The Mirrow – Sir Frank Francis Bernard Dicksee (1853-1928)
Oh, du Ergraute, wie fremd wird mir dein Bild, das Altvertraute, und wie erscheint es mir so unbekannt?
Wo gestern noch der späte Sommer wob mein Lebensband, dort spüre ich den Herbst nun leise schleichen und meinem unbeschwerten Ausseh’n mussten Falten weichen.
Noch gestern blickte ich in junge Augen, doch heute schau’n sie müde, voller Sorgen, spür’ ich die Zeit an meinen Lebenskräften saugen, frag’ ich dich Spiegel, was zeigst du mir morgen?
Vertonungen: Gustav Holst (1874-1934), unter dem Titel Cranham, und von Harold Darke aus dem 20. Jahrhundert
In the bleak midwinter Frosty wind made moan, Earth stood hard as iron, Water like a stone; Snow had fallen, Snow on snow, In the bleak midwinter, Long ago.
Mitten im kalten Winter bei klirrend kaltem Wind, die Erde hart wie Eisen, das Wasser wie ein Stein, Schnee war gefallen, Schnee auf Schnee, mitten im kalten Winter vor langer Zeit.
Our God, heaven cannot hold him, Nor earth sustain; Heaven and earth shall flee away When he comes to reign; In the bleak midwinter A stable place sufficed The Lord God incarnate, Jesus Christ.
Unser Gott, der Himmel kann ihn nicht halten, noch die Erde ihn tragen; Himmel und Erde werden entfliehen, wenn Er kommt, um zu herrschen. Mitten im kalten Winter reichte ihm ein Stall, Gott dem Herrn in Menschengestalt, Jesus Christus.
Enough for him, whom Cherubim Worship night and day A breast full of milk And a manger full of hay. Enough for him, whom angels Fall down before, The ox and ass and camel Which adore.
Genug für ihn, den Cherubinen Tag und Nacht anbeten, eine Brust voller Milch und eine Krippe voller Heu; Genug für ihn, vor dem Engel auf die Knie fallen, den Ochs und Esel und Kamel anbeten.
Angels and archangels May have gathered there, Cherubim and seraphim Thronged the air; But his mother only, In her maiden bliss, Worshipped the Beloved With a kiss.
Engel und Erzengel mögen sich dort versammelt haben, Cherubine und Seraphine die Luft erfüllen. Aber nur seine Mutter, in ihrem jungfräulichen Glück, huldigte dem Angebeteten mit einem Kuss.
What can I give him, Poor as I am? If I were a shepherd I would bring a lamb, If I were a wise man I would do my part, Yet what I can I give Him — Give my heart.
Was kann ich ihm geben, arm wie ich bin? Wäre ich ein Schäfer, brächte ich ihm ein Lamm; Wäre ich ein Weiser, trüge ich das Meinige dazu bei; Doch was ich ihm geben kann: ich gebe mein Herz.
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, Der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. Weihnachten war’s; durch alle Gassen scholl Der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fortgespült, Drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr: „Kauft, lieber Herr!“ Ein magres Händchen hielt Feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein Sah ich ein bleiches Kinderangesicht; Wes Alters und Geschlechts es mochte sein, Erkannt ich im Vorübertreiben nicht.
Quelle: Andersen Märchen – Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Nur von dem Treppenstein, darauf es saß, Noch immer hört ich, mühsam, wie es schien: „Kauft, lieber Herr!“ den Ruf ohn Unterlaß; Doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? – War’s Ungeschick, war es die Scham, Am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? Eh meine Hand zu meiner Börse kam, Verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Quelle: Andersen Märchen
Doch als ich endlich war mit mir allein, Erfaßte mich die Angst im Herzen so, Als säß mein eigen Kind auf jenem Stein Und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.
Am liebsten ist mir, wenn der Tag beginnt; dann ist noch alles offen. Wie ein Kind, das morgenfrisch, dem Dasein treu…, als schaut ein trauter Freund vorbei.
Wenn draußen die Geräusche leise, dann gehn Gedanken auf die Reise. Ich mag die stille, blaue Stunde, bevor die Sonn‘ erhellt die Runde.
Auch, wenn sie abends untergeht, ist’s Dämmerlicht, wie ein Gebet, bis Dunkelheit die Welt bedeckt, bis hin zum neuen Tag… ganz unbefleckt.
Der Weihnacht Weihe sei euch gewünscht, und der weihnachtliche Friede sei euer Begleiter in den kommenden Tagen. Der König, der Geist, der von seinen Untertanen umgeben das Fest der Weihe begeht, bekommt neue Kraft und neue Macht, denn die Ströme besonderer Art durchfließen in diesen Tagen das Erdenleben und durchfließen von der Sonne ausgehend, alle Planetenkinder, die sie um sich gesammelt hält wie eine Mutter ihre Kinder oder wie der König seine Seelenteile, seine Untertanen. Es ist ein kosmisches Geschehen, das sich im Rhythmus des Jahres vollzieht, und Winter und Frühling sind nur Abbilder dieses Geschehens: Der Winter, das große Ruhn, die Rückkehr, die Einkehr in sich selbst, – der Frühling, das Ausstrahlen, das Geben dessen, was man im großen Ruhn erwarb.
Und nun will ich euch ein Bild dessen geben, den ich den König nannte. Ein Bild nur kann es sein, denn Selbsterkenntnis kann nicht geschenkt werden, sie ist ein Akt, den jeder von euch selbst vollziehen muss. Aber ein Bild mag euch helfen zur Selbsterkenntnis zu gelangen.
Ihr seid Ströme des lebendigen Wassers. In euch liegt die himmlische Macht, und ihr seid ein Teil der göttlichen Kraft. Das Wasser seht ihr auf eurer Erde in vielerlei Formen. Es fließt und befruchtet eure Äcker, und es kann erstarren und zu Eis werden. Wenn das Eis nun zu sich spräche und sagen würde: Ich bin hart, ich bin kalt, ich bin brüchig und todbringend, so hätte es recht. Wenn aber das Eis von sich spräche: Ich bin Wasser, ich kann fließen, Tiefen ausfüllen und Früchte dem Boden entlocken, so hätte es in höherem Sinne recht. Denn es spräche aus seinem höheren Bewusstsein, es spräche aus seiner Erinnerung. Und wenn es die Erinnerung nicht hätte, die Erinnerung an seine Macht behielte, auch wenn die Macht gebunden und unfähig ist, wie könnte das Eis je wieder zu Wasser werden?
Und so tragt auch ihr in eurer Erstarrung das Wissen und die Macht der Erlösung in euch. Ihr sprecht aus eurem verengten Bewusstsein, wenn ihr, wie im gegebenen Bild das zu Eis gewordene Wasser es tat, euch als Mensch im Körper, als Geschöpf der Erde, als ein begrenztes Wesen bezeichnet. Und dann seid ihr das, was ich den unweisen König nannte, und in diesem Zustand werdet ihr oft verdrängt und überwältigt von den Untertanen, die an eurer Stelle regieren.
Mit Recht sagt ihr von einem Menschen, der in Zorn gerät: „Der Zorn hat ihn überwältigt.“ und „Er ist außer sich.“ Das entspricht durchaus dem geistigen Vorgang. Die Untertanen, die aus irgendeinem Grund in Erregung sind, überwältigen ihren König und verweisen ihn außer Landes, um ihre Herrschaft aufzurichten.
Betrachtet daneben den Vorgang, der an sich der gleiche, dennoch ein anderer seiner Bedeutung nach ist: Ihr sagt von einem Menschen bei gewissen Gelegenheiten: „Er schließt sich auf.“ oder „Er geht aus sich heraus.“ Auch dieser König befindet sich außerhalb seiner Burg. Den Unterschied zwischen beiden bildet nur, dass dieser freiwillig seine Tore aufschließt und seine Burg in voller Ordnung zurücklässt, um einem anderen König entgegen zu gehen. Ein König im Exil ist etwas anderes als ein König auf Reisen, der Herrscher bleibt, auch wenn er fern seiner Mauern weilt.
Wenn ihr aber aus eurem höheren Wissen, wie in jenem Bild das Wasser es tat, von euch sprecht als dem fließenden Strom des lebendigen Wassers – das auch in der Abgesondertheit und Beschränktheit und Erstarrung dennoch alle Macht und alles Wissen um diese Macht besitzt, – dann seid ihr der weise König und vermögt zu erlösen. Denn jede Welle, die aus der Winterstarre erwachend ihre Kraft gegen die Eisdecke stemmt, hilft mit des Winters Macht zu brechen. Und indem sie sich selbst erlöst, erlöst sie die andern.
Aber auch Wasser ist, wie seine erstarrte Form, das Eis, noch nicht das Letzte. Es ist auch nur eine Form. Und was des Wassers Macht und Sein ist, steht hinter eurer Erdenerkenntnis, wie euer eigenes Sein euch selbst verborgen bleibt. Dieses tiefste Wesen aller Dinge ist dasjenige, das alles Wissen in sich schließt, das in jeder Form und in jeder Gestalt die Bewusstheit seiner selbst in sich entzünden kann.
Ströme lebendigen Wassers seid ihr. Alle Wesen und alle Dinge sind nur dies, und ihre vielen Formen mögen euch nicht täuschen. Sie sind nur vorübergehende Gestaltung. Und die Kräfte des Wiedererinnerns werden sie alle zerbrechen, und die Wesen werden alle zu ihrem wahren Selbst zurückfinden. Alles ist erstarrter Geist, aber alle Erstarrung wird weichen und auftauen. Das Erinnern zu erwecken, die Brücke zwischen den Bewusstseinswelten zu schlagen, dies ist euch Erkenntnis. Auf diese Weise kommt ihr zurück. Und was ihr mitbringt aus der Welt der Erstarrung, ist das Erkennen eurer selbst, das ihr an vielen Zuständen und Formen geprüft und geschliffen habt, dass ein glänzender Diamant wurde, was jetzt noch ein ungeschliffener Edelstein ist.
So unberührt und weit, das flache Land, getaucht in winterkühle Morgendünste. Die Bäume tragen feierlich ein Festgewand aus weißem Glitzerflocken-Schneegespinste.
Seh‘ in der Ferne letzte Nebel steigen, die jede Härte mit Verklärung glätten, und die Natur hüllt sich in kaltes Schweigen, das wie ein Segen weilt auf Totenbetten.
Die Landschaft trägt geduldig ihre Bürde, die eisig funkelt unter schwachem Glanze. Die Schöpfung liegt mit königlicher Würde und ruht sich aus vom warmen Sommertanze.
Ruhig schläft das watteweiß verschneite Land, bis sich mit neuer Lebenskraft der Boden hebt, bis sich in Menschenherz und Menschenhand ein zauberhafter Gottessegen legt.
Noch ist es Phantasie – doch wärs nicht weit, wenn jede Seele danach strebt und handelt. Dann würden nach des Winters Frostigkeit, die Schatten in ein Frühlingslicht verwandelt.
Leise, windverwehte Lieder, mögt ihr fallen in den Sand! Blätter seid ihr eines Baumes, welcher nie in Blüte stand.
Welke, windverwehte Blätter, Boten, naher Winterruh, fallet sacht! Ihr deckt die Gräber mancher toten Hoffnung zu.
Heinrich Leuthold (1827-1879)
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