom Dunst beladen,
das Leben in die Häuser treibt,
wo Tropfen hängen an Fassaden
und die Natur erstarrt und schweigt.

Herbst-Impressionen

Hans Andersen Brendekilde (1857–1942)

Man schmeckt den Herbst,
er schmeckt nach Haselnüssen,
nach Pflaumenkuchen und nach Apfelküssen,
nach Butterbirnen und Erinnerungen,
den – selbst im Alter unzerstörbar jungen.

Man riecht den Herbst,
er riecht nach letzten Rosen,
nach bunten Astern und nach Herbstzeitlosen,
nach Rauch und Feuer auf Kartoffelfeldern,
nach Pilzen, selbst gesucht in Heimatwäldern.

Man sieht den Herbst,
er prangt in allen Tönen
und will mit Früchten Mensch und Tier verwöhnen,
man hört sein Lied und spürt die festen Bande,
die man als Kind geknüpft zum Heimatlande.

Otto Daschowski

Erlösungsworte

Geht ein Kampf durch Licht und Dunkel,
trennend, schmerzlich ist der Schnitt,
fern beseelt im Sternenfunkeln
geht der Geist des Chaos mit.

Viele Leben gehen verloren
und die Seelenteile schwinden.
Hässlichkeit wird neu geboren,
wo im Zauber sie sich finden.

Wie im Märchen, nennt man Namen,
den sie lang vergessen hatten,
ihr vom Geist gehalt‘ner Rahmen,
wird zerbrechen an den Schatten.

Nur die Liebe kann entzaubern,
löst in mannigfacher Form.
Durch den Missklang geht ein Zaudern,
böse, die Gestalt der Norm.

Bald zerbrechen alle Schalen,
und die Herzenskälte weicht,
wenn man dem, mit schlimmen Namen,
liebevoll die Hände reicht.

Fragen

Die dunklen Flüsse tragen schwer
an ungelösten Fragen,
wälzen sich träg vom Land zum Meer,
Vergessenes längst begraben.

Sie sanken auf den tiefen Grund,
wie Flüche, die verbannten.
Den frei gewaschenen Stein im Bund,
gerundet hart die Kanten.

Kein Sonnenstrahl drang je hinein,
die Dichte zeigt kein Weichen.
Wo warmes Licht belebt den Rain,
da lässt kein Schein sie bleichen.

Verdichtet ist, was leblos dann
gelähmt am Vorwärtsschreiten.
Wer über’s Wasser laufen kann,
gehört den Ewigkeiten.

Die Fragen mancher dunklen Zeit,
sie bieten kein Verstehen;
sie werden mit der Gegenwart
gemeinsam untergehen.

Operation

Gaspare Traversi (1722-1770) – Gallenoperation

Gedanken schwinden mit den Schmerzen,
versickern in des Fleisches blutigen Kanälen,
erhöhen Puls und Schlag des schwachen Herzens,
drehn sich um sich im dunklen Reich des Quälens.

Die messerscharfe Öffnung körpereigener Regionen,
ist fremder Zugriff im geschlossenen System.
Fern scheint der Ort, wo Musengeister wohnen,
ihr tristes Schweigen ist nicht angenehm.

Vom Schmerz umhüllte Last der schweren Tage,
wo die Ideen untergehn im Fluss des Denkens,
Tiefsinnigkeit – Patient auf einer Trage,
Heilung wird sanfter Geist des Schenkens.

Ehrgeiz und Wahn

Planetarium Bochum

Wie wunderschön der Erde Glanz,
sie strahlt in allen Farben,
als wär’s der Schöpfung erster Tanz,
der Ausdruck ihrer Gaben.

Allmorgendlich erwacht die Welt
im fernen Sonnenglühen,
und jeder Winkel wird erhellt,
lässt die Natur erblühen.

Besessener Ehrgeiz ist ein Wahn,
will ungestillt zerstören,
der Mensch greift unseren Erdball an,
will Göttern angehören.

Unsterblichkeit erreicht er nicht,
von Engeln ist’s gesungen.
Die Christlichkeit ist eine Pflicht,
die lang schon scheint verklungen.

Man beutet aus – der Menschen Not
missachtend hingenommen.
Reichtum und Macht zerstören das Brot,
das sie von Gott bekommen.

Bald wird der ‚Siebte Tag‘ zur Nacht,
erloschenes Schöpfungswesen.
Wird dann die Welt in alter Pracht
am ‚Achten Tag‘ genesen?*

*Lt. Jüdischer Überlieferung ist der 8. Tag nach der 7-Tage-Schöpfung prinzipiell der Tag der Auferstehung als Neuschöpfung.