Hoffnungsvoll

Die Republik – Gerome Jean Leon (1824 – 1904)

Die Hoffnung setzt Vertrauen in das Leben.
Obwohl die Dunkelheit so manchen Tag verhüllt,
wird sie uns Lebensmut und Selbstvertrauen geben,
auch wenn oft langes Warten unsre Stunden füllt.

Und ist uns bang ums Herz und trüb die Sicht,
für Pläne, die wir tief im Herzen schmieden,
so sendet uns ein Leuchten neues Hoffnungslicht;
gelingt ein Plan, bringt es uns den erträumten Frieden.

Die Hoffnung ist die Flamme unsrer Lebenslichter,
ein Funke, der das Feuer in der Dunkelheit entfacht,
erfüllte Träume bringen strahlende Gesichter,
und es durchflutet heller Schein die finstre Nacht.

Oft will uns nicht gleich jeder Schritt gelingen,
dann straucheln wir und fallen hart zurück,
die ferne Zeit wird dann zum Guten bringen,
was einst zerstörte unser Missgeschick.

Wiedergeburt

Bild: Karin M.

Hin zu den klaren Quellen,
mit Weisheit gesegnet.

Alte Seelen,
nichts wissend,
nur ahnend,
unter tausend Schichten verborgen,

zur geistigen Erhöhung
dem Leben verpflichtet.

Gesichter der Erde im Spiegel,
Geist des Himmels im Herzen.

Voran, weiter, höher!
Es gibt kein Zurück.

Ein tiefer Brunnen

Siegfried August Gerasch (1822 – 1893)

Ein tiefer Brunnen sein,
in dem die klaren Wasser nie versiegen,
wo durstig man das Leben trinkt und lacht,

in Sand gebaut,
wo Füße vieler in den Spuren liegen,
wo feuchte Stirnen kühlten in der Nacht.

Nach allen Seiten offen…
Krüge füllen,
mit tiefem Wasser – Lebenselixier allein;
gar manchen Durst nach Klarheit stillen.

Wer wollte nicht wie dieser Brunnen sein!

Schatten der Vergangenheit

Johann Heinrich Füssli (1741-1825)

Ich fühle, wie Gestalten
im Dämmerschatten stehen,
sind unsichtbar verknüpft
mit meinem Zeitgeschehen,
zeigen hilflose Momente,
warnend und wohlbekannt,
von denen ich mich trennte –
vernarbtes Lebensband.

Möcht’ ich mich auch entziehen,
in wilder, langer Flucht,
so kann ich nicht entfliehen,
aus dieser Lebensschlucht.
Schau mutig ich hinüber,
mit ungetrübtem Blick,
bringt dieses Schau’n doch wieder
Erinnerung zurück.

Sind’s dunkle Lebensflecken,
die dort im Nebel stehen,
die mir aus finster’n Ecken
tief ins Bewusstsein gehen.
Die vielen off’nen Wunden –
sie heilen wird die Zeit –
sind noch nicht überwunden,
obwohl Vergangenheit.

In seinem Garten

Kastanienbaum in Oberursel – Hans Thoma (1839-1924)

In seinem Garten wandelt er allein;
in alle Bäume gräbt er immer wieder
gedankenschwer den einz’gen Namen ein,
und in dem Namen klagen seine Lieder.

Sanft blaut der Himmel, milde Rosen webt
die Sommerzeit durch mächt’ge Blättermassen.
Er schaut sie nicht; die Zeit, in der er lebt,
ist alt, verblüht, von allen längst verlassen.

Storm, Theodor
(1817-1888)

Gewitterahnung

Vor dem Gewitter – Ignaz Raffalt (1800–1857)

Alle Fenster weit geöffnet,
nur ein kleiner Luftzug strömt
in den schwefelgelben Morgen.
Horch nur, wie’s vom Kirchturm tönt!

Und die Vögel singen leise,
spüren, was da kommen mag,
drosseln ihre frühen Kreise;
Federn sind ihr Seismograf.

Dunkle Himmel, zugezogen,
ein Verbinden grauer Schwaden,
die auf blauen Sommerspuren
ihren Glanz verloren haben.

Alle Menschen atmen Schwüle,
jeder Schritt wird eine Last.
Glücklich schätzen wir die Kühle,
die im Winter uns verhasst.

Stimmungsvoll ist aufgeladen,
was die Stadt in Atem hält.
Zwielicht tilgt die frühen Farben,
grau und tot scheint unsre Welt.

Ahnung zerrt an Augenblicken,
es verstummt die Gegenwart.
Blitze gehn auf Himmelsbrücken,
fern noch klingt der Donnerschlag.

Ruhe vor dem Sturm! Beizeiten!
Wird die Welt nun untergehen?
In mir klingt’s wie Ewigkeiten:
Reingewaschen wird sie gehen.

Am Meer

William Adolphe Bouguereau (1825-1905)

Sonnendurchtränkter weißer Strand,
wie lieb ist mir deine Idylle.
Das Meer umspült den flüchtigen Sand,
die Wogen durchbrechen die Stille.

Endlose Wellen in glitzerndem Nass
schimmern wie funkelnde Sterne,
glänzen wie Seide und gläserner Strass,
brechen das Licht in der Ferne.

Muscheln verzieren die feuchte Natur,
Sonne verbrennt letzte Schatten;
Krebse wandern auf Poseidons Spur,
Salzluft liegt auf den Rabatten.

Strahlender Himmel in endlosem Blau,
spiegelt sich tief in den Fluten,
salziger Wind nimmt den Wolken das Grau,
Sonne kühlt ab ihre Gluten.

Seelenflüge

Louise Janmot (1814-1892)

Die Seele öffnet ihre Flügel, wenn sie liebt.
Hebt alle Erdenanker, treibt im Meer des Sehnens,
und so, wie Sommerwolken über Wellen schweben,
treibt sie bis an die fernsten Weltenenden
im Strom der Leichtigkeit dem Liebenden entgegen.

Der Ruf der Seele sucht das Ohr des andern,
der einsam und allein am fernen Ufer stehend wartet
und voller Angst den Weg zurück nicht findet.
Dazwischen sucht die Woge des Vergessens
im Strom verflossener Zeit Vergangenes zu lösen.

Die Seelenflügel sind im Liebesfluge weit gebreitet.
Sie suchen Herzensbrücken über Abgrundtiefen
auf neuem Grund zu bauen, in Liebe fest verankert,
den bodenlosen Strudel fliehend.
Nur, wenn man liebt, dann hat die Seele Flügel.

Du bist, als ob du…

Franz Xaver Gräßel (1861 -1948)

Du bist, als ob du segnen müsstest
wen die Madonnen längst vergaßen;
und oft, im Sommer, wenn du wüsstest:
da kamst du von den Abendstraßen
so klar, als ob du Kinder küßtest,
die traurig wo am Saume saßen.

Und jeder Rhythmus, der verschwiegen
aus stillen Wiesen aufgestiegen,
schien innig sich dir anzuschmiegen,
bis alles Winken, alles Wiegen
nur in dir war und nirgends mehr.
Und mir geschah: die Welt verginge –
und das Vermächtnis aller Dinge,
ihr letztes Lied, bringst du mir her.

Rainer Maria Rilke (1875-1926)

Konzentriertes Elend

Flüchtlingslager – Wikimedia

Die Finsternis haust in den Ecken
voll Armut, zwischen Schmutz und Kot.
Das Elend wächst, muss nichts verstecken,
die Welt schaut weg, will Spaß, nicht Not.

Die Kinder wälzen sich im Müll,
mit ihnen spielt Armseligkeit.
Touristenreich durch das Idyll
flaniert der Spaß im neuen Kleid.

Wo neues Leben reift heran,
wächst neuer Hass auf Wohlstandländer.
Der Urlaubsspaß von nebenan,
beschallt die europäischen Ränder.

Über die im Mittelmeer ersaufen,
fährt derweil unsre Kreuzfahrtflotte.
Sind doch nur junge Männer-Haufen,
schwarz noch dazu: Lasst sie verrotten! (Ironie aus)

Was will Europa denn mit denen?
Geht wieder nur auf unsre Kasse!
Müssen wir Christen uns nicht schämen?
Sind Kirchen, Menschen ohne Klasse?

Betrüger, Schlepper, Waffenhändler,
sie schröpfen, töten ohne Skrupel,
die Hoffnung heimatloser Pendler
mit Blut bezahlt. Es rollt der Rubel!

„Und ewig grüßt das Murmeltier.“
Es scheint so fern, was doch so nah.
Der Mensch gleicht einem wilden Tier –
hier wird das Böse offenbar.