Zeit für Wahrheit

Die Zeit flieht ohne Wiederkehr.
Wie ein Geist, verschlossen in Uhren, bleibt sie unhaltbar,
rinnt davon, wie der trockene Sand zwischen den Fingern.
Sekunden vergehen mit jedem Körnchen,
die gefüllt sind mit Vergangenheit und Träumen,
mit Liebe oder Leid, Glück oder Trauer.

Zeit – wenn sie nicht bleibt, was nutzt das Wissen
um die Wahrheit der Welt in dieser Stunde?
Könnten wir die Zukunft ertragen?

Erkennen wir die Wahrheit unseres Lebens?
Es würde doch nur ein Resümee der eigenen sein,
nicht die der anderen.

Was nutzt es, wenn man nur einem Teil wahrhaftig wird?
Die Menschen sehen uns, wie wir unser Spiegelbild.
Wer sind wir wirklich?
Könnten wir die Wahrheit ertragen?

Weisheit und Wahrheit – Pierre-Paul Prud’hon (1758-1823)

Wahrheit klebt an den Fingern der Theorie,
haftet dort einen Augenblick,
verwaschen bildet sie in der Wissenschaft eine ständig neue,
wandelt sich und reift mit der Zeit.

Niemals erreicht sie den Boden der Wirklichkeit,
wie eine Geldbörse die sich immer wieder füllt.

Auch die Sonne lässt reifen.
Sie schickt ihre Strahlen gleich gültig auf alle,
die eine Zeitlang der Stunden Glanz einfangen.

Wandeln auf den vom Himmel beleuchteten Wegen.
Sie bieten dir Schutz vor des Lebens Unwegsamkeit
und zeigen dir, wie du Frieden findest im Rückzug nach Innen.
Ausruhen von der Zeit!

Lebenszeit ist eine von Gott geliehene Gabe, ein flüchtiger Stoff.
Mit keinem Geld der Welt kann man sie kaufen.

Fülle deine Zeit mit Gerechtigkeit und Liebe,
gebe den anderen davon, die in Unfreiheit und Armut leben,
wenn du in der Fülle lebst.

Nutze den ‚Augenblick‘ deiner körperlichen Existenz
zum Heil deiner Seele im irdischen und astralen Bereich.
Irgendwann wirst du dort sein, im zeitlosen Raum,
um die ganze Wahrheit zu sehen!

Herbstgedanken

Flüchtig war’n des Sommers Düfte,
wie des Lebens angenehme Jahre,
zeichnen Farben zwischen dunklem Grün von gestern,
gelb und golden sind die Blätter, rötliche und müde,
Teppiche auf Wegen liegend und verwehend,
treiben durch die Welt in ferne Winkel,
wo es Menschen gibt, die lieben, lachen, leiden.

Weich, die Wege. Raschelnd klingt das Sterben
unter den Füßen schneller Schritte.
Natur – gedämpftes Leben!
Nur der Wind bewegt die Wolken,
weht den Staub der Straße,
und die letzten Rosen pflückt er,
streut die Blüten auf die feuchte Erde.
Die Natur, sie liegt zerbrechlich zwischen Herbst und Winter,
malt den Menschen goldne Sommerträume.

Nah ist das Ende, wo bereits der Anfang wartet,
umfangen vom Himmel, genährt von der Erde,
berufen von Gottes Wort, das alles Leben erschafft und erhält.
Am Ende des Jahres tragen wir die Jahreszeiten in uns,
mit ihren Erinnerungen und der Nostalgie ferner Zeiten.
Der Herbst entkleidet die Natur,
gönnt ihr im Winter eine Pause der Erneuerung,
um sie in neuem Kleid dem Frühling darzubieten.

Die Welt verändert sich, tauscht Dur in Moll,
nimmt einen tiefen Atemzug am Fenster in der Frühe,
wo die Menschen müd noch in den Betten schlummern.
Das Alter trägt Talente, Fähigkeiten und Weisheit
in die Zeit des Neuen, die Erfahrung sammelt, bis sie mit ihr vergeht.
Abschied von Zeitabschnitten, vom Leben, Herbst und Winter.
Neu zu erwachen, wie die Natur, ein neues Kleid bekommen,
das Leben neu entdecken, es zu lieben und Gott dafür zu danken,
für jedes Jahr, jeden Tag und jede Stunde.

Guido Reni (1575- 1642)

König Artus

Sir Edward Burne-Jones (1833-1898) – The Last Sleep of Arthur in Avalon

Grün waren die Täler, die der Wind durcheilte,
bergig die Landschaft in Nähe und Weite.
Wie eingetaucht in gleißendes Licht,
das sich in Wasser am Horizont bricht.

Ringsum ein Meer von gewaltiger Größe,
deckte mit Gischt die steinige Blöße.
Grüne Insel von Sagen durchdrungen,
wo 12 tapfere Ritter für Artus gerungen.

Wo Barbaren brandschatzten und stahlen,
und das arme Volk litt Hunger und Qualen,
zog einst der Sohn eines Ritters, geheim,
das Schwert Excalibur aus dem Stein.

Schwert Excalibur

War in Wahrheit des Königs eigener Sohn,
als Erbe bestieg er Britanniens Thron.
Der Frieden gedieh im britannischem Land,
als die Barbaren besiegt, gelöscht der Brand.

Die Festung Camelot wurde geschaffen,
wo sich die tapfersten Sieger des Landes trafen.
Die Tafelrunde bot dem König dienliche Gründe
und die Aufgabe, den Heiligen Gral zu finden.

Quelle: https://hdwallpaperim.com – Zauberer Merlin

Königin Guinevere war die Schönste im Land,
die sich strahlend an Artus Seite fand.
Der Zauberer Merlin mit Rat und Genie,
half Artus mit Zauber und Magie.

Doch der Frieden sollte nicht ewig währen,
den Bund zerstörte Lanzelots Begehren,
Lady Guinevere brachte den König zu Fall.
In letzter Schlacht floh er, ihm blieb keine Wahl.

Frank Bernard Dicksee (1853-1928) – La Belle Dame sans Merci

Von Merlin geborgen, tödlich verletzt,
wurde Artus auf einer Barke hinübergesetzt,
auf die sagenhafte Insel Avalon,
wo die Herrin des Sees und die Jungfrauen wohnen.

Sie nahmen sich schützend seiner an.
Sein Geist erhebt sich dann und wann,
wartet noch immer darauf zurückzukehren,
will seinem Land Frieden und Wohlstand bescheren.

August Malmström (1829-1901) – Tanzende Feen

Leere Blätter

Foto: Pixers.de

Du leeres Blatt,
du ziehst mich an…
dein Bild,
mit Zeichen dich zu füllen,
die innere Lust zu stillen,
zu schauen,
wie sich die Fläche langsam füllt,
so wie ein Lebensbild,
wenn die Konturen stärker noch
die Schatten heben.

Wie punktgenau, fast unsichtbar,
die Zeichen rannen
und mittels Geisteskraft
aufs Blatt gelangten!

Buchstabenreihen
tragen Inhalt in schwachen Momenten,
fordern schriftlich Konsequenzen,
weil komplizierte Wirkungsweisen
gedanklich Lücken reißen
und innerlich befreien.

Kann durch Schreiben und Lesen die Welt genesen?

Herr der Herrlichkeit

Bild von jplenio auf Pixabay

Wo ist die Lebenszeit geblieben?

Die Stunden schwinden zwischen Tag und Nacht,
und wieder wird des Tages Fracht
vom Rad des Schicksals angetrieben.

Wie ist das Lebensband verbunden?
Verbringt man gute oder wenig gute Stunden
in purem Gottvertrauen und Geleit?

Der Geist des Herrn der Herrlichkeit,
verbindet Lebenslicht und Zeit…
hält unser Lebensband gebunden.

Herbstblätter

Sybille von Olfers (1881-1916) – Windchen

Wenn das Laubwerk fällt,
ist so kühl die Welt.

Wie ein letztes Scheiden,
ist das bunte Treiben,

pendeln sich im Schwingen
hin zum Neubeginnen,

Blatt für Blatt im Wind.

Ewig neues Leben,
ist der Schöpfung Streben.

Geben, wie die Bäume,
tragen Frühlingsträume,

Ruhezeit und Frieden,
sei dem Mensch beschieden,

dem der Herbst beginnt.

Sieger und Besiegte

Verdict of the People – George Caleb Bingham (1811-1879)

Nur einer kann der Sieger sein!
Des Einen „Ja“, des Anderen „Nein“.
Doch wer die Menschenwahl erfüllt,
ist nur des Wunsches Abziehbild;

verwaschen ist es schon nach Stunden,
denn wieder scheint nicht der gefunden,
der führend, mit beherzter Hand,
die Menschen schützt in diesem Land.

Raubritter gibt es lang nicht mehr,
modern ist heut‘ der Geldverkehr.
So manches ‚Huhn ist schon gerupft‘,
wenn es noch auf der Wiese hupft.

Die Hintergründe sind verzerrt,
der Weg zur Wahrheit bleibt versperrt.
Sehr ausdrucksvoll sind ‚große‘ Worte,
„zurückgedreht“, wie die Retorte.

Das Alte, das sich meist bewährt,
wird uns als ‚Zukunft‘ präsentiert.
„Nach mir die Sintflut!“, bitte sehr…
sie wollen weiter, wie bisher.

So ist Atlantis einst verschwunden!
Kann unsre Welt denn so gesunden?
So werden Völker der Nationen,
wohl später an den Polen wohnen.

Neuer Morgen

Ich wünsche allen einen schönen Sonntag!
Foto: Christian Fischer – http://www.Pixelio.de

Die Welt erstrahlt im Morgenlicht
mit nass verhangenen Schwaden,
und sonnenwarmes Strahlen bricht
durch Wolkenbergkaskaden.

Ein schöner Tag wird uns kredenzt,
im sonntäglichen Glanze,
und selbst der alte Kirchturm glänzt
mit hellem Blätterkranze.

Mein Weg

Bild von Jim Semonik auf Pixabay

Auf meinem Weg,
da ging ich erste, kleine Schritte,
vertrauensvoll und freudig war mein Denken,
doch endlos schienen mir die vielen Tritte;
ich fühlte Menschen, die sich aufmerksam verschenkten.
In aller Munde trug man lächelnd ein Bewundern
in meine kleine Seele, die geblendet von dem Neuen,
doch weinend sank ich in die Kissen voller Trauer
und scheute ihre Blicke in der Jahre Dauer.

War ich verbunden
mit den Kräften, die mich sandten,
so streiften ab die letzten Bilder ins Vergessen.
Ein Tor schloss sich – ich wurde neu bemessen!
Es waren fremd und unvollkommen die Verwandten.
Geöffnet stand die Tür zum neuen Leben.
Hindurch zu gehen, fasste ich den Mut,
nur vorwärts ging es, aufwärts war mein Streben,
wo mich des Lebens Härte trieb und schlug.

War auf der Suche,
nach Geborgenheit und Liebe,
wollte erwachsen werden, suchte Plan und Sinn.
Doch was ich fand, war nur ein Ideal im Buche,
vergänglich war die heile Welt darin.
Irdisch begrenzt war auch das Menschenleben;
ich sah so viele kommen, viele scheiden.
Die Lebenslust war wie ein kurzes Beben,
das mich ins Chaos stürzen ließ und leiden.

Verirrte Welt!
Ich bin des Suchens müde,
mein Gang wird schwerer, matter, jeden Tag.
So, wie das Wetter, unbeständig, trübe,
sind meine Blicke leerer und verzagt.
Die Menschen, die mir Leid zufügten, sind mir Lehrer.
Werd‘ bald schon letzte kleine Schritte gehn.
Mein Seelenreifen war kein leichter Gang, ein schwerer;
Will selig, körperlos im Staub verwehen.

Herbst auf der ganzen Linie

von Erich Kästner

Nun gibt der Herbst dem Wind die Sporen.
Die bunten Laubgardinen wehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

Es ist, als ob die Sonne scheine,
Sie lässt uns kalt. Sie scheint zum Schein.
Man nimmt den Magen an die Leine.
Er knurrt und will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber,
Nimmt Abschied vom Geäst und sinkt.
Die Erde dreht sich um sich selber.
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren,
Um, wie die Jahre, zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Die Stunden machen ihre Runde.
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt
Und gehen langsam vor die Hunde.
Man führt uns hin! Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen.
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint.
Es wehen bunte Laubgardinen.
Nun regnet’s gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben.
Ruth ist verreist, und der Verkehr
Beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben.
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren.
Und dennoch wird es weitergehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn …

Erich Kästner (1899-1974)