Heiler aller Herzen

Arthur Hacker (1858-1919)
Sieh, ich schreite dir zur Seite,
sieh, ich breite
meiner Lichterkenntnis Weite
dir zu Füßen,
denn ich kenne Schuld und Büßen,
Lust und Leiden,
und von beiden
trag' ich goldgewirkte Zeichen
im Gewand, dem wolkenweichen,
windhauchgleichen.

Seinem Rauschen
sah ich dich schon oftmals lauschen,
sah dich oftmals leis erschauern,
denn mein Auge schaut durch Mauern. -

Sag, was macht mein Nah'n dich zittern,
du, mein Bruder hinter Gittern,
hinter Gittern deiner Sinne?
Werde meiner Liebe inne!

Sieh, ich teile deine Tage,
sieh, ich trage deine Klage
zu dem Heiler aller Herzen,
dem Beschwichtiger der Schmerzen.

Heiltrank haltend in den Händen
kehr' ich wieder, zu verschwenden,
zu verströmen, was ich habe,
unsres ew'gen Gebers Gabe!

<Ephides>

Urlaub und Ferien

Bild von blende12 auf Pixabay
Wo sonst emsiges Treiben in der Stadt, 
wurde es zunehmend leiser.
Mit Kind und Hund brachte man sich auf Trab -
die Nachbarschaft ging auf die Reise.

Sie machten sich fort von Arbeit, Verkehr,
und buchten den Flug in die Ferne.
Wo‘s sonst am Flughafen zügig und leer, 
stand man lang noch in Menschen und Wärme.

Flüge, verschoben, gecancelt und voll -
kein Fortkommen mehr, 
kein Entkommen.
Eigentlich läge man lang schon am Meer.
Man hatte sich viel vorgenommen.

Als sie längst fort, zog der Sturm heran,
kam mit Gewitter und Regen gezogen.
Der Garten verwüstet, der Wind hat’s getan,
er hat die Bäume verbogen.

Er kippte sie um, brach die Stämme entzwei,
nun liegen sie auf dem Rasen.
Sie ahnen noch nichts von der Schweinerei,
die Nachbarn, vom Glück verlassen. 

Wenn vorbei das Wimmeln an Strand und Meer,
und sie froh in der Heimat gelandet,
ist Erholung vorbei, das Konto leer,
das südliche Flair abgehandelt. 

Der Sand des Strandes steckt noch in den Schuh’n,
auf der Wiese tönt Motor und Säge;
Aufräumen ist ein nötiges Tun,
bringt dem Urlaub eigene Wege. 

Gott der Dichter

Frederick Leighton (1830-1896) – Musik
Die Poesie ist wie die Liebe,
sie kommt und geht nach einer Zeit.
Den tiefen Wunsch, dass sie doch bliebe,
hat sich das Schicksal einverleibt. 

Die Verse sprühen und die Worte;
im Zauber fügt sich Reim an Reim,
erreichen des Vergessens Pforte
und gehn in die Geschichte ein. 

Ein frommer Spruch auf Dichters Füßen,
ein edles Wort aus Herzens Grund,
lässt die Gedankenkraft genießen,
färbt ein das Grau so mancher Stund‘. 

Verdichtet sind wohl tausend Worte,
mein Gott, das Dankgebet sei Dir!
Gedichte blüh‘n an lichten Orten,
den Gleichklang suchend, neben mir. 

Wie ein Gedicht schuf Gott die Welt,
band ein, den Reimen gleich, den Klang,
der so verdichtet steigt und fällt,
einträchtig in des Rhythmus Gang. 

Die Menschen suchen ziellos leidend,
wie Worte, die im Reim sich binden.
Ein Jeder will zu den gehören, 
die sich im Einklang wiederfinden.

Hochschule für Musik

Schloss „Belvedere“, Weimar – Bild von lapping auf Pixabay
Der „Schwanenteich“ am Schloss „Belvedere“,
inmitten des Blicks auf ein Seerosenmeer,
zwischen Musik von Franz Liszt und feinen Gesängen,
tönt ein Konzert der Vögel in zarten Klängen,
die zu den oberen offenen Fenstern schallen -
hier musizieren Begnadete in den Hallen -
bringen aufs Papier faszinierende Töne,
nehmen des Vogelgesangs Harmonie und Schöne,
formen die Notenvielfalt zum bunten Strauß,
machen Grüße zur Freude der Menschheit daraus. 
Quelle: Wikimedia

Hilfloses Altern

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Die Tür‘ fällt leis‘ ins Schloss!
Du musst verlassen deines Wirkens Stätte.
So, wie ein langer Regen sich ergoss
und dann versickert tief im Erdenbette,
so flossen deine Tage voller Schaffen,
doch langsam wich die Kraft aus deinen Zellen,
vorbei der Ansporn, das Zusammenraffen,
der Zahn der Zeit, er nagt an allen Stellen.
 
Ein letzter Blick fällt auf das Altvertraute,
ein tiefer Seufzer den Erinnerungen.
Der mit Elan einst Zukunftsschlösser baute,
ist ohne Ziele, hoffnungslos durchdrungen.
 
Die Wehmut lenkt die Schwere deiner Schritte,
nichts hält dich, niemand der dein Dasein wandelt;
was du einst liebtest und dich hielt in deiner Mitte,
ist doch längst fort, vorbei und abgehandelt.
 
Hältst Zwiegespräche mit den Unsichtbaren,
die schon vor langer Zeit die Welt verließen.
Hilflosigkeit wächst mit den täglichen Gefahren
und tückisch scheint der Weg unter den Füßen.
 
So gehst du hin in eine Heimstatt, die man wählte,
und überschaubar werden deine letzten Jahre.
Am Ort, wo die Vergessenheits-Gequälten
vergessen werden, steht bereits die Bahre.
 
Wenn Menschenhände dich längst losgelassen,
du mit Erinnerungen nur im Damals lebst,
bleibt dir nur Gott – er wird dich nicht verlassen,
wenn du auf deine letzte Reise gehst.

Raum der Stille

Ich rufe euren Namen… LAUT!

Ihr hört mich nicht – seid fort, so weit.
Kein Wort dringt in die Einsamkeit hinein.
In meinem Raum der Stille steht die Zeit!
Nur Eines drängt sich in mein Herz, das Wort: ALLEIN.
Wo sonst ein Weitergehen, steht ein Nichts im Raum.
Es treibt ein Vakuum mir in die Sinne ein
und legt sich dunkel mir in jeden Traum.

Die Ströme der Gedanken stehen still,
um mich die laute Flut des welken Tags.
Wo monoton die Zeit nur stehen will,
das Müssen endlos an der Seele nagt,
dringt Schwere in die Langsamkeit der Zeit,
wird jeder Augenblick zur Fantasie,
bereitet ihm den Hauch von Ewigkeit;
der Tag scheint endlos – irgendwie.

Wortverloren

Carl Spitzweg (1808-1885) – Der arme Poet
Es sprach ein schöner Satz in mir, 
nun ist er fort – ich will ihn wieder.
Wollt‘ vom Gedanken auf’s Papier,
doch ich schrieb ihn nicht nieder.

Nun ist er weg aus meinem Kopf,
gänzlich, wie weggeblasen,
ich grüble hier, rauf mir den Schopf –
ich hab ihn gehen lassen. 

Er rüttelte in meinem Hirn
und wollt um Achtung bitten,
da kam des Schlummers kurze Rast,
dann ist er mir entglitten. 

Nun denke ich den lieben Tag
an die vergess’nen Worte,
und weil ich kein Erinnern hab,
schloss sich des Denkens Pforte. 

Mein Satz ist fort, kehrt nicht zurück -
er wird es mir verzeihen,
bleibt er ein längst vergessenes Stück
des Aneinanderreihens.

Eis mit Zitrone

Bild von blende12 auf Pixabay
Atmen fällt schwer, die Glieder so müde,
ein langer Schlaf und trotzdem so schwach.
Tatkraft ist nur eine Attitüde,
was fehlt ist die innere Leidenschaft.

Konzentration will nicht recht gelingen;
schwerfällig setze ich jeden Schritt.
Möchte die Wärme zum Weichen bringen,
Ventilator verteilt die Hitze ein Stück. 

Draußen der Lärm, hier hüllt sich das Schweigen
wie eine schwere Decke um mich.
Hitzefrei will ich im ‚Kämmerchen‘ bleiben,
einzig mit meinem schwitzenden Ich. 

Träume vom kühlenden Eis mit Zitrone,
senken von innen die Temperatur.
Menschen treibt es auf die Balkone,
schweißtreibend hält mich der Sommer auf Spur.  

In Stein gebannt

Bild von John_Nature_Photos auf Pixabay
Bebend die Starre zerbrechen, 
versunken in blutroten Bächen,
als Magma erstickten die Gluten,
auftauchen in ruhigeren Fluten. 

Felsen, verurteilt zum Schweigen,
Lautlosigkeit - Schrei ihrer Leiden.
Graue Riesen, in Stein gebannt,
stiegen als Mahnmal über das Land.

Ströme des Fühlens beleben,
wie Edelweiß auf felsigen Wegen.
Brachland mit Leben erfüllen,
die Tränen der Steine stillen. 

Alte Verkrustungen sprengen
und in den Herzen, den engen, 
die hinter Härte versteckten,
milden Züge entdecken.

Gottesgabe

Michael-Peter Ancher (1849 – 1927) – Krankes junges Mädchen
Es sind so viele Wünsche, die ich für dich habe,
nur Glück und Liebe soll’n dein Herz erfreu’n;
dass du gelebt, sollst du als Gottesgabe,
im tiefsten Seeleninnern nie bereu’n.
 
Und wird sich manches Glück auch wandeln,
aus deinen Augen Trauertränen rinnen,
so wird ein gottesnahes Handeln,
dich stets zum stillen Frieden bringen.
 
Vertraue und sei guten Mutes,
was auch dein Schicksal bringen mag
und ist es manchmal wenig Gutes,
dann freu dich auf den neuen Tag.